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# taz.de -- Morddrohungen im Internet: Islamisten verfluchen V-Mann
> Irfan P. war Anführer einer Islamistentruppe, dann spähte er für den
> Verfassungsschutz. Nun wird er in der Dschihadszene als "Verräter"
> beschimpft – und indirekt mit Mord bedroht.
Bild: Werbung für Ussama Bin Laden: Logo der Propagandatruppe GIMF
BERLIN taz | Der junge Mann trägt Adidas-Schuhe, Modell Samba, dazu eine
schwarze Jacke. Um den Kopf hat er ein Palästinensertuch gewickelt, nur
seine Augen sind zu sehen. Er nennt sich "Muhammad Omar" und lässt sich in
der bayerischen Provinz auf einer Parkbank von einem RTL-Reporter
interviewen. Die Deutschen hätten sich mit den USA verbündet und die
Muslime in Afghanistan angegriffen, sagt er in die Kamera. "Deswegen darf
man auch hier die deutschen Soldaten töten."
Das Video stammt vom November 2007. "Muhammad Omar" trat damals im
RTL-Nachtjournal auf als Verantwortlicher der deutschen Sektion der
"Globalen Islamischen Medienfront" (GIMF), einer Online-Propagandatruppe,
die Videos von al-Qaida übers Netz verbreitete.
Mit echtem Namen heißt er Irfan P. – und hat sich nicht nur für den
Dschihad engagiert, sondern irgendwann angefangen, [1][für den
Verfassungsschutz die islamistische Szene auszuspähen].
## Videocollage im Netz – mit Foto vom V-Mann
Irfan P.s Outing als V-Mann hat für große Aufregung gesorgt – auch unter
Islamisten. In deren Foren wird der heute 22-jährige Ex-Anführer der GIMF
nun als "Verräter" beschimpft – indirekt wird ihm mit Mord gedroht. Im Netz
kursiert eine Videocollage, in der auch ein Foto von Irfan P. zu sehen ist.
Er werde nun "von den Muslimen gehasst und von hungrigen Löwen gejagt",
heißt es dort. "Ob er nun getötet wird oder auf eine andere Art und Weise
stirbt, liegt bei Allah", schreibt ein islamistischer Blogger aus
Norddeutschland.
Auf einer anderen dschihadistischen Internetseite heißt es, Irfan P. sei
"ein Abtrünniger, wenn er Muslime verraten haben sollte". Auch das kann als
indirekte Todesdrohung verstanden werden.
In Sicherheitskreisen heißt es, man habe die Drohungen im Netz registriert
und nehme sie ernst. Beim Bundeskriminalamt will man über Schutzmaßnahmen
oder eine denkbare Aufnahme P.s in ein Zeugenschutzprogramm nichts sagen.
## Irfan P.s irre Geschichte
Die Geschichte von Irfan P. könnte nicht irrer sein. Der junge Mann aus
Weiden in der Oberpfalz übernahm nach der Festnahme des bisherigen Chefs
Mohamed M. in Österreich am 12. September 2007 die Rolle des Anführers der
"deutschen Sektion" der GIMF. Dreieinhalb Jahre später stehen sieben junge
Männer und eine Frau, die von so unterschiedlichen Städten wie Bremen,
Düsseldorf oder Sankt Augustin aus Propaganda für al-Qaida betrieben haben
sollen, in München vor Gericht - nicht aber ihr Ex-Anführer Irfan P. aus
der nordbayerischen Provinz.
Der ursprünglich aus Serbien stammende P. hatte von September 2008 an
mehrere Monate in U-Haft gesessen, später stellte die Bundesanwaltschaft
das Verfahren gegen ihn ein, da P. in der Zwischenzeit wegen eines
Überfalls auf einen Handyladen verurteilt worden war und eine weitere
Strafe "nicht beträchtlich ins Gewicht" fiele.
Bei dem Prozess in München sorgte einer der Verteidiger nun gleich am
zweiten Prozesstag für Aufregung: Er outete Irfan P. als V-Mann - und
äußerte den Verdacht, P. habe schon zu seiner Zeit als GIMF-Chef für den
Verfassungsschutz gearbeitet, quasi als "Agent Provocateur".
## Späheinsatz in der Berliner Islamistenszene
Das weisen jedoch sowohl die Bundesanwaltschaft als auch das Bundesamt für
Verfassungsschutz in Köln brüsk zurück. Der Kontakt zwischen Amt und
Islamist sei erst nach dessen Zeit in der Propagandatruppe GIMF zustande
gekommen, irgendwann im Jahr 2009. Demnach wäre Irfan P. ein Seitenwechsler
– aus welchem Grund auch immer.
Mindestens einen Späheinsatz hatte Irfan P. in der islamistischen Szene:
Anfang 2010 wohnte er einen Monat lang bei einem Berliner, [2][dem gerade
wegen mutmaßlicher Terrorunterstützung der Prozess gemacht wird]. In
islamistischen Foren wird Irfan P. jetzt als "Ratte" beschimpft, angebliche
E-Mail-Adressen und Decknamen werden öffentlich gemacht.
An diesem Donnerstag soll der 22-Jährige nun in München vor dem
Oberlandesgericht aussagen – gegen seine früheren Mitstreiter im Kampf
gegen die Ungläubigen.
26 Apr 2011
## LINKS
[1] http://194.29.234.20/1/politik/deutschland/artikel/1/v-mann-spionierte-in-a…
[2] http://194.29.234.20/1/politik/deutschland/artikel/1/v-mann-spionierte-in-a…
## AUTOREN
Wolf Schmidt
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