# taz.de -- Zulassung für Carbendazim: EU erlaubt gefährliches Ackergift | |
> Nach den künftigen Regeln der EU darf das Ackergift Carbendazim nicht | |
> zugelassen werden. Deshalb genehmigen es die Behörden nun - bevor das | |
> neue Recht in Kraft tritt. | |
Bild: Giftiger Schutz: Ein Bauer verteilt Spritzmittel auf einem Getreidefeld i… | |
BERLIN taz | "Giftig für Wasserorganismen", "Kann das Kind im Mutterleib | |
schädigen", "Kann vererbbare Schäden verursachen" - die Warnhinweise des | |
Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu Pestiziden | |
mit dem Wirkstoff Carbendazim klingen beunruhigend. Trotz dieser Gefahren | |
haben die EU-Agrarminister am Donnerstag den Weg dafür frei gemacht, die | |
Chemikalie für weitere dreieinhalb Jahre als Pflanzenschutzmittel zu | |
erlauben. | |
Die Ressortchefs konnten bei einem Treffen in Luxemburg weder für noch | |
gegen die Zulassung eine genügende Mehrheit erreichen, wie ein EU-Diplomat | |
sagte. Nun muss die Europäische Kommission entscheiden, die sich für die | |
Genehmigung ausgesprochen hatte. Die neue Lizenz für Carbendazim wird | |
voraussichtlich am 1. Juni in Kraft treten. | |
Dabei gehört die Chemikalie dem Verein Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) | |
zufolge zu den rund 25 besonders gefährlichen Stoffen, die nach den ab 14. | |
Juni gültigen Regeln der EU keine Genehmigung erhalten dürften - eben weil | |
diese Chemikalien laut Kommission das Erbgut verändern und die | |
Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen können. | |
"Um sich vor den strengeren Regeln zu drücken, schaffen Industrie und | |
Behörden jetzt schnell Tatsachen", kritisierte PAN-Sprecherin Susanne | |
Smolka. Und Carbendazim könnte nur der Anfang sein: Smolka befürchtet, dass | |
die EU weitere Ausnahmegenehmigungen erteilt, die das neue Recht aushöhlen. | |
Die EU-Kommission bestreitet solche Vorwürfe. In einem Entwurf für die neue | |
Carbendazim-Genehmigung schreibt sie, dass sowohl Deutschland als auch die | |
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit "annehmbare Anwendungen" für | |
den Stoff sähen. Um zu diesem Schluss zu kommen, hätten sie Studien der | |
Chemiebranche ausgewertet. | |
Allerdings will die Kommission den Einsatz von Carbendazim wie bisher | |
darauf beschränken, Pilzkrankheiten in Getreide, Mais, Rapssamen, Zucker- | |
und Futterrüben zu bekämpfen. Denn nur bei diesen Pflanzen hätten die | |
Behörden die Wirkung untersucht. Die Chemikalie solle auch nicht aus der | |
Luft oder aus tragbaren Spritzen aufs Feld gesprüht werden dürfen. Und | |
Bauern müssten bei der Anwendung Schutzkleidung tragen. Außerdem sollten | |
die EU-Staaten verbieten, Carbendazim-haltige Pestizide in der Nähe etwa | |
von Flüssen oder Seen auszubringen. | |
Umweltschützer weisen jedoch darauf hin, dass solche Vorschriften in der | |
Praxis immer wieder verletzt werden. PAN-Expertin Smolka hält es auch nicht | |
für nötig, Risiken durch das Pestizid einzugehen. "Es gibt Alternativen", | |
sagt sie. Die Biolandwirtschaft komme schließlich völlig ohne | |
chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel aus. Vielen Landwirten seien | |
jedoch die Erträge im Ökolandbau zu gering. | |
Dass es vor allem um Geld geht, bestätigt auch Henning Götzke, | |
Marketingleiter des Pestizidherstellers Stähler. Das niedersächsische | |
Unternehmen kauft Carbendazim von Chemikonzernen wie DuPont oder Bayer als | |
Zutat für Pflanzenschutzmittel. | |
Auf die Frage, warum seine Firma trotz der vergleichsweise großen | |
Gefährlichkeit an dem Stoff festhalte, antwortet er: "Carbendazim hat | |
einfach eine gute Leistung." Pro Hektar seien nur wenige Milliliter nötig. | |
"Das ist ja auch gut für die Umwelt", sagt Götzke - und billig für die | |
Landwirte. | |
14 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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