# taz.de -- Krieg in Libyen: Stämme wenden sich von Gaddafi ab | |
> 61 Stammesvertreter erklären gemeinsam die Abkehr von Gaddafi. Die | |
> Afrikanische Union fordert ein Ende der Angriffe in Libyen, in Italien | |
> wird über den Einsatz gestritten. | |
Bild: Protest gegen Gaddafi in Bengasi. | |
PARIS/TRIPOLIS afp/dpa | Die libyschen Stammesvertreter haben sich von | |
Machthaber Muammar el Gaddafi abgewandt. Die Afrikanische Union fordert ein | |
Ende der Angriffe auf Libyen. In Italien wird über die von Staatschef | |
Berlusconi angekündigten Angriffe debattiert. | |
Anführer oder Repräsentanten von 61 Stämmen sprachen sich in einer am | |
Mittwoch in Paris veröffentlichten Erklärung für ein geeintes, freies und | |
demokratisches Libyen ohne Gaddafi aus. "Das Libyen von morgen, wird, wenn | |
der Diktator weg ist, ein geeintes Libyen sein", heißt es in dem Text, den | |
der französische Schriftsteller Bernard-Henri Lévy veröffentlichte. | |
Lévy versicherte, dass auch der mächtige Warfalla-Stamm und ein Vertreter | |
des Gaddafi-Stammes die Erklärung unterzeichnet hätten. Im Prinzip stünden | |
alle Stämme hinter dem Text. Da es aber innerhalb einiger Clans | |
Streitigkeiten gebe, sei die Unterstützung nicht immer hundertprozentig. | |
Lévy unterstützt die Aufständischen in Libyen. Er organisierte vor sechs | |
Wochen das Treffen zwischen dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy | |
und Vertretern des oppositionellen Nationalrates, bei dem Frankreich den | |
Rat als rechtmäßige Vertretung Libyens anerkannte. | |
## Afrikanische Union fordert Ende der Angriffe | |
Die Afrikanische Union (AU) hat ein Ende der Angriffe auf libysche | |
Regierungsvertreter und die zivile Infrastruktur des Landes gefordert. Alle | |
Beteiligten sollten weitere Militäreinsätze gegen Mitglieder der libyschen | |
Führung und die "sozio-ökonomische Infrastruktur" Libyens unterlassen, | |
forderte der AU-Friedens- und Sicherheitsrat am Mittwoch in einer | |
Erklärung. Diese würden die Lage verschlechtern und einen internationalen | |
Konsens über das weitere Vorgehen in Libyen gefährden. Am Dienstag hatten | |
sich Minister der Mitgliedsstaaten am Sitz der Organisation in der | |
äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba getroffen, um über Libyen und andere | |
Konflikte in Afrika zu beraten. | |
Mit der Erklärung reagiert die AU auf einen NATO-Luftangriff auf das Büro | |
des libyschen Machthabers Muammar el Gaddafi in Tripolis. Das in Gaddafis | |
weitläufiger Residenz von Bab el Asisija gelegene Gebäude wurde bei dem | |
Angriff am Montag vollständig zerstört. Der britische Verteidigungsminister | |
Liam Fox und sein US-Kollege Robert Gates bezeichneten auf einer | |
Pressekonferenz am Dienstag das Büro als "legitimes Ziel". | |
## Minen an Leichen angebracht | |
Die Truppen des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi bereiten sich nach | |
Einschätzung der Rebellen auf eine neue Offensive im Osten vor. Die | |
Internetzeitung "Brnieq" meldete am Mittwoch, in der Ortschaft Al-Brega | |
seien inzwischen 2.000 bis 3.000 Soldaten stationiert worden. Diese hätten | |
Raketen und andere schwere Waffen in Tunneln versteckt, um sie vor | |
möglichen Luftangriffen durch die Nato zu schützen. An der Front, die schon | |
seit Wochen zwischen Al-Brega und Adschdabija liegt, hätten sie Minen an | |
Leichen angebracht. | |
Am Dienstag waren nach Angriffen der Gaddafi-Truppen Hunderte Familien aus | |
der westlichen Region Dschabal Nafusa in Richtung Tunesien geflohen. Libyen | |
bat Russland, die Einberufung einer Sitzung des Weltsicherheitsrates zu den | |
Nato-Angriffen zu beantragen. | |
## CIA sieht Kampf gegen Terror in Gefahr | |
Der frühere Chef des US-Geheimdienstes CIA, Michael Hayden, sieht im Falle | |
eines Sturzes des libyschen Machthabers Muammar el Gaddafi den Kampf gegen | |
den Terrorismus in Gefahr. Gaddafi und sein zurückgetretener Außenminister | |
Mussa Kussa seien "gute Partner" bei der Terrorbekämpfung gewesen, sagte | |
Hayden am Dienstag. Auch Syriens Präsident Baschar el Assad gehe "recht | |
gut" gegen sunnitische Extremisten vor, unterstütze aber radikale Schiiten. | |
Hayden zufolge, der von 2006 bis 2009 an der Spitze der CIA stand, wird die | |
Terrorbekämpfung durch die Ereignisse in Libyen und Syrien "in Zukunft | |
wesentlich schwieriger". | |
## Streit in Italiens Regierungskoalition | |
Die angekündigte Beteiligung italienischer Kampfflugzeuge an Luftangriffen | |
in Libyen hat zu einem heftigen Krach in Silvio Berlusconis | |
Regierungskoalition geführt. Er sei gegen diese Entscheidung des | |
Regierungschefs, "mit der wir eine französische Kolonie geworden sind", | |
schimpfte der Chef der rechten Lega Nord, Umberto Bossi. | |
Wie italienische Medien am Mittwoch berichteten, wirft Bossi dem | |
Koalitionspartner vor, einer Pariser Forderung nachgekommen zu sein. Das | |
italienische Engagement werde schwerste Folgen haben und vor allem neue | |
Flüchtlingsströme nach sich ziehen, bemängelte Bossi. | |
Rom hatte am Montag mitgeteilt, seine Kampfflugzeuge jetzt auch [1][für | |
gezielte Einsätze gegen Militärobjekte in Libyen] freigeben zu wollen, um | |
die Zivilbevölkerung zu schützen. Berlusconi habe das nach einem | |
Telefongespräch mit US-Präsident Barack Obama beschlossen. Rom hatte bisher | |
von Bombardierungen Abstand genommen, aber Militärbasen für Nato-Flüge und | |
Maschinen für Aufklärungseinsätze bereit gestellt. | |
"Internationales Gewicht erwirbt man nicht als ständiger Ja-Sager", | |
kritisierte Bossi den Kurs Berlusconis. Bossi will das umstrittene | |
militärische Engagement auch im Kabinett noch zur Debatte stellen. Die | |
größte Oppositionspartei PD (Demokratische Partei) sieht einen Bruch in der | |
Regierungskoalition und will eine Abstimmung im Parlament über Italiens | |
Außenpolitik. Berlusconi selbst hatte zuvor gesagt, es sei "alles in | |
Ordnung", es gebe keinen Krach mit Bossi. Staatspräsident Giorgio | |
Napolitano stimmte Berlusconis Entscheidung zu, sie sei die natürliche | |
Fortsetzung des eingeschlagenen Weges. | |
27 Apr 2011 | |
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