# taz.de -- Antisemitismus bei Duisburger Linkspartei: "Wahrheit macht frei!" | |
> Auf der Homepage der Duisburger Linken tauchte ein antisemitisches | |
> Pamphlet auf. Wie es dorthin gekommen ist, weiß im Augenblick niemand. | |
Bild: Hat jetzt viel zu erklären und zu dementieren: Wolfgang Zimmermann, Frak… | |
DUISBURG taz | Ein Davidstern verschmilzt mit einem Hakenkreuz. Schon ein | |
erster Blick auf das zweiseitige Flugblatt reicht, um zu wissen, um was es | |
sich handelt: ein antisemitisches Pamphlet. Herunterladbar war es aus dem | |
Internet - von der Homepage der Duisburger Linkspartei. Die steht nun unter | |
heftigem Erklärungszwang. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen des | |
Verdachts der Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen | |
verfassungswidriger Organisationen aufgenommen. | |
Zu finden war das mit dem Slogan "Nie wieder Krieg für Israel" | |
überschriebene Traktat bis Mittwoch über eine untergeordnete Seite des | |
parteinahen Jugendverbands ['solid]. In dem Text wird Israel als | |
"Schurkenstaat", "Kriegstreiber" und "Apartheidsregime, schlimmer als das | |
seinerzeit international boykottierte Südafrika", gegeißelt. | |
Gefordert wird neben dem Boykott Israels unter anderem: "Tretet der | |
moralischen Erpressung durch den sogenannten Holocaust entgegen!" Darauf | |
folgt in Anlehnung an jenen zynischen Satz, der einst an den KZ-Toren | |
prangte, die Parole: "Wahrheit macht frei!". | |
Außerdem wird in dem unappetitlichen Appell noch die "Judenpresse" | |
angeprangert. Diese Bezeichnung für "gewisse Blätter" sei "wohl weniger ein | |
Schimpfwort als vielmehr die zutreffende Umschreibung der einseitig | |
philosemitischen und anbiedernden Berichterstattung über Israel und die | |
Juden". | |
Die Empörung ist groß. "Die Linkspartei ist nicht nur von Linksextremisten, | |
sondern ganz offensichtlich auch von Antisemiten unterwandert", sagte | |
NRW-CDU-Generalsekretär Oliver Wittke. Sie liefere "selbst den besten | |
Beweis, warum die Überwachung dieser Partei durch den Verfassungsschutz | |
nach wie vor dringend geboten ist", sekundierte sein FDP-Pendant Joachim | |
Stamp. Die stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Gisela Piltz sprach von | |
einem "Puzzlestück in einem erschreckenden Gesamtbild". Offensichtlich habe | |
die Linkspartei in Duisburg "ein Antisemitismusproblem". | |
## Parteiübergreifende Empörung | |
Landesinnenminister Ralf Jäger, der auch Vorsitzender der Duisburger SPD | |
ist, forderte "eine lückenlose Aufklärung des gesamten Vorganges". | |
Besonders brisant: Seit März gibt es in der Ruhrgebietsstadt eine Art | |
Kohabitation. Während die CDU mit dem seit der Loveparade-Katastrophe | |
heftig umstrittenen Adolf Sauerland den Oberbürgermeister stellt, wird der | |
Stadtrat von einer rot-rot-grünen Koalition dominiert - der ersten in einer | |
nordrhein-westfälischen Stadt. | |
Die steht jetzt mächtig unter Druck. Entsprechend deutlich forderte Jäger | |
von seinem linken Koalitionspartner "eine ebenso klare und öffentliche | |
Verurteilung bzw. Distanzierung von diesem Flugblatt und dessen | |
Verbreitung". | |
Wie das impressumlose Schriftstück in das Internetangebot der Linkspartei | |
gelangt ist, ist bislang ungeklärt. "Das Dokument ist vor Monaten auf dem | |
Server der Linken Duisburg gelandet und wurde inzwischen gelöscht", | |
erklärte Duisburgs Linkspartei-Sprecherin Ute Abraham. Fest steht derzeit | |
nur, dass der unappetitliche Appell 2006 verfasst wurde. Er stammt wohl | |
ursprünglich von der Homepage von "Radio Islam", wo er auch bis heute | |
abrufbar ist. | |
Hinter "Radio Islam" steht der mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilte | |
Ahmed Rami, ein mit anderen Rechtsextremisten und Islamisten gut vernetzter | |
schwedischer Publizist marokkanischer Herkunft. Zu dessen Internetangebot | |
gehört auch Hitlers "Mein Kampf". | |
Laut Providerangaben wurde der jetzt für Aufregung sorgende | |
Anti-Israel-Aufruf im Januar dieses Jahres auf den Server der Duisburger | |
Linkspartei eingestellt. Dort blieb er bis diese Woche unbemerkt, wie der | |
Kreisverband beteuert. | |
Sie distanziere sich "ausdrücklich von dem fälschlich veröffentlichten | |
Papier", versichert Abraham. "Wir sind gerade dabei, zu überprüfen, wer den | |
Mist verlinkt hat", sagte Ratsfraktionschef Dierkes. Offenkundig sei | |
bislang zu freigiebig mit den Zugangsberechtigungen umgegangen worden, | |
räumte er ein. Das sei jetzt geändert worden. Falls ein Parteimitglied für | |
die Verlinkung die Verantwortung trage, werde man sich von diesem trennen | |
müssen. Die gleiche Konsequenz erwarte er auch für den entsprechenden Fall | |
vom Jugendverband ['solid]. | |
## Nicht der erste Boykott-Aufruf | |
Dierkes sorgte vor zwei Jahren selbst bundesweit für Schlagzeilen, weil er | |
zu einem Boykott israelischer Produkte aufgerufen hatte. "Wer das | |
Existenzrecht Israels in gesicherten und definierten Grenzen verteidigt wie | |
ich, muss auch das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser respektieren", | |
rechtfertigte er sich seinerzeit. | |
Das jetzt aufgetauchte Flugblatt verurteilt Dierkes, der erst am | |
Dienstagabend von einer einwöchigen Israel-Reise zurückgekehrt ist, | |
allerdings nachdrücklich: "Das ist eindeutig ein antisemitisches Machwerk, | |
da gibt es gar nichts zu deuteln." | |
Auch der Landesverband und die Landtagsfraktion der nordrhein-westfälischen | |
Linkspartei reagierten empört. Von "übler Hetze" sprach | |
Landtagsfraktionschef Wolfgang Zimmermann. "Antisemitismus hat keinen Platz | |
in der Linken, das war immer so und wird immer so bleiben", sagte | |
Landessprecherin Katharina Schwabedissen. | |
28 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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