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# taz.de -- "ZDF"-Intendant Markus Schächter: "Nichts flößt mir Furcht ein"
> Das "ZDF" hat den Sprung in die digitale Ära geschafft, zeigt sich der
> 2012 aus dem Amt scheidende Intendant Markus Schächter zufrieden. Er
> sieht seine Bilanz durch den Fall Brender nicht getrübt.
Bild: "Abschied ist ein scharfes Schwert".
Herr Schächter, das ZDF startet in diesem Monat seinen digitalen
Kulturkanal neu, will Popkultur wagen und endlich in der von Ihnen immer
geforderten Programmfamilie durchstarten. Ist es nicht jammerschade, dass
Sie das alles bald nicht mehr miterleben werden?
Ja: Abschied ist ein scharfes Schwert. Aber im Ernst. Es war gerade mein
Ziel, das ZDF aus der babylonischen Gefangenschaft des Einkanalsenders und
von der analogen in die digitale Welt zu führen. Wir sind nun so
positioniert, dass die nächsten Schritte erfolgreich zu machen sind.
Der Chef der sächsischen Staatskanzlei, der CDU-Politiker Johannes
Beermann, nimmt Ihnen den Abschied im nächsten Frühjahr übel: Sie gingen
zum idealen Zeitpunkt, sagt er, und könnten sogar als großer Intendant in
Erinnerung bleiben. Und er könnte Ihnen gar nicht mehr mit seiner
Länder-Arbeitsgruppe Beitragsstabilität zu Leibe rücken, mit der der
unionsregierten Länder mal wieder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in
die Schranken weisen wollen.
Die arme AG Beitragsstabilität! Grundsätzlich gilt: Ansprechpartner der
Medienpolitik ist der Intendant, nicht Markus Schächter. Ich habe aber den
Zeitpunkt der Ankündigung meines Abschieds durchaus so gewählt, dass ich
nun mit einer großen Freiheit die Dinge umsetzen kann, die in meiner
Amtszeit noch anstehen.
Erwarten Sie überhaupt noch neue Scharmützel mit der Politik, Verlegern
oder den Privatsendern?
Wir haben uns den teuren Luxus geleistet, in eine Schlacht aller gegen
jeden um den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu ziehen. Dass uns das
nicht weiterbringt, war schon vorher klar. Jetzt, wo sich die
Pulverdampfschwaden verzogen haben, sehen wir: Wir müssen viel schneller
wieder zusammenkommen – Öffentlich-Rechtliche wie Private und TV-Sender wie
Verleger. Wir haben zu lange die falschen Türen bewacht. Denn was uns
bedroht, hat nichts mit unseren eigenen deutschen Strukturen zu tun,
sondern es wohnt unregulierbar im Internet. Ich habe den Eindruck, wir sind
da zum Glück auf einem guten Weg – in eine ruhigere Gemeinsamkeit.
Medienthemen haben in der Politik aber nicht wirklich Konjunktur. Macht es
das für einen ZDF-Intendanten leichter oder schwieriger?
Es war immer meine Art, zuerst die Gesprächs- und Gefechtssituation zu
explorieren, bevor man an die Öffentlichkeit geht. Das Geschäft ist
schwieriger geworden, weil sich weniger Gesprächspartner bereit finden, die
zunehmend differenzierte Materie auf Lösungswege abzuklopfen. Das heißt
auch für mich, dass ich frühzeitiger als sonst die Öffentlichkeit suchen
muss und mich schon mal dabei ertappe, mit der Faust auf den Tisch zu
schlagen.
Sie haben immer das Prinzip der „gemeinsamen Geschäftsführung“ im Sender
hochgehalten. Hat Ihr Rückzug nicht auch damit zu tun, dass nach dem
Wegbeissen von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender 2009/2010 diese
Gemeinsamkeit mit den Sender-Gremien – vor allem dem von Politikern
besetzten ZDF-Verwaltungsrat - gar nicht mehr machbar war, Sie aber nicht
mit der Faust auf den Tisch schlagen wollten?
Es gab diesen einen Fall. Ansonsten ist meine zehnjährige Arbeit als
Intendant des ZDF – vor allem mit dem Fernsehrat – geprägt von einer sehr
großen Gemeinsamkeit. Und ich schulde beiden Gremien Dank für die
Möglichkeit, das Haus strukturell, personell und programmlich so nach vorne
gebracht zu haben, wie ich es mir vorgestellt habe.
Wegen des „Falls“ Brender urteilt Karlsruhe wohl noch in diesem Jahr, ob
die Gremienaufsicht in beim ZDF verfassungsgemäß ist. Der Intendant wird
dann noch Markus Schächter heißen – ist das für den eher furchteinflößen…
weil alte Konflikte wieder aufbrechen – oder eine angenehme Vorstellung?
Nichts flößt mir irgendeine Art von Furcht ein. Mit dem Fall Brender ist
eine öffentlich sehr breit diskutierte Frage aufgeworfen worden, wozu es
eine Antwort geben muss. Karlsruhe wird jetzt für Klärung und Klarheit
sorgen.
Schwingt da also doch ein wenig Genugtuung mit?
Es geht nicht um Rückspiel. Es geht um den Blick nach vorne: Was konveniert
in Zeiten einer ganz neuen Herausforderung für öffentlich-rechtliches
Fernsehen von der Statur des ZDF, gerade mit Blick auf seine
gesellschaftliche Verantwortung.
Und wie konveniert es sich, dass die Union nun im ZDF-Verwaltungsrat als
Nachfolger für Roland Koch, der ja Wortführer gegen Brender war, wieder
einen CDU-Ministerpräsidenten – nämlich Stanislaw Tillich aus Sachsen –
schickt? Einsicht sieht ja wohl anders aus.
Sie werden in dieser Frage von mir immer nur diese eine Formulierung hören:
Die Ausgestaltung der Kontrolle ist Sache der Kontrollorgane. Ich freue
mich auf Herrn Tillich, den ich als Fernsehrat kennen- und schätzen gelernt
habe.
Man hat allerdings so gar nicht den Eindruck, der politische Hickhack um
die Berichterstattung beim ZDF sei zu Ende: Nachdem Brender weg ist, nimmt
die Union das Magazin „Frontal 21“ aufs Korn und setzt im Fernsehrat eine
formale Kritik durch, der Sie widersprochen haben.
Ich glaube, in politisch zugespitzten Zeiten gibt es immer wieder
Auseinandersetzungen, auch um die publizistischen Zuspitzungen. Wenn es ums
Eingemachte, also die Bewertung der Politik geht, ist das immer schon so
gewesen – und wird sich nie ändern. Ich hatte immer eine konstruktive Form
der kommunikativen Auseinandersetzung mit den Gremien. Jetzt in diesen
Zeiten hat sich das weiterentwickelt.
Wir reden immerhin über die erste und damit einzige derartige direkte
Programmbeschwerde in Ihrer zehnjährigen Amtszeit als Intendant!
Es handelte sich nicht um eine förmliche Programmbeschwerde. Ich habe
früher als Redaktionsleiter des ZDF-Jugendmagazins „direkt“ sogar mal eine
Abmahnung vom Fernsehrat erhalten. Aber in meiner Amtszeit gab es das eher
nicht, darauf bin ich auch ein bisschen stolz.
Wofür wurde denn der stets so korrekte Markus Schächter abgemahnt?
Es ging um ein direkt-Spezial über AIDS, gemacht von Betroffenen – das
wurde damals, 1984, als zu weitgehend empfunden. Und es hat früh bei mir
die Erfahrung geprägt, dass Auseinandersetzungen mit dem Fernsehrat
Nachtschlaf rauben können.
Apropos geraubter Nachtschlaf: Die Suche nach Ihrem Nachfolger verspricht
ganz anders als bei Ihrer ersten Wahl im Jahr 2001 so gar keine Aufregung.
Für mich ist ganz wichtig, dass das Verfahren ein deutlich anderes ist als
das, mit dem ich ins Amt gekommen bin. Das war übrigens eine Triebfeder,
für die Bestimmung des Zeitpunktes meiner Erklärung, keine dritte Amtszeit
anzustreben.
Der Fall Brender hat also rein gar nichts mit Ihrer Entscheidung zu tun?
Das war schon sehr viel früher mein Plan. Bereits nach meiner Wiederwahl
und schon damals abgestimmt mit den Vorsitzenden der Gremien hatte ich die
Absicht, die Ziele, die ich mir gesteckt hatte, in zwei Legislaturperioden
zu erreichen und dann einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger Platz zu
machen.
Herr Schächter, zum Schluss noch zwei Fragen zum aktuellen
Programmgeschehen. Die ARD wird ab September mit Günther Jauch am Sonntag
aufwarten und dann fast jeden Tag einen politischen Talk haben. Gerät das
ZDF mit Maybritt Illner da nicht ins Hintertreffen?
Im Gegenteil. Ich glaube, wir sind sogar besser aufgestellt, weil wir nicht
Gefahr laufen, uns mit einer gleichen Formatierung zu kannibalisieren. Man
kann politische und gesellschaftliche Phänomene doch viel besser in
unterschiedlichen Formaten, mal in einer Gesprächsrunde, aber dann auch
wieder in Dokumentationen und Magazinen erklären. Ich glaube, dass wir hier
flexibler sind als die ARD, wo in Folge einer Personalentscheidung nun an
fast jedem Tag ein Talkformat laufen wird.
Und dann gibt es noch Aufregung um die Champion League, die sich das ZDF ab
2012 für rund 50 Millionen Euro pro Saison gesichert hat.
Das ist die ewige Diskussion um Sportrechte. Die Zuschauer erwarten zurecht
von öffentlich-rechtlichem Fernsehen Spitzensport. Wir suchen die besten
Offerten. Wir hatten schon vor vier Jahren mitgeboten und offenbar weniger
aufgerufen als Sat.1. Heute ist die Champions League ein noch wertvolleres
Produkt mit einem interessanten Preisleistungs-Verhältnis. Das ZDF bietet
den Veranstaltern eine kompetente und hochwertige Gesamtberichterstattung
für ihr Ereignis. Wir setzen neben den Liveübertragungen ganz auf
Hintergrundberichte und Spielanalysen. Es gibt keine Werbung, dafür das
„heute journal“ in der
INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG
2 May 2011
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