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# taz.de -- SA-Gefängnis: Folter und Mord in Tempelhof
> 2.000 Gegner des Naziregimes wurden 1933 im SA-Gefängnis in Tempelhof
> gefoltert, rund 40 von ihnen starben. Jetzt ist das Verließ für die
> Öffentlichkeit zugänglich.
Bild: Größtenteils im ursprünglichen Zustand erhalten: die Folterkeller in d…
Es ist kalt und riecht muffig, durch die kleinen mit Eisenstäben versehenen
Fensterscheiben dringt nur spärlich Licht in den Kellerraum Nummer elf.
1933 wurden in den Räumen dieses kahlen und feuchten Verließes Gegner des
Naziregimes gefoltert und ermordet. Heute sind Hakenkreuze und andere
Kritzeleien an den Wänden sichtbar, eine Reihe alter Waschbecken sowie eine
große Heizungsanlage sind erhalten geblieben.
Die Sturmabteilung (SA) hatte das Gefängnis auf einem Kasernengelände an
der General-Pape-Straße in Tempelhof eingerichtet. Der Förderverein
Gedenkstätte Papestraße hat die zwölf Kellerräume nun für die
Öffentlichkeit zugänglich gemacht und will dort eine Ausstellung
einrichten. Schautafeln sollen über die Gefangenenschicksale informieren.
Die ersten Häftlinge wurden im März 1933 in das Gefängnis gebracht - kurz
nach der Machtergreifung Hitlers. "Bis zum Dezember 1933 waren es
mindestens 2.000 Menschen", sagt der Historiker Matthias Heisig,
Vorsitzender des Fördervereins. Danach zog die Feldpolizei, eine
Eliteeinheit der SA, mit den Gefangenen in die Nähe des Alexanderplatzes
um.
Die Häftlinge kamen aus dem linken Spektrum, unter ihnen waren
Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschafter, auch jüdische Rechtsanwälte
und Ärzte. Sie alle galten als politische Gefangene, die SA-Truppen hatten
über sie freie Verfügungsgewalt. Etwa 40 Häftlinge überlebten die Torturen
in Tempelhof nicht, schätzt Heisig. "Es gibt kein anderes Gefängnis auf
deutschem Boden, wo zu dieser Zeit so viele Menschen ermordet wurden", sagt
der Historiker.
Einer der Überlebenden ist Paul Tollmann, der gelernte Maurer ist heute 96
Jahre alt. Bereits als Jugendlicher war er, geprägt durch seinen
kommunistischen Vater, politisch aktiv. Nach NSDAP-Kundgebungen spionierte
er Heimwege der Gegner aus, die später von anderen Kommunisten verprügelt
wurden.
Gut kann er sich an den Apriltag 1933 erinnern, an dem SA-Einheiten die
Wohnung seiner Familie in Friedenau durchsuchten: "Es waren fünf Männer in
zivil. Sie nahmen alles auseinander", sagt Tollmann. Auf dem Dachboden
wurden sie schließlich fündig: Die SA-Männer entdeckten eine Kiste, die
antifaschistisches Material enthielt, darunter Flugblätter und gefälschte
NSDAP-Orden
Tollmann, zu dem Zeitpunkt 17 Jahre alt, wurde zunächst im NSDAP-Gebäude in
der Albertstraße in Schöneberg verhört. "Nach zwei Tagen kam ich in das
Gefängnis Papestraße", sagt er. Zusammen mit anderen Häftlingen trieben ihn
die SA-Leute von einem Lastwagen mehrere Stufen hinunter in ein etwa 30
Quadratmeter großes Kellerverließ. "In der Zelle befanden sich ungefähr 30
Personen", erinnert sich Tollmann. Betten oder Decken gab es nicht, die
Häftlinge saßen und lagen auf Stroh. Als Toilette standen einige Kübel in
den Zellen. Den Gefangenen war jegliches Sprechen miteinander untersagt.
"Ein SA-Wachmann stand in der Zelle und einer vor der Tür", erzählt der
96-Jährige.
Fünf Tage wurde er hier festgehalten. Ob er in dieser Zeit etwas zu Essen
bekam, daran erinnert sich Tollmann nicht mehr. Wohl aber, dass er die
meiste Zeit geweint hat - aus eigenem Schmerz und dem Leid, das er mit
ansehen musste. Zwei jüdische Mithäftlinge hat er "vor meinen Augen
verrecken sehen". Sie wurden bei jedem Verhör blutig geschlagen.
"Irgendwann lagen sie leblos da. Häftlinge mussten ihre Körper
hinaustragen." Tollmann erging es dagegen vergleichsweise gut. "Ich wurde
zwar auch mit Gummiknüppeln geschlagen, aber nicht so übel zugerichtet wie
die anderen."
Dass er heute noch am Leben ist verdankt Tollmann ausgerechnet zwei
SA-Männern. "Die Häftlinge der Zelle sollten abtransportiert werden,
vielleicht in ein KZ", sagt er. Während die anderen Gefangenen in einen
Lastwagen einsteigen mussten, drängten ihn die Aufseher in das aufgehäufte
Stroh. "Als der Keller leer war, sagten sie zu mir: Hau ab, geh nach
Hause." Tollmann vermutet sein schmächtiges Äußeres als Grund dafür, dass
er verschont blieb: "Ich war erst 17 Jahre alt, nur 1,60 Meter groß und sah
nicht nach jemandem aus, der aktiv Widerstand gegen das Naziregime
leistet."
Offiziell wurde die Existenz des Gefängnisses in der General-Pape-Straße
geheim gehalten. Historiker Heisig hält es aber für unwahrscheinlich, dass
die Anwohner nichts mitbekamen, da täglich Lastwagen mit Häftlingen
anrollten. Einige Nachbarn sollen zudem nachts nicht mehr haben schlafen
können, sagt Heisig. Sie hätten wohl Schreie gehört. Anwohner, die sich
beschwerten, wurden ebenfalls inhaftiert.
Nach dem Krieg gerieten die Folterkeller in Vergessenheit. Ehemalige
Häftlinge konnten ihn nicht wiederfinden - zu ähnlich sehen sich die
Kasernengebäude auf dem Areal. So suchten Anwohner und Historiker, bis sie
1988 schließlich fündig wurden. Der Förderverein Gedenkstätte Papestraße
plant, bis 2013 eine Ausstellung in dem Gefängnis einzurichten, das unter
der Trägerschaft des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg stehen soll. Für die
Finanzierung hofft Heisig auf EU-Fördermittel. Bis dahin sind die
Kellerräume jeden Mittwoch und Sonntag kostenlos zwischen 14 und 18 Uhr
zugänglich. Zudem bietet Heisig Führungen an.
[1][www.gedenkstaette-papestrasse.de]
9 May 2011
## LINKS
[1] http://www.gedenkstaette-papestrasse.de
## AUTOREN
Manuel Opitz
## TAGS
Schwerpunkt Nationalsozialismus
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