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# taz.de -- Erste Frauensenatorin gestorben: "Dass ich mutig bin, wusste ich"
> Sie war parteilos, lebte offen lesbisch und kämpfte als erste
> Frauensenatorin Berlins für die Gleichberechtigung. Am Samstag ist die
> streitbare Rechtsanwältin Anne Klein gestorben.
Bild: Mutige Feministin: Anne Klein bei einer Sondersitzung des Bundesrats 1990.
Den Frühling wollte Anne Klein noch einmal erleben. Die blühenden Bäume.
Der Geburtstag. Das Meer. Und dann, im Sommer, die Provence. Es war, als
stünde ihr Wille auf der einen Seite des Lebens, der Krebs, der in ihr
wütete, auf der anderen. Eine Zeitlang schien die streitbare Rechtsanwältin
und erste Frauensenatorin Berlins stärker.
Ihren 61. Geburtstag am Meer - sie hat ihn gefeiert. Das Fest Anfang März,
die Musik der Brandung, die raue Luft, die Wärme der Menschen - "es hat mir
Kraft gegeben", mailte sie. Auch den Frühling, die Blumen, das
unaufhaltsame Drängen der Natur: Sie hat es, trotz großer Erschöpfung, noch
voll Freude gespürt. Nicht so die Provence, der Wunsch war zu groß. Am
Ostersamstag ist Anne Klein gestorben.
Sie gehört jener Generation an, die ein Tabu nach dem anderen brechen
musste, um die Bundesrepublik aus ihrer Nachkriegsstarre zu holen. Als die
gebürtige Saarländerin 22-jährig nach Berlin zieht, nimmt die neue
Frauenbewegung dort gerade Kontur an. Dass Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft nahezu ausschließlich von Männern domiert sind, dass
Vergewaltigung und Missbrauch als Kavaliersdelikte gelten, dass die
Gesellschaft auf die Doppelbelastung der Frauen und ungleichen Lohn
ausgerichtet ist, dass alleinerziehende Mütter und lesbische Frauen mit
Stigmata leben - all das sollte angeprangert werden.
Klein kämpft zusammen mit anderen Frauen für Frauenhäuser, gründet eine
feministische Anwaltskanzlei, erarbeitet eine Rohfassung des
Antidiskriminierungsgesetzes und wird 1989 als Parteilose für die Grünen
zur ersten feministischen und offen lesbisch lebenden Senatorin für Jugend,
Frauen und Familie ernannt. Als Senatorin und später auch als Präsidentin
eines Versorgungswerkes der Rechtsanwälte leistet sie Pionierarbeit - auch
gegen Diskreditierungsversuche der Springer-Presse.
Denn Klein hatte vor ihrer Zeit als Senatorin an einem nach dem
Kettenbriefprinzip funktionierenden Pilotenspiel mit Geldeinsatz
teilgenommen und ein paar tausend Mark gewonnen, die sie dem Frauenhaus
spendete. "Zocker-Zora" nannte die Springer-Presse sie. Wer die
Gesellschaft modernisiere, müsse mit Gegenwind rechnen, sagte Klein in
ihrem letzten Gespräch mit der taz vor zwei Monaten, in dem sie über das
Leben spricht, obwohl der Tod schon dazu gehört. "Dass ich mutig bin, das
wusste ich."
25 Apr 2011
## AUTOREN
Waltraud Schwab
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