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# taz.de -- die wahrheit: Theater im Theater
> Ich bin verliebt. Und zwar schon länger. In Birgit Minichmayr...
Bild: Birgit Minichmayr spricht nicht zu leise. Und wenn sie leise spricht, dan…
...Zwar weiß sie nichts davon, aber kürzlich hatte ich eine Verabredung mit
Birgit Minichmayr im Theater in Essen. Birgit Minichmayr spielte in "Das
Interview" nach Theo van Gogh, eine Inszenierung des Theaters Neumarkt in
Zürich.
Dieser Besuch wurde mir von einer gewissen Erika restlos verhagelt. Nennen
wir sie jedenfalls Erika. Sie saß hinter mir. Und redete. Und redete. Und
redete. So erfuhr ich allerhand über sie. Aus erster Hand.
Erika war in Begleitung, nennen wir ihn Rüdiger, und vielleicht war er der
Grund für Erikas offensichtlich angestaute Aufgeregtheit, die sich bei
jeder kleinen Pause in Flüstern Bahn brach. Doch noch bevor es losging,
traf Erika in gleicher Sitzreihe, direkt neben Rüdiger, unversehens einen
alten Bekannten. Sie tauschten sich lebhaft aus. Theaterräume sind mit
einer guten Akustik ausgelegt. Das rächte sich hier. In Open-Air-Lautstärke
erfuhr ich, dass sie Redenschreiberin des Oberbürgermeisters gewesen sei,
aber seit der gewechselt habe, sei sie nun beim Liegenschaftsamt. Wo sie
scheinbar so wenig zu Wort kommt, dass sie nun alles nachholte. Heute.
Hier.
Die Lichter gingen aus. Ich freute mich auf Birgit. Kleine Pause. Erika
flüsterte mit Rüdiger. Wieder eine Pause. Erneutes Flüstern. Dann sagte
Birgit auf der Bühne als "Katja" zu "Pierre": "Ich will keine Nachrichten.
Stell auf RTL." Erika rief halblaut: "Aber auf RTL gibt es doch auch
Nachrichten!" Erika war also ein echter Medienprofi.
"Sie spricht mir zu leise!" war das Nächste, was ich hörte. Von Erika. Über
Birgit. Birgit spricht nicht zu leise! Und wenn sie leise spricht, dann ist
das Inszenierung! Quälend erwartete ich nun eher Erikas Kommentar von
hinten als den nächsten Satz von Birgit vorne auf der Bühne. Es war eine
Tortur. Ich hatte mich schon einmal zu Erika und Rüdiger umgedreht. Sie
sahen beflissen über mich hinweg. Ich hatte mich nochmals umgedreht und die
Finger auf die Lippen gelegt und danach bittend die Hände gefaltet. Es half
nichts.
Als das Stück endete, begann in der Sekunde hinter mir eine Erikasche
Satzkaskade, ein Wortewelle, eine rhetorische Springflut. Der Applaus hätte
leicht alles übertönt, nur nicht Erika. Ich verstand nur noch, sie habe
nicht alles verstanden, was mich nicht wunderte. Die Arme. Neunzig Minuten
hatte sie nun beinahe geschwiegen. Woher nur diese Aufregung neben Rüdiger?
Hatten sie keine eigene Wohnung? Lebten sie noch in anderen Beziehungen und
mussten darum ins Theater gehen? War der Oberbürgermeister wegen ihr
zurückgetreten?
Wir traten nebeneinander aus dem Theater, Erika und ich. Ich sprach sie an:
"Erika! Theater ist heilig. Sie haben gequatscht, die ganze Zeit. Machen
Sie das doch bitte tagsüber im Liegenschaftsamt!" - "Wie bitte?", fiel sie
aus allen Wolken, "ich habe überhaupt nicht … und das mit dem
Liegenschaftsamt … außerdem heiße ich gar nicht Erika."
Ich sah Rüdiger an, seufzte und ging. Ich bin nun mal ein höflicher
Ostwestfale und nicht Bruce Willis: "Hasta la Erika!"
8 Apr 2011
## AUTOREN
Bernd Gieseking
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
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