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# taz.de -- Tempelkrieg in Thailand und Kambodscha: Die Urangst vor den Nachbarn
> An der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha wird wieder geschossen.
> Dabei geht es um alte Tempel und alte Feindbilder.
Bild: Es wird wieder geschossen an der Grenze von Thailand und Kambodscha.
PHNOM PENH taz | Es wird wieder geschossen an der Grenze zwischen Thailand
und Kambodscha. Im Februar dieses Jahres war es das Gelände um die
Tempelanlage Preah Vihear, um die es Feuergefechte gab. Nun sind es die
beiden im Dschungel liegenden Tempel Ta Moan and Ta Krabey, 150 Kilometer
von Preah Vihear entfernt, um die herum geschossen wird. 17 Menschenleben
hat der am 22. April aufgeflammte Konflikt auf beiden Seite bislang
gekostet. 95 Thais, 50 von ihnen Soldaten, und 18 kambodschanische
Militärangehörige wurden verletzt. Auf der kambodschanischen Seite der
Grenze sind 45.000 Menschen aus ihren Dörfern geflohen.
Bei den Feuergefechten im Februar waren elf Soldaten getötet worden. Preah
Vihear, der Hindutempel aus dem 8. Jahrhundert, wurde von thailändischen
Geschossen beschädigt. Die Thailänder scheinen bei den Angriffen im Februar
international geächteten Clusterbomben verwendet zu haben, die bei der
Explosion in viele kleine Bomben aufplatzen. Nicht detonierte Teile der
Bomben stellen, ähnlich wie Landminen, eine ernste Gefahr für die
Bevölkerung dar.
Thailands Angriffe haben in Kambodscha zu einer seltenen Einheit von
Regierung und Regierungsgegner geführt. Selbst Kritiker von Staatschef Hun
Sen stehen in dieser Sache hinter ihm. In einem Editorial in der Phnom Penh
Post schrieb deren Günder Michael Hayes: "Mich hat noch nie jemand einen
Propagandisten der kambodschanischen Regierung genannt. Aber was den
gegenwärtigen Grenzkonflikt um Wat Preah Vihear betrifft, bin ich genauso
wütend wie jeder Kambodschaner. Und damit stehe ich nicht allein. Seit
dieser Konflikt wieder hochgekocht ist, habe ich nicht einen asiatischen
oder westlichen Diplomaten, keinen ausländischen Entwicklungshelfer und
Geschäftsmann getroffen, der hier anderer Meinung wäre. Sogar ein paar
thailändische Freunde haben betreten zugegeben, dass sie in dieser Sache
auf der Seite der Kambodschaner stehen."
## Frankreichs Karten
Der Konflikt um die Tempel geht zurück in die Kolonialzeit. 1907 einigten
sich die französischen Kolonialherren in Kambodscha mit den thailändischen
Nachbarn auf einen Grenzverlauf, bei dem sich der Preah-Vihear-Tempel in
Thailand befand. Auf der Karte, die die Franzosen erstellten und die von
den Thailändern zunächst anerkannt wurde, befand sich Preah Vihear
plötzlich auf der kambodschanischen Seite. 1962 entschied der
Internationale Gerichtshof in Den Haag, dass der Tempel zu Kambodscha
gehört. 2007 wurde Preah Vihear als kambodschanischer Tempel auf die Liste
des Unesco-Weltkulturerbes gesetzt.
Formell beanspruchen die Thailänder heute auch nicht mehr den Tempel
selbst, sondern ein vier Hektar großes Gelände, das in dem Beschluss des
Internationalen Gerichtshofs nicht erwähnt wird. Die Tempel Ta Moan und Ta
Krabey, um die es jetzt geht, liegen klar auf der kambodschanischen Seite
der Grenze. Weil das thailändische Kultusministerium die Tempel bereits
1935 registriert hat, leiten die Thais daraus einen Besitzanspruch ab.
Was hinter den Angriffen genau steckt, ist schwer abzuschätzen. Einerseits
nützen sie der thailändischen Regierung, weil es ihr Gelegenheit gibt, von
ihren zahlreichen innenpolitischen Problemen abzulenken. Andererseits
spielt die Situation auch der Opposition in die Hände, weil sie jede
Verhandlung, die Premierminister Abhisit mit den Kambodschanern führt, als
Ausverkauf thailändischer Interessen darstellen kann. Offenbar sind es
einige Befehlshaber an der Grenze, die einfach von Zeit zu Zeit ein
bisschen Unfrieden stiften wollen und mal in den Busch ballern. Kambodscha,
ein armes Land mit einer kleinen, schlecht ausgerüsteten Armee, hat bei
diesen Angriffen nichts zu gewinnen.
In Kambodscha rührt der Grenzkonflikt an nationale Urängste.
Jahrhundertelang wurde das kleine Land von seinen mächtigen Nachbarn
Vietnam und Thailand in die Zange genommen und musste sich wiederholt gegen
eine Aufteilung wehren. Es verlor das Mekongdelta an Vietnam, und Teile des
Nordwestens, inklusive der weltberühmten Tempelanlage Angkor Wat, waren um
1900 tatsächlich zeitweilig vom Königreich Siam eingenommen.
## Botschaft angegriffen
Als 2003 eine thailändische Schauspielerin angeblich in einer Talkshow
sagte, dass Angkor Wat eigentlich zu Thailand gehöre, löste das in der
kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh schwere Unruhen aus. Thailändische
Restaurants und Geschäfte wurden gestürmt und geplündert. Die
Thai-Botschaft wurde angegriffen, thailändische Staatsbürger mussten
evakuiert werden. (Die Aussage der Schauspielerin erwies sich später als
Falschmeldung.)
Das Verhältnis zwischen Thailand und Kambodscha ist so gespannt wie einst
das zwischen Deutschland und "Erbfeind" Frankreich. Die Grenzkonflikte
tragen dazu bei, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.
6 May 2011
## AUTOREN
Tilman Baumgärtel
## TAGS
Kambodscha
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