# taz.de -- Bremer Bürgerschaftswahlkampf: Ampeln bleiben auf Rot-Grün | |
> In zwei Wochen wählt Bremen einen neuen Landtag. Spannend ist nur, ob die | |
> rot-grüne Koalition eine Zwei-Drittel-Mehrheit erobert. Dass die Grünen | |
> die Mitte gewonnen haben, steht schon vorher fest. | |
Bild: Bremer Stadtmusikanten: Im Wahlkampf gibt es für sie nichts Spannendes z… | |
BREMEN taz | Wahlkampf in Bremen? Mal nicht so hemmungslos dramatisieren. | |
Am 22. Mai wird im kleinsten Bundesland gewählt, so viel ist richtig. Es | |
treten 369 KandidatInnen zwischen 19 und 84 Jahren auf 18 unterschiedliche | |
Listen an. | |
Von denen tauchen zwei nur auf dem Stimmzettel für Bremerhaven, drei nur | |
auf dem Bremens auf. Aber Kampf? Beobachten lässt sich allenfalls eine | |
Auseinandersetzung. Nur: über was? | |
Themen sind Mangelware in dieser Bremer Vorwahlsaison. Das liegt auch am | |
Pazifizierungsgeschick der rot-grünen Koalition: In der stets hitzig und | |
breit und ideologisch ausgetragenen Bildungsfrage hat man sich auf einen | |
Kompromiss mit der CDU eingelassen. | |
Es gibt weiterhin Gymnasien mit acht, und es gibt Ober- und Gesamtschulen | |
mit neun Jahren bis zum Abi. Dass damit das Ziel des längeren gemeinsamen | |
Lernens nicht ganz verwirklicht wird, hat niemanden empört: Hauptsache, | |
Ruhe ist. | |
Lähmendster Faktor allerdings ist die Haushaltsnotlage: Ohne Geld gibts | |
keinen Streit, weils nichts zu verteilen gibt. Auf ein Viertel Promill des | |
Landeshaushalts lässt sich derzeit der Handlungsspielraum des Parlaments | |
beziffern. | |
In der Bürgerschaft herrscht dabei weitestgehend Einigkeit über den Ausweg | |
aus der Misere. Nur Die Linke hält die Schuldenbremse für verfehlt. Sie | |
lehnt daher den Sparkurs ab: Das Land sei bereits jetzt "bis auf die | |
Knochen" abgezehrt, heißts im Wahlprogramm. | |
Die im Grundgesetz zugesicherten 300 Millionen Euro Konsolidierungshilfe | |
bekommt Bremen allerdings nur, wenn das Land den Abstand zwischen Ausgaben | |
und Einnahmen in zehn gleichen Schritten bis 2020 auf Null herunterfährt. | |
Die aktuelle Neuverschuldung beträgt 1,2 Milliarden. Ein Zehntel davon sind | |
120 Millionen: Die müssen also Jahr für Jahr aus dem Haushalt geschnitten | |
werden, der zurzeit noch ein Volumen von vier Milliarden hat. Das ist | |
happig. Die Linke warnt deshalb vorm Sozialkollaps. | |
Dagegen verspricht Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne), "unblutig" und | |
Senatspräsident Jens Böhrnsen (SPD) sogar so zu sparen, "dass es der Bürger | |
nicht merkt", selbst wenn 950 Stellen im öffentlichen Dienst dabei | |
wegfallen sollen. | |
Union und FDP, auf die Schuldenbremse abonniert, können in dieser Kernfrage | |
allenfalls versuchen, die Regierungskoalition zu überbieten: Sie werben mit | |
der Forderung nach "brutalstmöglichem Sparen" - O-Ton CDU-Chef Thomas | |
Röwekamp -, nach schärferen Einschnitten und Vermögensveräußerungen für | |
sich. Das macht sie kaum attraktiv. Zum Anderen entwerfen sie ein Bild von | |
Rot-Grün als einer "Ausgabenkoalition". | |
Dazu dienen Mantras, die kleinteilige Konflikte auf Dauer stellen. So | |
stören sich FDP und CDU seit Januar gewaltig an einer neuen Ampelanlage auf | |
einem Autobahnzubringer. Über den führten zuvor bereits Fußgängerbrücken, | |
das ist wahr, bloß waren die recht steil, für Gehbehinderte kaum, für | |
Rollstuhlfahrer ohne Schiebe-Zivi gar nicht passierbar, weshalb der | |
Stadtteilbeirat von Schwachhausen ja auch die Ampeln wollte, mehrheitlich. | |
Die Installationskosten von 500.000 Euro rechnen Schwarz und Gelb ihrem | |
Erzfeind, dem grünen Verkehrs-, Bau- und Umweltsenator Reinhard Loske, | |
seither wieder und wieder vor, der durch derartige Maßnahmen, die | |
Umweltzone, kurz durch sein klimapolitisches Profil den Wirtschaftsstandort | |
gefährde. Im CDU-Wahlprogramm steht sogar, dass sie abgeschaltet würden, | |
die Ampeln, falls man an die Regierung - käme. | |
Jawoll, käme. Kommt wäre zwar grammatikalisch richtig, aber sachlich | |
falsch: Die Union glaubt natürlich selbst nicht daran, dass ihre | |
Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann Bürgermeisterin werden könnte. Noch im | |
Februar wussten nur gut 40 Prozent der BremerInnen etwas mit ihrem Namen | |
anzufangen. | |
Damals hätten rund 26 Prozent CDU gewählt. Intensiv hat sie seither, zumal | |
im Verborgenen, daran gearbeitet, bekannter zu werden. Jetzt hält die Union | |
in den Umfragen strikt auf die 20-Prozent-Marke zu. Die SPD würde ihr | |
Ergebnis von 2007 wiederholen. Und die Grünen gewinnen im gleichen Maße, | |
wie die CDU verliert: Mit 24 Prozent sieht Emnid sie bereits als zweite | |
Kraft im Land. | |
Klar wäre das auch in Bremen ein Rekord. Aber kein Zufall. Denn mit der | |
Grünen-Liste ist, trotz mäßiger Mitgliedszahlen, ein guter | |
Bevölkerungsquerschnitt gelungen: Frauen, Männer, da ist sie quotiert, | |
MigrantInnen, das ist fast selbstverständlich. | |
Überraschender vielleicht, dass die Grünen wohl die jüngste Abgeordnete und | |
den Alterspräsidenten der nächsten Bürgerschaft stellen, dass für sie auch | |
Handwerker und Weinhändler, und nicht bloß AkademikerInnen antreten. | |
Und mit Vize-Fraktions-Chef Björn Fecker hat man einen veritablen | |
Fußballverbandspräsidenten in den eigenen Reihen. Dass er eher zum linken | |
Parteiflügel zählt, ändert nichts am Befund: In Bremen ist die Mitte längst | |
schon grün, nicht nur der gleichnamige Stadtteil, wo sie um die 50 Prozent | |
einfahren. Und rot-grün ist dort die Große Koalition der Zukunft. | |
Bei der Wahl spannend sind also eher sekundäre Fragen: Etwa ob die | |
Koalition eine Zwei-Drittel-Mehrheit erobert, wie die Wahlbeteiligung | |
ausfällt, ob sich die Senkung des Mindestalters auf 16 Jahre da auswirkt. | |
Und: Ob die FDP wirklich so weit unter fünf Prozent bleibt, wie sies | |
verdient. Also nicht nur inhaltlich, sondern von ihrer Performance der | |
vergangenen vier Jahre her beurteilt. | |
Denn die war vom ersten Sitzungstag an geprägt durch Personalquerelen - | |
also genau genommen durch den Streit um den einzigen dotierten Posten, auf | |
den die Liberalen Zugriff hatten, nämlich den des Fraktionsvorsitzenden. | |
Damit war dann im Dezember Schluss: Ein Abgeordneter trat aus, blieb aber | |
im Parlament - und die FDP verlor den lukrativen Fraktions-Status | |
einschließlich des Vorsitzenden-Bonus. | |
Dafür ist die CDU natürlich zu groß. Doch auch in der ist erst Ende | |
Dezember eine Art bewaffneter Friede eingekehrt: Die Listenaufstellung war | |
begleitet von mehreren Austritten und Schiedsverfahren. | |
Man sei im Begriff, "die Partei umzubauen", hieß es, sich "neu | |
aufzustellen", das von Beustsche-Schlagwort von der modernen | |
Großstadtpartei wurde bemüht - während gerade doch die schwarz-grüne | |
Koalition in Hamburg in die Brüche ging. Ein unglücklicher Zeitpunkt. | |
Und weil einige bei dieser inneren Reform auf die hinteren Plätze | |
aussortierten Alt-Abgeordnete gute Chancen haben, über die Personenstimmen | |
erneut in die Bürgerschaft einzuziehen, wird auch die künftige Fraktion mit | |
diesen Kränkungen und Streitigkeiten umzugehen haben. | |
Gleich zwei ad hoc-Bündnisse und die bereits im Landtag vertretenen | |
rechtspopulistischen Bürger in Wut machen sich Hoffnung auf Stimmen der | |
nachhaltiger Verstimmten. Und die Hürde ist, gerade bei der traditionell | |
schwachen Bremer Wahlbeteiligung nicht allzu hoch: Für ein Landtagsmandat | |
reichts, fünf Prozent in der 113.000 Einwohner-Stadt Bremerhaven zu | |
erreichen. Den Wutbürgern gelang das 2007 aus dem Stand, und gleich dreimal | |
in Folge der DVU. | |
6 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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