# taz.de -- Karlsruhe stoppt Zwangsbehandlung: Keine Psychospritzen | |
> Psychopharmaka dürfen nicht gegen den Willen der Betroffenen verabreicht | |
> werden: Die Zwangsbehandlung von Straftätern in der Psychiatrie muss | |
> gesetzlich geregelt werden. | |
Bild: Die Verabreichung von Psychopharmaka im Maßregelvollzug gegen den Willen… | |
FREIBURG taz | Die Zwangsmedikation von psychisch kranken Straftätern muss | |
gesetzlich neu geregelt werden. Dies hat jetzt das Bundesverfassungsgericht | |
in einem Grundsatzbeschluss entschieden. Bis auf Weiteres dürfen | |
Straftäter, die in der Psychiatrie untergebracht sind, nicht mehr gegen | |
ihren Willen mit Psychopharmaka behandelt werden. | |
Geklagt hatte ein Mann aus Rheinland-Pfalz. Er hatte Ende der 90er Jahre | |
aufgrund einer wahnhaften Störung mit einer vollen Weinflasche auf seine | |
schlafende Ehefrau eingeschlagen und dann versucht, sie mit einem Kissen zu | |
ersticken. Anschließend schlug er auch seiner im Nebenzimmer schlafenden | |
Tochter mit einer Weinflasche auf den Kopf. Er hatte geglaubt, sie wollten | |
ihn vergiften. | |
Das Landgericht Frankenthal ging 1999 davon aus, dass der Mann bei seiner | |
Tat nicht schuldfähig war, und verurteilte ihn zur Unterbringung in einer | |
psychiatrischen Anstalt. Er wurde also nicht bestraft, sondern muss im | |
Maßregelvollzug bleiben, bis er nicht mehr gefährlich ist. | |
Nach seiner Unterbringung im Pfalzklinikum Klingenmünster erhielt er | |
zunächst Neuroleptika, nervendämpfende Medikamente. Seit dem Frühjahr 2000 | |
verweigert er die Einnahme der Psychopharmaka, Er befürchtet Nebenwirkungen | |
auf die Leber und das Blutbild sowie negative Persönlichkeitsveränderungen. | |
Die Klinik kündigte ihm daher 2006 an, sie werde ihn zwangsbehandeln, da er | |
nicht einsichtsfähig sei. Notfalls müssten ihm die Neuroleptika gegen | |
seinen Willen gespritzt werden. Ohne Behandlung laufe die Unterbringung auf | |
einen reinen Verwahrvollzug hinaus und der Mann habe keine Chance, | |
entlassen zu werden. Die Gerichte in Rheinland-Pfalz gaben dem Klinikum | |
recht. | |
Doch die Verfassungsbeschwerde des Mannes hatte Erfolg. Derzeit bestehe in | |
Rheinland-Pfalz keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die | |
Zwangsbehandlung von Personen, die im Maßregelvollzug untergebracht sind. | |
Dem Kläger dürfen also bis auf Weiteres keine Medikamente gegen seinen | |
Willen verabreicht werden. Das Land will nun sein Maßregelgesetz "zügig" | |
novellieren, wie eine Sprecherin gestern mitteilte. | |
Die Richter halten eine Zwangsbehandlung allerdings nicht generell für | |
ausgeschlossen. Wenn dem Kranken die Fähigkeit zur Einsicht fehle, dass er | |
krank ist, könne die Zwangsbehandlung in seinem Interesse liegen, auch mit | |
Blick auf eine spätere Entlassung aus der Psychiatrie. | |
Doch für eine gesetzliche Regelung machen die Richter strenge Vorgaben. Die | |
Zwangsbehandlung müsse letztes Mittel sein, vorher müsse versucht werden, | |
das Vertrauen des Kranken zu erlangen. Die Notwendigkeit einer | |
Zwangsbehandlung muss durch unabhängige Sachverständige festgestellt | |
werden. Außerdem müsse sie so rechtzeitig angekündigt werden, dass der | |
Betroffene eine gerichtliche Prüfung veranlassen kann. | |
Der Beschluss dürfte im Ergebnis auch alle anderen Bundesländer betreffen. | |
15 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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