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# taz.de -- Zwangsbehandlung von Straftätern: "Kriminelle in weißen Kitteln"
> Der Anwalt David Schneider-Addae-Mensah fordert, die Zwangsbehandlung von
> Straftätern in der Psychiatrie sofort zu stoppen. Ansonsten will er Ärzte
> anzeigen.
Bild: "Eine Zwangsmedikation kann den Weg zur Freiheit verbauen."
taz: Herr Schneider-Addae-Mensah, Sie haben letzte Woche beim
Bundesverfassungsgericht einen Beschluss erstritten, der die
Zwangsmedikation von psychisch kranken Straftätern im sogenannten
Maßregelvollzug einschränkt. Sind Sie mit der Entscheidung zufrieden?
David Schneider-Addae-Mensah: Das Urteil ist ein Teilerfolg. Leider hat das
Verfassungsgericht nicht entschieden, dass eine Zwangsbehandlung generell
unzulässig ist. Das war ja das eigentliche Ziel meines Mandanten. Aber es
ist gut, dass Karlsruhe eine strengere gesetzliche Regelung verlangt. Wenn
die Vorgaben umgesetzt werden, wird es hoffentlich weniger Willkür geben.
Krankheitseinsichtige Patienten können sich künftig stärker auf ihr Recht
auf Krankheit berufen. Nur bei uneinsichtigen Patienten droht künftig noch
eine Zwangsbehandlung.
Was gilt denn nun bis zu einer Neuregelung?
Bis dahin ist keine Zwangsbehandlung von Gefangenen, die in der Psychiatrie
gelandet sind, mehr möglich. Das Verfassungsgericht hat den entsprechenden
Paragrafen im rheinland-pfälzischen Maßregelvollzugsgesetz für nichtig
erklärt. Der Karlsruher Beschluss nützt also nicht nur meinem Mandanten,
sondern allen Gefangenen, die im Maßregelvollzug sitzen, weil sie bei ihrer
Tat schuldunfähig waren. Das sind bundesweit mehr als 6.500 Personen.
Gilt das Urteil denn bundesweit?
Formal wurde zwar nur das Mainzer Gesetz beanstandet, aber die Regelungen
der Zwangsbehandlung sind in allen Bundesländern ähnlich. Die Karlsruher
Anforderungen sind nirgends erfüllt. Deshalb dürfen jetzt Betroffene in
ganz Deutschland nicht mehr gegen ihren Willen gespritzt werden. Es wäre
schikanös zu verlangen, dass erst gegen jedes Landesgesetz Verfassungsklage
erhoben werden muss.
Werden sich die Kliniken daran halten?
Wenn sie es nicht tun, werde ich die entsprechenden Ärzte wegen
Körperverletzung anzeigen und die Richter, die jetzt noch eine
Zwangsbehandlung genehmigen, ebenso. Das sind dann Kriminelle in weißen
Kitteln und schwarzen Roben.
Die Ärzte sagen aber: Wer sich nicht behandeln lässt, kann auch nicht aus
dem Maßregelvollzug entlassen werden …
Mag sein, dass die Ärzte das glauben. Meine Erfahrung als Anwalt ist eine
andere. Auch eine Zwangsmedikation kann den Weg zur Freiheit verbauen. Oft
sind die Betroffenen dann völlig vergiftet - Wracks, die nicht mehr
selbstständig lebensfähig sind, wenn sie herauskommen. Viele bekommen auch
posttraumatische Belastungsstörungen. Stellen Sie sich vor, dass man Sie
regelmäßig fesselt, damit Sie gespritzt werden können! Immer wieder bringen
sich Gefangene als Reaktion auf diese Misshandlungen auch einfach um.
Was schlagen Sie vor?
Wer keine Behandlung will, bekommt eben keine Behandlung. Wenn er dann
notfalls in der Maßregelpsychiatrie bleiben muss, ist das zwar bitter, aber
immer noch besser als eine Zwangsmedikation, die die Menschen noch mehr
kaputtmacht, als sie eh schon sind.
Wie häufig sind solche Zwangsbehandlungen?
Ich glaube, sie spielt bei fast allen Straftätern, die in der Psychiatrie
landen, eine Rolle. Rheinland-Pfalz sagt jetzt zwar, es handele sich um die
"absolute Ausnahme". Das halte ich aber für eine Schutzbehauptung. Oft
genügen Drohungen mit Zwangsmaßnahmen, damit die Gefangenen alles mit sich
machen lassen.
Warum hat man denn bisher so wenig von diesem Problem gehört?
Die Behandlung psychisch kranker Straftäter scheint ein Igitt-Thema zu
sein, mit dem sich niemand gern beschäftigt. Auch die Medien interessieren
sich kaum dafür, schließlich haben viele der Betroffenen ja tatsächlich
schreckliche Taten begangen und sind keine Sympathieträger. Trotzdem sollte
man sie human behandeln.
17 Apr 2011
## AUTOREN
Christian Rath
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