# taz.de -- Bildungspaket für arme Kinder: Ein Bonus, der keiner ist | |
> Bundesmittel für arme Kinder ersetzen größtenteils Leistungen, die | |
> Hamburg vorher selbst zahlte. Die Schulbehörde beteuert, es würde nichts | |
> gespart. | |
Bild: Kann dauern: Kinder können für die zehn Euro ein Instrument lernen, doc… | |
HAMBURG taz | Der Bund gibt 45 Millionen Euro und Hamburg "packt noch etwas | |
oben drauf", kam als Botschaft in den Medien an, als Sozialsenator Detlef | |
Scheele und Schulsenator Ties Rabe (beide SPD) Anfang April die Umsetzung | |
des Bildungspakets für 78.000 arme Kinder vorstellten. Von "Bonus | |
Millionen" in Höhe von 2,5 Millionen Euro für Essen und Fahrkarten ist gar | |
die Rede. Dabei zweifelt selbst der frühere Sozialsenator Dietrich Wersich | |
(CDU), dass mehr Geld bei den Kindern ankommt. | |
Das Bildungspaket soll kompensieren, dass die Regelsätze für die Kinder von | |
Hartz-IV-Empfängern nicht erhöht werden. Es gibt Geld für Mittagessen, | |
Fahrkarten, Schulmaterial, Klassenreisen, Schulausflüge, Nachhilfe und | |
monatlich zehn Euro für kulturelle Aktivitäten, wie etwa Sport oder Musik. | |
"Die meisten Angebote gab es vorher schon", sagt die grüne Schulpolitikerin | |
Stefanie von Berg. In einer Kleinen Anfrage fragt sie nun am Beispiel des | |
Mittagessens in Schulen ab, wie sich die Hamburger Zuschüsse entwickeln. | |
Rabe hatte bei besagter Pressekonferenz erklärt, Hamburg lege hier noch mal | |
1,5 Millionen Euro drauf, denn die Kinder müssten nicht den vom Bund | |
geforderten Eigenanteil von einem Euro zahlen. Im Haushaltsentwurf von | |
Schwarz-Grün waren über drei Millionen Euro eingeplant. Unklar ist nun, ob | |
tatsächlich Bundesmittel, Hamburger Mittel und 1,5 Millionen Bonus zur | |
Verfügung stehen. | |
Die selbe Frage stellt sich bei den HVV-Schülerfahrkarten. Hamburg lege | |
"knapp eine Million Euro drauf", hatte Rabe gesagt. Die Frage ist, wofür? | |
Schon bisher bekamen rund 5.000 Kinder eine HVV-Karte im Wert von 34 Euro, | |
wenn sie mindestens fünf Kilometer von der Schule entfernt wohnen. Hamburg | |
zahlte dafür 2,35 Millionen Euro. Davon übernimmt der Bund künftig 20 Euro | |
pro Karte. Laut Rabe sollen künftig auch 1.100 Oberschüler die Karte | |
erhalten. Doch auch wenn man dies abzieht, müsste Geld übrig sein. | |
Die Schulbehörde spricht auf Nachfrage auch nicht mehr von Mehrausgaben. | |
"Wir rechnen mit plus minus Null", sagt Sprecher Peter Albrecht. "Es wird | |
am Ende im Schulbereich so sein, dass Hamburg nicht mehr bezahlt aber auch | |
nichts einspart." | |
Ex-Sozialsenator Wersich fände es legitim, wenn Hamburg eigene Leistungen | |
durch Bundesgeld ersetze. "Man muss nur gucken, womit man sich brüstet", | |
sagte er. Enttäuschend wäre, "wenn unterm Strich nichts Neues für die | |
Schüler rauskommt". Einsparpotenzial sehen Kritiker vor allem bei dem | |
Zehn-Euro-Paket für kulturelle Teilhabe. Hamburg bekommt das Geld für die | |
78.000 Kinder pauschal, muss aber erst 2013 "spitz abrechnen". Wersich | |
sagt: "Je weniger Kinder das in Anspruch nehmen, desto besser steht der | |
Haushalt da." | |
"Viele wissen nicht, dass sie diese neuen Rechte haben", sagt Pastor Thies | |
Hagge, der im sozialen Brennpunkt Jenfeld ein Kinderzentrum betreibt. Die | |
Formulare seien in einigen Ämtern noch nicht vorhanden. Auch seien viele | |
Eltern nicht in der Lage, sie auszufüllen. "Das sollten Lehrer übernehmen." | |
Allerdings ist auch das Angebot, was Kinder für die zehn Euro "kaufen" | |
könnten, noch dürftig. Auf der Homepage der Sozialbehörde sind nur die | |
städtischen Anbieter wie Jugendmusikschule (JMS), Museen und Bücherhalle | |
gelistet. Theoretisch können Kinder ein Instrument lernen, die Plätze sind | |
aber begrenzt, es gibt in der Regel mehrjährige Wartezeiten. Die JMS will | |
aber zusätzliche Kurse anbieten im Bereich Tanz, Chor oder Theater. Bereits | |
etabliert ist das Angebot "Kids in die Clubs" der Hamburger Sportjugend, | |
die zur Zeit rund 4.000 Kindern eine Vereinsmitgliedschaft bezahlt. | |
All diese Angebote müssen erreichbar sein. In Jenfeld habe man von "Kids in | |
die Clubs" noch nichts mitbekommen, sagt Hagge. Das Bildungspaket müsse die | |
Mobilität aller Kinder stärken und Busse und Bahnen kostenfrei stellen, | |
"dann wäre Teilhabe gewährleistet". | |
10 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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