# taz.de -- Sauerland-Terrorist Daniel Schneider: Häftling auf Berlinbesuch | |
> Nach dem Jihad: Der verhinderte Attentäter Daniel Schneider sagt vor | |
> einem Berliner Gericht als Zeuge aus - und distanziert sich von | |
> islamistischer Gewalt: "Wir waren fanatisiert." | |
Bild: Daniel Schneider während seines Prozesses in Düsseldorf. Am Mittwoch tr… | |
BERLIN taz | Wiedersehen mit einem der bekanntesten deutschen Terroristen: | |
Der zu 12 Jahren verurteilte Sauerland-Attentäter Daniel Schneider hat am | |
Mittwoch in Berlin als Zeuge in einem Terrorhelfer-Prozess ausgesagt. | |
Beschützt von vier maskierten Polizisten berichtete er im Kriminalgericht | |
Moabit von seiner Ausbildung in einem Lager der „Islamischen Jihad Union“ | |
(IJU), den Vorbereitungen des geplanten Anschlags auf | |
US-Militäreinrichtungen in Deutschland – und warum er heute Gewalt im Namen | |
der Religion ablehnt. | |
Schneider war im September 2007 im sauerländischen Medebach-Oberschledorn | |
festgenommen worden, als er zusammen mit Fritz Gelowicz und Adem Yilmaz in | |
einem Ferienhaus Bomben aus Wasserstoffperoxid herstellen wollte. Bei der | |
Festnahme riss Schneider einem BKA-Polizisten die Pistole aus dem Holster | |
und schoss auf den Beamten, allerdings ohne ihn zu treffen. Die | |
Sauerlandgruppe habe so etwas wie einen „zweiten 11. September“ im Kopf | |
gehabt, sagte der Vorsitzende Richter bei der Verurteilung der Gruppe im | |
März 2010 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Schneider verbüßt seine | |
Haftstrafe in der JVA Saarbrücken. | |
In Berlin sollte er am Mittwoch nun als Zeuge im Verfahren gegen den | |
mutmaßlichen Berliner Terrorhelfer Alican T. aussagen, dem unter anderem | |
vorgeworfen wird, die IJU unterstützt und Propaganda für sie betrieben zu | |
haben. Ursprünglich hatten dessen Verteidiger den Antrag gestellt, | |
Schneider zu befragen. Denn bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, die | |
IJU existiere gar nicht - oder sei eine Geheimdienst-Erfindung. | |
Was auch immer sich die Anwälte einmal von der Befragung Schneiders erhofft | |
hatten, an dieser Stelle war Schneider eindeutig. Zwar habe er, als er im | |
afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet den Umgang mit Waffen und Sprengstoff | |
lernte, tatsächlich nicht gewusst, dass er in der IJU gelandet war – es sei | |
dort immer nur die Rede von der „Ahmad“-Gruppe gewesen, nach dem damaligen | |
Anführer, dem er den Treueeid geschworen hatte. Doch im Rückblick sei er | |
sich völlig sicher, dass sie Teil der usbekischen Terrorgruppe waren. „Es | |
gibt keinen Zweifel, dass es die IJU gegeben hat“, sagte Schneider. | |
Aufschlussreich war Schneiders Auftritt als Zeuge dennoch. Trug er während | |
seines Prozesses in Düsseldorf noch einen ungestutzten Bart, ein langes | |
islamisches Gewand und Hadsch-Kappe, so trat er in Berlin im schwarzen | |
Jogging-Zweiteiler und mit Fünftagebart auf – und wunderte sich im | |
Rückblick selbst über seinen früheren religiösen Fanatismus. | |
Obwohl er nach seiner Rückkehr aus Waziristan bemerkt habe, dass er seit | |
März 2007 von den Sicherheitsbehörden observiert werde, verfolgten er und | |
seine Mitattentäter die Anschlagspläne weiter. Sie seien derart fanatisiert | |
gewesen, dass sie keinen objektiven Blick mehr auf die Wirklichkeit gehabt | |
hätten, so Schneider. „Alles hatte surreale Züge, wir haben nicht mehr in | |
der Realität gelebt.“ | |
Zwölf Fässer mit Wasserstoffperoxid hortete die Gruppe in dem Ferienhaus im | |
Sauerland – allerdings hatte das BKA im Geheimen die Lösung ausgetauscht. | |
Wären sie mit ihren Plänen durchgekommen, es wäre der größte Anschlag in | |
der Geschichte der Bundesrepublik geworden, urteilte das Düsseldorfer | |
Gericht später. | |
14 Monate nach seiner Verurteilung sagt Daniel Schneider nun: „Ich möchte | |
mit Jihad oder Gewaltanwendung im Namen der Religion nichts mehr zu tun | |
haben. Das ist mein persönlicher Entschluss.“ | |
Im Gefängnis in Saarbrücken lernt er nun etwas anders als den Umgang mit | |
Sprengstoff: er hole jetzt das Abitur nach, so Schneider. Für das Leben | |
nach dem Jihad. | |
18 May 2011 | |
## AUTOREN | |
W. Schmidt | |
J. Findeisen | |
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