# taz.de -- Debatte Neues Unterhaltsrecht: Frauen, geht arbeiten! | |
> Geschiedene Mütter müssen grundsätzlich erwerbstätig sein. Skandalös? | |
> Nein, richtig – denn die neue Regelung macht Frauen unabhängiger von Mann | |
> und Staat. | |
Bild: Das neue Unterhaltsrecht gilt seit 2008 und will Frauen motivieren, schne… | |
Vor drei Jahren wurde das Unterhaltsrecht reformiert. Seit 2008 gilt nun: | |
Nach einer Scheidung müssen Exeheleute wieder weitgehend für sich selbst | |
sorgen. Konkret heißt das: Männer – denn in der Regel sind es eben nach wie | |
vor Männer, die den Familienunterhalt verdienen, wenn Frauen wegen der | |
Kinder beruflich zurückstecken – müssen ihren Exfrauen nicht mehr in jedem | |
Fall nachehelichen Unterhalt zahlen. | |
Frauen haben jetzt eine "Erwerbsobliegenheit", selbst dann, wenn sie kleine | |
Kinder haben. Gerade erst hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in | |
einem Urteil klargemacht, dass Mütter grundsätzlich arbeiten müssen und | |
nicht auf den Unterhalt des Exmanns hoffen können, wenn das jüngste Kind | |
drei Jahre alt geworden ist und in einer Kita oder später als Schulkind in | |
einem Hort betreut werden kann. Die Richter sagten klipp und klar: Ein | |
Vollzeitjob ist geschiedenen Müttern zuzumuten, wenn es entsprechende | |
Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt. | |
## Männer ohne Verantwortung? | |
Ist das Urteil frauen- und mütterfeindlich? Entlässt es Männer aus ihrer | |
Verantwortung, die sie mit dem Trauschein doch eingegangen sind? Verrohen | |
Kinder in der Kita und im Hort? | |
Nein. Das jetzige Unterhaltsrecht spiegelt die grundsätzlich begrüßenswerte | |
gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen 20 Jahre wider. Und es | |
wird dem Wunsch und dem Handeln vieler Frauen nach Unabhängigkeit von Mann | |
und Staat gerecht. | |
Jede dritte Ehe wird heute geschieden, Ehen halten ohnehin nicht mehr so | |
lange wie früher, und es sind vor allem Frauen, die die Scheidungen | |
einreichen. Frauen sind heute besser ausgebildet als früher und häufig | |
berufstätig, auch wenn sie Mütter sind. Sie sind aufgeklärter, und sie | |
wollen ihre eigenen Entscheidungen treffen. Sie wollen trotz fester | |
Beziehung frei sein. | |
Das alte Unterhaltsrecht von 1977, das Frauen nach einer Scheidung rundum | |
absicherte, weil der Exmann in jedem Fall zahlen musste, war in der | |
Vergangenheit der Bundesrepublik durchaus auf der Höhe der Zeit. Es sorgte | |
dafür, dass Frauen, die viele Jahre ihres Lebens ausschließlich der Familie | |
widmeten, nach einer Scheidung nicht ins soziale Aus gerieten. | |
In der DDR gab es eine solche Regelung übrigens nicht, weil Frauen dort | |
selbstverständlich gearbeitet haben, unabhängig davon, ob sie verheiratet | |
oder geschieden waren oder ob sie Kinder hatten. Trotzdem: Das alte Gesetz | |
machte Frauen abhängig, von ihren Männern, und wenn der nicht zahlen | |
konnte, vom Staat. Und es entmündigte Frauen, denn sie wurden bewusst vom | |
Arbeitsmarkt ferngehalten. Benachteiligt wurden aber auch Männer. Nur | |
Gutverdiener konnten es sich leisten, nach einer Scheidung eine neue | |
Familie zu gründen. | |
## Recht muss Praxis werden | |
Das alles ist seit 2008 anders. Doch das neue Recht muss aber erst noch | |
gängige Praxis werden. Dass noch immer so manche Frau nach einer Scheidung | |
davon ausgeht, dass ihr Exmann für sie sorgt, zeigen allein die zahlreichen | |
Prozesse um nachehelichen Unterhalt und die Frage, unter welchen Umständen | |
Frauen eine Erwerbsarbeit zuzumuten ist. | |
Auch die Angst so mancher Frau, ihr Kind würde in einer Kita | |
vernachlässigt, ist unberechtigt. Studien und die Erfahrungen | |
hunderttausender Eltern bestätigen, dass Kinder am besten dort sozial | |
gefördert werden, wo sie auf Gleichaltrige und auf fähige ErzieherInnen | |
treffen. Vor allem junge Frauen, die zudem nicht lange verheiratet waren, | |
sollten sich von dem Irrglauben verabschieden, dass ein Trauschein | |
automatisch ein materiell gesichertes Leben bedeutet. Die beste soziale | |
Absicherung sind noch immer eine solide Ausbildung und Erwerbsarbeit – und | |
um beides lohnt es sich, zu kämpfen. | |
Aber genau an dieser Stelle wird es kompliziert, politisch. Denn so | |
konsequent, wie der Gesetzgeber das Unterhaltsrecht modernisiert hat, so | |
stur beharrt er auf dem altertümlichen Ehegattensplitting. Dieses | |
Steuermodell fördert finanziell vor allem die sogenannte Einverdienerehe: | |
Einer geht arbeiten, in der Regel ist das der Mann, und die Frau bleibt zu | |
Hause. Und das unabhängig davon, ob das Paar Kinder hat oder nicht. Warum | |
wird das Ehegattensplitting nicht endlich zugunsten der | |
Individualbesteuerung abgeschafft oder wenigstens umgewandelt in eine | |
ehrliche Familienförderung? So wie das in den meisten EU-Ländern der Fall | |
ist. | |
## Minijobs machen abhängig | |
Wer will, dass geschiedene Mütter arbeiten, muss zudem dafür sorgen, dass | |
es genügend Kita- und Hortplätze gibt. Aber daran mangelt es bekanntermaßen | |
in weiten Teilen Deutschland. Auch bis 2013, wenn unter Dreijährige einen | |
gesetzlich garantierten Kitaplatz bekommen sollen, wird sich das vermutlich | |
nicht groß geändert haben. Bislang fehlen noch immer 400.000 Plätze. Mehr | |
noch mangelt es an der Bereitschaft vieler Unternehmen, Arbeitszeitmodelle | |
zuzulassen, die dem Alltag von Familien und dem Alleinerziehender gerecht | |
werden. Dem "Familienmonitor 2010" zufolge wünschen sich die meisten | |
berufstätigen Eltern, 30 bis 35 Stunden in der Woche arbeiten zu gehen. | |
Jetzt sieht es in der Regel anders aus: Mütter in Teilzeit mit | |
durchschnittlich 20 Stunden, Väter meist Vollzeit mit reichlich | |
Überstunden. Doch es muss auch für Führungskräfte möglich sein, Teilzeit zu | |
arbeiten. | |
Darüber hinaus sind zwei Drittel der 7,3 Millionen Minijobber Frauen. Aber | |
die 400 Euro, die Frauen mit diesen unsicheren, unattraktiven Stellen | |
verdienen, sind für sie bares Geld. Die müssen sie nämlich nicht | |
versteuern. Allein aus diesem Grund sind nicht wenige verheiratete Mütter | |
Minijobberinnen. Arbeiten sie regulär Teilzeit und verdienen dadurch mehr | |
als 400 Euro, bleibt von ihrem Einkommen aufgrund der herkömmlichen Wahl | |
der Steuerklassen nichts oder fast nichts mehr übrig. Das macht Frauen | |
erneut abhängig und unmündig. | |
Ach ja: In ein paar Jahren wird es sicher auch Männer geben, die sich bei | |
ihren Exfrauen Unterhalt einklagen: Nämlich dann, wenn die Frau den großen | |
Karriereweg einschlagen konnte, und der Mann die verantwortungsvolle und | |
erfüllende Aufgabe der Kindererziehung zu einem Großteil übernommen hat. | |
16 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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