# taz.de -- Revisionsbericht zum KiKa-Skandal: Spannend wie ein Krimi | |
> Es ist der größte Betrug im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Beim KiKa | |
> hat ein spielsüchtiger, leitender Mitarbeiter acht Millionen Euro | |
> abgezweigt. Die taz liegt der Bericht vor. | |
Bild: Putzen für den richtigen Durchblick: Kika-Ikone Bernd, das Brot. | |
BERLIN taz | Am Freitagabend läuft im Kinderkanal (Kika) von ARD und ZDF | |
wieder einmal ein Zeichentrick-Western aus der "WinnToons"-Reihe, bei der | |
zahme Ratten gemeinsam mit Winnetou und Old Shatterhand der Gerechtigkeit | |
zum Sieg verhelfen. In der Episode geht es diesmal um "Die Legende vom | |
Schatz im Silbersee". Der Titel würde auch gut zum Revisionsbericht über | |
die "Veruntreuungen beim ARD/ZDF-Kinderkanal" passen. | |
Der Bericht ist ein erster Schritt zur Aufklärung des größten Betrugsfalls | |
in öffentlich-rechtlichen Rundfunk Deutschlands seit dessen Gründung und | |
wurde von der taz veröffentlicht. Denn einen Schatz – rund 8,2 Millionen | |
Euro – gab es wirklich: Diese Summe soll nach dem derzeitigen Stand der | |
Ermittlungen der ehemalige Herstellungsleiter des Kika, Marco K., über | |
Jahre durch Scheinrechnungen abgezweigt und mit den mit ihm zusammen | |
"arbeitenden" Produktionsfirmen geteilt haben. | |
K., so der Bericht, habe mit dem Geld vor allem seine Spielleidenschaft | |
finanziert. Er war stadtbekannter Stammgast im Erfurter Casino, wo er laut | |
im Bericht zitierten Casino-Mitarbeitern pro Woche schon mal 20.000 Euro | |
verspielte. | |
Am 2. Mai hatte die Staatsanwaltschaft Erfurt den ehemaligen | |
Herstellungsleiter angeklagt. Die Ermittler werfen ihm Bestechlichkeit und | |
Untreue in 48 besonders schweren Fällen vor. Außerdem wurde die Anklage | |
erweitert: Wegen weiterer Verdachtsfälle über 200.000 Euro Schmiergeld und | |
Sachleistungen wie Flüge wurde ein weiterer Haftbefehl gegen K. erlassen, | |
der Anfang Dezember 2010 am Arbeitsplatz beim Erfurter Sender verhaftet | |
wurde. | |
Der Revisionsbericht räumt vor allem mit der Legende auf, K. sei ein | |
bedauerlicher Einzelfall nach dem Motto "gegen geballte kriminelle Energie | |
ist kein Kraut gewachsen". | |
Auch die Staatsanwalt Erfurt spricht ganz offen von einem "Kika-Komplex", | |
in dessen Zusammenhang im April nochmals umfängliche Razzien in Berlin, | |
Thüringen und Baden-Württemberg stattfanden. Die Ermittlungen richten sich | |
laut Staatsanwaltschaft Erfurt derzeit gegen insgesamt 11 Personen, 6 | |
Geschäftsführer verschiedener Firmen und 5 Personen aus dem Bereich des | |
Kika: "Die Auswertung der sichergestellten Unterlagen in den hier noch | |
anhängigen Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen", so die | |
Staatsanwaltschaft. | |
## Gezielte Hinweise nicht ernst genommen | |
Klar ist aber schon jetzt, dass beim für die Aufsicht über den Kika | |
zuständigen MDR fast alle Kontrollmechanismen versagt haben. "Eine | |
wesentliche Ursache dafür, dass die betrügerischen Handlungen mit den | |
erheblichen Schäden gelingen konnten und über die Jahre unentdeckt blieben, | |
war ein Kontrollumfeld in Kika und MDR, das die Schwachstellen im lnternen | |
Kontrollsystem hat entstehen lassen und in dem es an Bewusstsein für die | |
Risiken aus möglichen wirtschaftskriminellen Handlungen gemangelt hat", | |
bilanziert die Revision nach mehrmonatiger Arbeit: "Dies äußerte sich | |
insbesondere darin, dass selbst gezielte Hinweise aus Revisionsprüfungen | |
auf die relevanten Schwachstellen nicht ernst genommen und auch sonstige | |
Signale bzw. Verdachtsmomente ausgeblendet wurden." | |
Wegen der Vorgänge beim Kika hat bislang allerdings nur der | |
Verwaltungsdirektor des MDR seinen Hut genommen, aber ausdrücklich erklärt, | |
dass dies kein "Schuldeingeständnis" sei. Mehrere andere Mitarbeiter, wie | |
der heutige Kika-Programmgeschäftsführer Steffen Kottkamp, wurden | |
arbeitsrechtlich er- bzw. abgemahnt. | |
Als "maßgebliche Triebfeder" für die wirtschaftskriminellen Handlungen des | |
Herstellungsleiters sieht der Bericht zwar auch dessen "Spielleidenschaft", | |
der neben Erfurt auch "häufiger Gast in den Casinos von Berlin, Potsdam und | |
Leipzig" gewesen sei. Davon habe die Kika-Chefetage – zu der Marco K. als | |
Nummer 2 gehörte – aber laut Bericht wissen müssen: "Auf Grundlage der | |
geführten Gespräche ist davon auszugehen, dass die Kenntnis über die | |
Spielleidenschaft des Herstellungsleiters in der Amtszeit des | |
Geschäftsführers [Frank, die Red.] Beckmann bis in die Leitungsebene des | |
Kika gelangt war. Auch wenn die Problematik möglicherweise nicht in ihrer | |
ganzen Tragweite überschaut wurde, hätte Veranlassung bestanden, den | |
fundierten Gerüchten nachzugehen und sie zur Schadensvermeidung für den | |
Kika aufzuklären. Das gilt insbesondere auch für den Leiter der | |
Programmplanung, dessen lnformationsstand bereits konkret war." | |
Beckmann, der den Kika von 2002 bis 2008 führte und heute Programmdirektor | |
Fernsehen beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) ist, hatte gegenüber dem | |
NDR-Medienmagazin Zapp erklärt, ihn hätten keine Hinweise erreicht, „die | |
den Vorwurf einer Spielsucht gegenüber dem Herstellungsleiter | |
gerechtfertigt hätten“. | |
Der Bericht erlaubt einen minutiösen Einblick in die Kontrollproblematik | |
beim Kinderkanal, aber auch beim MDR und enthält Lehren für den gesamten | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Daher gehört er an die Öffentlichkeit. Um | |
die rechtliche Seite kümmern sich nun die Gerichte. | |
6 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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