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# taz.de -- 50 Jahre bemannte Raumfahrt: Mondsüchtige Underdogs
> Robert Böhme will bis 2013 einen Roboter auf den Mond schießen. Er kann
> 30 Millionen Dollar gewinnen - und die Fachwelt Erkenntnisse für die
> Raumfahrtforschung.
Bild: Wer bis Ende 2013 einen Rover auf den Mond schließt, ihn dort 500 Meter …
Wenn Robert Böhme von seiner Mondmission erzählt, sieht er aus wie ein
kleiner Junge, den man einfach ein bisschen gestreckt hat. Auf eine
Körpergröße von bestimmt 1,90 Meter, aber trotzdem steckt das kurzärmelige
Karohemd noch wie festgetackert in der Hose.
Auch seine atemlose Mitteilsamkeitseuphorie, bei der die Geschwindigkeit
der Erzählung ganze Satzteile zu verschlucken droht, wirkt jungenhaft.
Böhme redet von Signalübertragung aus dem All, von Strahlenschäden auf dem
Mond, von Spaceshuttle-Startzeiten. Und wischt dabei auf seinem iPad herum,
um immer neue Grafiken und Fotos hervorzuzaubern.
Doch Böhme ist kein Spinner, der auf einem Kindheitstraum hängengeblieben
ist. Keiner, der mit 24 Jahren noch Filzerzeichnungen von Astronauten überm
Bett hängen hat. Sondern Leiter eines 70-köpfigen Spezialisten-Teams, das
bis Ende 2013 einen Rover, einen fahrenden Roboter, auf den Mond schießen
will.
"Part Time Scientists" heißt sein Team. Teilzeitforscher. Unter diesem
Namen haben sie sich für den Google Lunar X Prize angemeldet, einen
Wettbewerb für nicht-staatliche Weltraumforschung. Wer bis Ende 2013 einen
Rover auf den Mond schließt, ihn dort 500 Meter weit herumfahren lässt und
seine Bilder von dort zur Erde zurückschickt, gewinnt 30 Millionen Dollar.
Robert Böhme ist besessen von dieser Idee. Seit Ende 2008, als er das erste
Mal davon hörte. Damals rief er acht gute Kumpels an, vom
Baumarktmitarbeiter bis zum Physikingenieur. Lud sie zum Grillen ein. Bei
Würstchen und Kotelett sponnen sie einfach mal rum. Darüber, ob eine
Do-it-yourself-Mondmission wohl funktionieren könnte. Sie kamen zu dem
Schluss: Technisch wäre das möglich.
Das war der Startschuss für die Part Time Scientists, sechs Monate später
meldete Böhme sie beim Lunar X Prize an. Um die 10.000 Dollar Startgeld
zahlen zu können, plünderte er sein privates Sparbuch. Wie man so irre sein
kann? "Das ist eine Gelegenheit, die hat man nur einmal im Leben", sagt er
ruhig. "Warum sollten wir es nicht versuchen?"
## Asimov - Prototyp des Mondrovers
Keine zwei Jahre ist das her. Seitdem haben die Part Time Scientists Asimov
entwickelt, den Prototypen ihres Mondrovers, der ein wenig aussieht wie
Wall-E, der Zeichentrickroboter aus dem Kino. Das Team ist größer und
internationaler geworden, kommuniziert wird elektronisch über die
Kontinente hinweg. Sie schrauben, simulieren, berechnen Flugbahnen, tüfteln
über Raketen- und Carrieroptionen, suchen Sponsoren. Und laden Videos von
all dem ins Netz.
Andere Teams beim Lunar X Prize gehen seriöser, verbissener an die Sache
heran. Haben große Forschungseinrichtungen im Rücken. Millionenbudgets. Das
US-Team Astrobotics ist an eine Forschungseinrichtung gekoppelt, die
Roboter für die US-Regierung baut. Die Rocket City Space Pioneers aus den
USA kooperieren eng mit einer Firma, die Atomkraftwerke baut. Bei den Part
Time Scientists hat die Hälfte des Teams andere Vollzeitjobs. Böhme zum
Beispiel arbeitet bei einer Berliner Firma, die Softwarelösungen für
Bundesministerien programmiert.
"Robert will das wirklich machen. Das kann man in seinen Augen sehen, wenn
man ihn trifft", sagt der Fachjournalist Michael Doornbos. "Darum ist es so
einfach für ihn, Unternehmen zu überzeugen." Doornbos beobachtet die
Wettbewerber und ihre Fortschritte genau. Stellt Rankings auf, wer derzeit
die Nase vorn hat. Die Part Time Scientists seien anders als die anderen
Teams, sagt er. Offener. Stärker auf die Außendarstellung fixiert.
Tatsächlich trifft man die Part Time Scientists so ziemlich überall. Auf
Hackerkongressen. Bei der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung
ILA. Oder bei Veranstaltungen für Schüler und Studenten. Auch wenn Böhme
auf den ersten Blick nicht so wirkt, ist er ein gutes Aushängeschild für
das Team. Einer, den sich eine PR-Abteilung zur Förderung von
Ingenieursstudiengängen nicht besser hätte ausdenken können.
Auch vor großem Publikum bleibt er cool, führt souverän durch visuell
aufgemotzte Slideshows, selbst seine Ingenieurswitze wirken nie peinlich.
Vor allem aber transportiert er Begeisterung. "Hell yeah, it's rocket
science", sagt er dann und zieht die Schultern noch etwas weiter hoch. Das
ist der Claim der Part Time Scientists. Will sagen: Klar ist das, was wir
machen, irre kompliziert. Und hört sich völlig vermessen an. Aber hey,
Rock'n'Roll, es macht einfach zu viel Spaß, um sich davon abhalten zu
lassen.
Der Traum eines Underdog-Teams von der selbstgebastelten Mondmission - das
ist aber erst die halbe Geschichte.
## "Was längerfristiges schaffen"
Die zweite Hälfte geht so: Es ist fast dreißig Jahre her, dass Menschen
einen Fuß auf den Mond gesetzt haben. Seit den Siebzigern hat die NASA auch
keinen Rover mehr auf den Mond geschickt. Denn jede Mondmission, die ESA,
NASA und Konsorten planen, verschlingt hunderte Millionen Dollar.
Staatliche Raumfahrtbehörden planen bürokratisch, langwierig und teuer.
Wenn Staaten dann auch noch unter der Finanzkrise ächzen, werden
Weltraumprojekte schnell zu Streichposten.
Die X-Prize-Foundation und Google haben nun diesen hochdotierten Preis
ausgeschrieben. Und dabei geht es um mehr als nur darum, ein paar
Wissenschaftler zu bespaßen. Sondern darum, die private Forschung
voranzutreiben, einen neuen Industriezweig aufzubauen. Neue Materialien für
die Raumfahrt zu entwickeln. Sie preiswerter zu machen. Wendiger.
Flexibler. Markttauglicher. "Wenn eine Raumfahrtmission nur noch zehn statt
hundert Millionen Dollar kosten würde, könnte jede größere Firma sich das
leisten", sagt Fachjournalist Doornbos. "Wir haben noch nicht einmal
angefangen, darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten das beinhalten
könnte."
Das hat schon einmal funktioniert. Beim vorigen Wettbewerb der
X-Prize-Foundation. 2004 gewann der Tüftler Burt Rutan den Ansari-Preis mit
seinem Space Ship One, einem wiederverwertbaren Shuttle für private
Raumflüge. Richard Branson, Chef von Virgin Air, saß damals in der Jury.
Und nahm kurze Zeit später Rutan unter Vertrag - um für seine Firma das
Projekt Virgin Galactic fertig zu entwickeln.
Auch Robert Böhme und seine Part Time Scientists kennen diese Geschichte.
Vieles auf dem Mond sei noch unerforscht, sagt Böhme. Und vieles dort
interessant für Forschung und Wirtschaft. Wasservorkommen. Rohstoffe wie
Regulit. Spezielle chemische Verbindungen.
Auch wenn die Part Time Scientists nach außen viel Spaß und gute
Wissenschaftlerlaune verbreiten, können auch sie sich vorstellen, ernst zu
machen. Mit ihrem Know-How später, nach dem Wettbewerb, eine Beraterfirma
aufzumachen. "Was längerfristiges schaffen", nennt Böhme das. Immer
Softwareingenieur bleiben, das will er eher nicht.
## Mehr als nur eine Mission
Das ist die andere Seite seiner Part Time Scientists. Deren Name auch etwas
in die Irre führt. Denn die zweite Hälfte des Teams besteht aus
Wissenschaftlern und Doktoranden, Spezialisten, die an Unis in Vollzeit an
dem Projekt herumbasteln. Keine Freizeitbastler, sondern pensionierte
Nasa-Mitarbeiter oder renommierte Algorithmenschreiber. Die mit anerkannten
Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten wie dem Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR). So gut, dass das scheinbare Underdog-Team im
Ranking von Beobachter Doornbos zu den vier Top-Teams gehört, die schon die
größten Fortschritte auf dem Weg zur Mondmission gemacht haben.
Auch wenn sie mit einem spärlicheren Budget operieren als andere, kostet
das Vorhaben auch die Part Time Scientists Millionen. Allein der mit
kompletter Technik ausgestattete Mondrover Asimov schlägt mit bis zu 40.000
Euro zu Buche. Das ist eben doch etwas teurer, als ein paar Legoklötzchen
aufeinanderzustecken. Darum kooperieren die Part Time Scientists mit
Sponsoren. Firmen, die Spezialkomponenten entwickeln. Karbonteile, Kameras,
Elektronik - all das muss den Flug überstehen, extremen
Temperaturschwankungen und der Strahlung auf dem Mond standhalten.
Ingenieure aus Unternehmen lassen sich vielleicht vom Spieltrieb der Part
Time Scientists begeistern. Deren Finanzabteilungen nicht. Die
interessiert, was ihnen die Kooperation mit den Part Time Scientist bringt.
Dass da Spezialisten ihre Neuentwicklungen unter Extrembedingungen testen.
So kriegen die Part Time Scientist ihre Materialien gesponsert. Wenn dabei
ein neues Produkt heranreift, gehört das geistige Eigentum dafür dem
Unternehmen.
Die Part Time Scientists treten professionell auf. Tragen bei öffentlichen
Auftritten uniform dunkelblaue Hemden, in deren Kragen der Teamschriftzug
weiß eingestickt ist. Betreiben eine aufwändige, mit Liebe und Webdesign
gepflegte Seite. Klar, sagt Böhme und beugt sich von seiner iPad-Grafik
hoch. Sie wollen sich ja auch nicht präsentieren wie Kelleringenieure. Der
Spagat zwischen der professionellen fachlichen Seite und der
spaßorientierten Außendarstellung sei durchaus kalkuliert, sagt Böhme: "Wir
wollen mehr erreichen als nur diese eine Mission."
12 Apr 2011
## AUTOREN
Meike Laaff
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