# taz.de -- Schulsenator Rabe über Hilfe für schwache Schüler: "Nachhilfe f�… | |
> Schulsenator Ties Rabe (SPD) will schon diesen Sommer das Sitzenbleiben | |
> abschaffen. Stattdessen sollen alle leistungsschwachen Kinder Nachhilfe | |
> bekommen. | |
Bild: Schulsenator Rabe will an zwei Dingen nicht rütteln: den Klassengrößen… | |
taz: Herr Rabe, was macht mehr Spaß, Opposition oder Regieren? | |
Ties Rabe: Regieren. Weil man viel klarer Dinge durchschauen und Dinge tun | |
kann. | |
Sie wollen die Unterrichtsqualität verbessern. Sind Sie auch für eine neue | |
Lernkultur, oder gehen Sie andere Wege? | |
Ich fand diese Ansätze richtig. Ein binnendifferenzierter, | |
individualisierter Unterricht muss in Hamburg weiter vorangetrieben werden. | |
Aber das ist nicht das Einzige, was Qualität ausmacht. Dazu gehört, dass | |
der Lehrer Anspracheformen entwickelt. Ich höre von Schülern: in dem | |
Unterricht blühe ich auf, wo ich das Gefühl habe, der Lehrer mag mich und | |
er ist mir zugewandt. Diese innere Haltung gilt es zu erzeugen. Dazu zählen | |
viele andere Punkte. Ich würde das Thema gerne erweitern. | |
Ein Streitpunkt sind Zensuren. Wird es unter Ihnen wieder benotete Diktate | |
geben? | |
Rechtschreibung lernt man auf vielfältigem Weg, nicht nur durch Diktate. | |
Ich halte nichts davon, eine Methode kategorisch auszuschließen. Eine | |
Rechtschreibarbeit sollte nicht aus einem Diktat bestehen. Aber das Diktat | |
als ein Element einer Arbeit finde ich richtig. Falls der Bildungsplan dies | |
nicht zulässt, werden wir das ändern. | |
Werden Sie das Sitzenbleiben abschaffen wie geplant? | |
Ja. Aber ich mache dies deutlich schneller. Nach dem alten Plan würden erst | |
in fünf Jahren alle Kinder davon profitieren. Wenn wir die Mittel des | |
Bildungspakets aus Berlin klug einsetzen, dann können wir vielleicht schon | |
zum Sommer 2011 mit einem Förderprogramm starten, das allen vom | |
Sitzenbleiben bedrohten Schülern hilft. | |
Das Programm "Fördern statt Wiederholen" gibt es jetzt schon in den 4. und | |
7. Klassen. | |
Hamburg hat die durch die Abschaffung des Sitzenbleibens frei werdenden | |
Resourcen in Förderunterricht umgeschichtet. Das sind 2.400 Euro pro Kind, | |
das bisher sitzenblieb. | |
Muss man nicht mehr Kindern fördern als nur die, die tatsächlich | |
sitzenbleiben? | |
Das stimmt. Das zweite Problem ist der Stufenplan. In diesem Jahr fördert | |
man die Klassen 3 und 7. Im nächsten 3,4 und 7 und 8. Ab 2013 dann 3,4, 5 | |
und 7, 8, 9 und so weiter. Das macht uns Bauchschmerzen. | |
Weil es jetzt den Nachhilfe-Anspruch für arme Kinder gibt und es komisch | |
wäre, sie nur diesen zu gewähren? | |
Richtig. Wir möchten hier keine Unterscheidung von armen und reichen | |
Kindern. | |
Wer soll die Nachhilfe durchführen? | |
Hamburg hat den Vorteil, dass es schon erste Erfahrungen gibt. Bisher haben | |
die Schulen die Wahl, ob sie Lehrer einsetzen oder Honorarkräfte bezahlen. | |
Wir haben Rückmeldungen: Die erfolgreicheren Konzepte scheinen zu sein, | |
dass über Honorarkräfte eine Art staatliches Nachhilfesystem aufgebaut | |
wird. | |
Die GEW sieht das kritisch. Sie sagt, Lernförderung müsse durch | |
qualifizierte Lehrer erfolgen. | |
Es gibt da ein zusätzliches Problem: Die Bundesmittel aus Berlin dürfen | |
vermutlich nicht für Lehrerstellen eingesetzt werden. Deswegen können wir | |
das Berliner Geld vermutlich nur in die andere Richtung bewegen, indem wir | |
über Honorarkräfte oder Fristverträge dies organisieren. Wir wollen aber | |
nicht zwei verschiedene Fördersysteme. Alle Schüler sollen die gleichen | |
Angebote bekommen. | |
Wenn Sie dies zum Sommer 2011 starten, brauchen sie zusätzliches Geld. | |
Dass wir durch Umschichtung an anderer Stelle finden. | |
Wo denn? | |
Sie haben es in ihrer Zeitung ja schon angedeutet. Schon jetzt zahlt | |
Hamburg beispielsweise das Essensgeld für arme Kinder. Wenn Berlin uns | |
dabei hilft, müssen wir nicht mehr so viel Essensgeld finanzieren. | |
Sie werfen Schwarz-Grün Luftbuchungen vor? | |
Die auch von der SPD mit auf den Weg gebrachten kleinen Klassen kosten auch | |
in Zukunft aufwachsend mehr Geld. Im jetzigen Etatentwurf von Schwarz-Grün | |
wird dies durch angebliche Einsparungen von rund 70 Millionen Euro | |
finanziert. Die sind zum Teil aus der Luft gegriffen. | |
Müssen die Schulen jetzt wieder sparen? | |
Es gibt ab 2020 ein Verschuldungsverbot. Entweder wir machen weiter wie | |
bisher und schließen ab 2019 staatliche Einrichtungen. Oder wir versuchen, | |
ab jetzt genau bei jeder Ausgabe zu gucken, gibt es eine andere, mit der | |
wir dies gegenfinanzieren? | |
In CDU-Zeiten wurden die Klassen größer gemacht. | |
Für uns gibt es zwei Tabus: Die Klassengrößen und die Unterrichtsstunden | |
werden nicht angefasst. Das begrenzt in der Tat das Sparen auf andere | |
Bereiche. | |
Schwarz-Grün wollte die Nachmittagsbetreuung an die Grundschulen verlagern. | |
Was wird aus dieser Hortreform? | |
Zum Sommer werden 21 Modellschulen starten. Wir waren immer vorsichtig, was | |
die Ausweitung betrifft. Wir haben aber das Ziel, uns in den nächsten | |
Monaten mit den Kita-Trägern und auch in der Politik und mit den Schulen | |
auf einen Fahrplan zu verständigen. | |
Könnte es teuer werden, weil Sie den Betreuungsschlüssel nachbessern? | |
Das Prinzip sah bisher vor, dass Hamburg eine Summe von 90 Millionen Euro | |
bereit stellt. Wir müssen damit auskommen. | |
Was wird aus der Inklusion? Jedes behinderte Kind hat das Recht, eine | |
Regelschule zu besuchen. Aber die Schulen klagen über mangelnde Ressourcen. | |
Wir wollen ein Modell entwickeln, wie wir die vier verschiedenen Formen der | |
Integration, die es bisher gibt, vereinheitlichen. Aber diesen großen Wurf | |
schaffen wir nicht zum neuen Schuljahr. Deshalb gucken wir, ob wir die | |
Schulen im nächsten Jahr durch Erzieherstunden entlasten können. | |
Die Vorschulen hatten mit über 8.000 Anmeldungen einen Rekord. Sie haben | |
das begrüßt und jedem Kind einen Platz versprochen. Haben Kinder, die mit | |
fünf in der Kita bleiben, schlechtere Chancen? | |
Nein, ganz und gar nicht. Wir haben zwei Systeme in Hamburg, die beide gut | |
funktionieren. Beide haben ihre Stärken. | |
Sollte man die Konkurrenz beenden? Kita und Vorschule könnten das Jahr | |
teilen. | |
Das halte ihr für juristisch schwierig. Es ist in der Regel so gewesen, | |
dass die eine Hälfte sich für den einen und die andere für den anderen Weg | |
entscheidet. Ich verstehe nicht, warum da etwas geändert werden muss. | |
17 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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