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# taz.de -- Skinhead-Aufmarsch in Ungarn: Rotes Kreuz rettet Roma
> Aus Angst vor Skinheads müssen in Ungarn 276 Roma aus einem Dorf
> evakuiert werden. Der Regierungssprecher bezeichnet die Aktion weiter als
> lange geplanten "Osterurlaub".
Bild: Mitglieder der rechten Schlägertruppe Vederö vor ihrem so genannten Tra…
WIEN taz | Wie sich Ungarns Regierung die Minderheitenpolitik vorstellt,
war am Osterwochenende in der Gemeinde Gyöngöyspata, kaum 80 Kilometer von
Budapest entfernt, zu beobachten. 276 Frauen und Kinder aus einer
Romasiedlung wurden am Karfreitag vom Roten Kreuz evakuiert, weil
Zusammenstöße mit Rechtsextremen befürchtet wurden. Peter Szijjarto,
Sprecher von Premier Viktor Orban, erklärte die Maßnahme als lange
geplanten "Osterurlaub".
Gyöngöyspata, wo nach Darstellung der Rechten "2.000 Ungarn und 500
Zigeuner" leben, ist schon mehrere Wochen Aufmarschgebiet von Skinheads.
Unter dem Namen "Bürgerwehrvereinigung ,Für eine bessere Zukunft' "
schüchtern Nachfolgetruppen der verbotenen Ungarischen Garde Roma ein. Der
parteilose Bürgermeister Laszlo Tabi hatte sie gerufen aus Furcht, dass der
"Zigeunerterror eine Bürgerkriegssituation" provoziere.
Am 10. März marschierten über tausend uniformierte Stiernacken im Dorf ein.
Sie werden von der Bevölkerung bereitwillig untergebracht und verköstigt.
Die Regierung der rechtspopulistischen Fidesz ließ die Paramilitärs, die
der rechtsextremen Jobbik nahestehen, gewähren. Diese riegelten die
Romaviertel ab und errichteten Kontrollpunkte entlang der Straßen.
Dass sich die Romakinder wegen der Präsenz grimmiger "Ordnungshüter" nicht
mehr in die Schule wagten, alarmierte weder den Bürgermeister noch das
Bildungsministerium in Budapest. Vielmehr feierte man den Erfolg, dass der
Holzdiebstahl abgenommen habe.
Für das Osterwochenende kündigte die rechtsextreme Gruppe Vederö
("Verteidigungsmacht") ein Trainingslager in Gyöngöyspata an. Im Zuge von
"Selbstverteidigungsübungen" standen auch Schießübungen auf dem Programm.
Das Innenministerium fand keinen Grund, die brisante Veranstaltung zu
verbieten, entsandte aber zusätzliche 400 Polizisten, die für den
ungestörten Ablauf sorgen und Zusammenstöße der Gruppen verhindern sollten.
Denn die Roma hatten mittlerweile eine Selbstverteidigungsgruppe gegründet.
Ihre Mitglieder tragen Warnwesten, aber keine Waffen. Romavertretungen und
einige Medien warnten, dass es angesichts der offensichtlichen Provokation
tatsächlich zu gewalttätigen Zusammenstößen kommen könnte.
## Nicht einmal die gefügigen Medien glaubten den "Erholungsurlaub"
Aber statt das paramilitärische Lager zu verbieten, schickte die Regierung
das Rote Kreuz und ließ Frauen, Kinder und alte Menschen evakuieren. Die
Roma wurden in ein Ferienlager im Budapester Csilleberc und in ein
Kulturzentrum in der ostungarischen Stadt Szolnok gebracht.
Dass diese Massenevakuierung tatsächlich ein Erholungsurlaub sei, wollten
nicht einmal die gefügigen Medien glauben, zumal die Roma aus Protest gegen
die Invasion der Neonazis in ihr Dorf eine Mahnwache gehalten und zu
verstehen gegeben hatten, dass sie den Schlägertypen nicht weichen würden.
Gyöngyöspata erlebte einen Ansturm der Medien. Selbst Innenminister Sandor
Pinter wurde vor Ort vorstellig und verfügte am Karfreitag den Abbruch der
Übung. Einige der Organisatoren wurden festgenommen, die Teilnehmer
angewiesen, den Ort zu räumen. Die "Urlauber" konnten zurückkehren.
Für Janos Farkas, Chef der örtlichen Romaselbstverwaltung, ist die Sache
nicht erledigt: "Wir haben Angst, und die ist begründet", zitiert ihn die
Onlineausgabe des Pester Lloyd. "Seit zwei Monaten ist das hier praktisch
ein Schlachtfeld."
25 Apr 2011
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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