| # taz.de -- BREMEN-WAHL: "Transparenz ist mein Markenzeichen" | |
| > Bremens Finanzsenatorin und Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert | |
| > über Griechenland, Altschulden und die Vorzüge einer Koalition, die sich | |
| > pubertäre Spielchen oder Renommier-Projekte spart. | |
| Bild: Karoline Linnert will nicht ausschließen, dass die Grünen in Bremen der… | |
| taz: Frau Linnert, sind die Grünen am Wahltag schon zu satt? | |
| Karoline Linnert: Wer wird denn von Verheißungen satt? Die 24 Prozent, das | |
| ist doch nur ein Umfrage-Ergebnis! | |
| Na, der Atomausstieg läuft, die Partei hat einen Ministerpräsidenten… | |
| Aber es gibt noch 15 andere! | |
| Wie? Bremen goes Baden-Württemberg?! | |
| Nein, das zeichnet sich nicht ab. Aber man kann nicht ausschließen, dass | |
| die Grünen hier eines Tages stärkste Kraft werden. Wir stecken doch nicht | |
| absichtlich zurück! Ich denke nur, es ist besser, organisch zu wachsen, | |
| statt zu explodieren… | |
| … so wie mit dem erwarteten Sprung von 16 auf 24 Prozent? | |
| Nein. In so einer Größenordnung schaffen wir das. Das beruht auf einem | |
| soliden Fundament. | |
| Der Hauptpunkt, Atomausstieg, verschwindet aber. | |
| Die Bremer Grünen waren nie eine Ein-Thema-Partei. Wir machen seit jeher | |
| ein Politikangebot für die gesamte Gesellschaft, nämlich den Ansatz der | |
| Nachhaltigkeit auf alle ihre Bereiche zu übertragen. Ich glaube aber auch | |
| nicht, dass wir beim Atom-Thema arbeitslos werden. | |
| Stimmt. Es gibt ja noch Atomtransporte über Bremer Häfen. | |
| Da sind wir dran. Es wird geprüft, ob wir bei der bestehenden Rechtslage | |
| die Hafenordnung so ändern können, dass sie Atomtransporte ausschließt. Das | |
| ist aber knifflig. | |
| Wieso? In Emden und Lübeck ging das ganz flott! | |
| Die hatten nie einen Charakter als Universalhafen. Und: Unsere | |
| Hafenumschlagsunternehmen haben oft langfristige Verträge. Also stellt sich | |
| die Frage: Was bedeutet das auf Schadenersatzebene? Und: Können wir die | |
| anweisen, Dinge zu tun, die ihre Geschäfte durchkreuzen? Wenn wir einen | |
| Spielraum sehen, machen wir das.Wir wollen keine Atomtransporte. Wir wollen | |
| das so regeln, dass es auch klappt. | |
| Selbst dabei bliebs im Senat ruhig, Rot-Grün hat skandalfrei gearbeitet… | |
| Das machen wir nur, um die Journalisten zu ärgern. | |
| Klar doch. Aber wie? | |
| Das war beiden Seiten wichtig: Die Mitglieder der großen Koalition hatten | |
| zuletzt ihre ganze Kraft darauf verschwendet, sich gegenseitig zu | |
| piesacken. Ich finde so etwas sonderbar: Wir kriegen doch unsere Macht auf | |
| Zeit, damit wir für Bremen arbeiten, und nicht, um pubertäre Spielchen zu | |
| spielen. | |
| Unterschiede wahren ist auch wichtig: Die CDU-Spitzenkandidatin hat Sie bei | |
| Radio Bremen eine "sozialdemokratische Finanzsenatorin" genannt… | |
| Und woran sieht man, dass ich angeblich sozialdemokratisch bin? | |
| Gegenfrage: Worin zeigt sich das Grüne Ihrer Finanzpolitik? | |
| Wir sind dem Nachhaltigkeitsgrundsatz verpflichtet. Das sieht man in allen | |
| Bereichen. | |
| Aha. Und wo genau? | |
| Zahlen lassen sich natürlich beliebig grün oder rot anmalen - am Wert | |
| ändert das nichts. Bei uns spielt aber die Transparenz eine große Rolle, | |
| etwa bei der besseren Kontrolle der bremischen Gesellschaften. Das ist mein | |
| Markenzeichen. Und vor allem verplempern wir unsere Ressourcen nicht für | |
| Renommiervorhaben, sondern setzen auf Reformen. Ich weiß nicht, ob das von | |
| irgendeinem sozialdemokratischen Finanzminister so gehandhabt wird. | |
| Wobei die Renommier-Projekte wahrnehmbarer waren. | |
| Ja klar. Und viel unterhaltsamer. Bloß nebenbei so teuer. | |
| Aber ist Wahrnehmung nicht wichtig, um Menschen für Politik zu begeistern? | |
| Natürlich. Aber eine Politik die sich nur am Medienecho ausrichtet - das | |
| halte ich für einen reaktionären Ansatz. Wer soll sich denn für eine | |
| Verwaltungsreform begeistern, außer ein paar Cracks? Aber es ist genau das, | |
| was wir brauchen, um von dem Defizit runterzukommen, das uns die | |
| Event-Kultur der großen Koalition hinterlassen hat. | |
| Das ist gewaltig. Trotzdem behaupten Sie auf [1][abgeordnetenwatch.de], | |
| Bremen sei überlebensfähig - aus eigener Kraft. | |
| Ja. Ich denke, dauerhaft am Tropf der anderen Länder zu hängen - das muss | |
| nicht sein. | |
| Aus eigener Kraft kann Bremen doch höchstens die Auflagen erfüllen, um 300 | |
| Millionen Euro Bundeshilfe zu bekommen. Und das Überleben hängt auch davon | |
| ab, ob es eine Altschuldenregelung gibt! | |
| Klar brauchen wir eine Altschuldenregelung. Und es hängt auch viel davon | |
| ab, ob es uns gelingt, unsere EinwohnerInnen zu halten, oder wie sich die | |
| Sozialausgaben entwickeln. Ich habe mit meiner Antwort aber etwas anderes | |
| gemeint: Bremen ist eine reiche Stadt. Wir haben das zweithöchste | |
| Brutto-Inlands-Produkt pro Kopf. Aber unsere Einnahmen spiegeln das | |
| aufgrund der Steuerverteilung nicht wider. | |
| Gerade in der zentralen Frage der Altschuldenregelung hat sich in der | |
| Föderalismuskommission nichts bewegt! | |
| Das war ein No Go. | |
| Und - bleibt es nicht? | |
| Es ändert sich doch auch täglich etwas: Das war noch vor der Wirtschafts- | |
| und Finanzkrise, das war vor Griechenland. | |
| Wo schon viele sagen: Langsam ist Schluss mit solidarisch. | |
| Wer so etwas erzählt, zündelt am eigenen Haus: Es ist Europa und es ist | |
| Deutschland nicht damit gedient, wenn einzelne Gebiete abgehängt werden. | |
| Eine Altschuldenregelung verlagert das Defizit nur - außer, die Banken | |
| verzichten? | |
| Das ist verboten, dieses Wort. Die Banken müssen sicher sein, dass sie ihr | |
| Geld bekommen. Alles andere treibt die Zinsen hoch. | |
| Anders verschwindet das Minus aber nicht nachhaltig, sondern verlagert sich | |
| in den Bund. | |
| Ja. Aber da gibt es die Stellschrauben der Steuerpolitik - und hier nicht. | |
| 16 May 2011 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://abgeordnetenwatch.de | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
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