# taz.de -- Nach der Nazidemo in Kreuzberg: SPD schlägt Haken | |
> Bei einer Diskussion über die Nazidemo in Kreuzberg verspielt die SPD das | |
> Bürgervertrauen. | |
Bild: Nicht nur in Kreuzberg sind die Rechten nicht willkommen. | |
Zur Diskussion über Ablauf und Hintergründe der rechtsextremen Demo, die am | |
vergangenen Samstag am Mehringdamm stattfand, hatte die SPD | |
Friedrichshain-Kreuzberg für Donnerstagabend in den BVV-Saal im Kreuzberger | |
Rathaus geladen. Auf dem Podium: Zwei KandidatInnen für die | |
Abgeordnetenhauswahl, Tom Schreiber, SPD-Abgeordneter und Mitglied im | |
Innenausschuss des Berliner Parlaments, die Abgeordnete und Vorsitzende des | |
Landesausschusses Migration der SPD, Ülker Radziwill, sowie der | |
Friedrichshain-Kreuzberger SPD-Kreisvorsitzende und Stadtrat Jan Stöß. | |
Das Publikum bildeten gut 80 KreuzbergerInnen, die viel zu der Nazidemo zu | |
sagen hatten. Bei ihr hatte es Prügeleien durch Rechte sowie viel Kritik an | |
der Polizeitaktik gegeben. | |
Doch obwohl es bei der Diskussion heiß herging: Publikum und Podium wurden | |
nicht miteinander warm. Der eingeladene Polizeivertreter kam nicht - | |
Begründung: Er wolle zuerst auf der Sitzung des Innenausschusses am Montag | |
Stellung nehmen. Schreiber, von Stöß anmoderiert mit dem Hinweis, er habe | |
"lange Gespräche" mit der Leitung des Polizeieinsatzes geführt "und kann | |
sicher schon viele Ihrer Fragen beantworten", geriet so in die Rolle eines | |
Polizeisprechers. Die erfüllte er allerdings derart souverän, dass er von | |
seiner Fraktionskollegin Radziwill daran erinnert werden musste, "dass es, | |
lieber Tom, nicht unsere Aufgabe ist, zu erklären, wo die Polizei steht, | |
sondern wo sie zu stehen hat: Sie ist zum Schutz der Zivilbevölkerung da!" | |
Die zahlreichen Schilderungen des Publikums von ungehinderten Übergriffen | |
Rechter auf GegendemonstrantInnen, von dem von der Polizei nicht | |
kontrollierten Durchmarsch der Nazis durch den U-Bahnhof Mehringdamm, wo | |
sie nicht nur mitten in die Gegendemo hinein-, sondern, so berichtete eine | |
Diskussionsteilnehmerin, "laut grölend und im Laufschritt an unbeteiligten | |
und verängstigten Passanten vorbeistürmten" - ganz ohne Begleitung oder | |
Abschirmung durch die Polizei -, konterte Schreiber mit: "Sie haben das | |
sicher als bedrohlich empfunden" und es werde ja auch "in den Medien viel | |
erzählt". Der Polizei lägen aber bislang kaum Anzeigen vor. "Und am Ende | |
zählt die Objektivität", so Schreiber. | |
Polizisten seien auch selbst verpflichtet, Anzeige zu erstatten, wenn sie | |
strafrechtlich relevantes Verhalten sähen, sagt sichtlich entnervt ein | |
Rechtsanwalt im Publikum. Er vertrete einen der von Rechten verprügelten | |
GegendemonstrantInnen: Da habe die Polizei weder die Personalien der Täter | |
aufgenommen noch Krankenwagen für die Verletzten geholt. Wenn die Polizei | |
jetzt nach Zeugen und Anzeigen rufe, übertrage sie ihre eigene | |
Verantwortung auf die Gesellschaft. Ihn würde interessieren, ob | |
Innensenator Körting oder Polizeipräsident Glietsch, die bei Demos eher auf | |
Deeskalation setzen, im Vorfeld von dem Aufmarsch gewusst hätten, so der | |
Anwalt, "oder ob die Polizei" - die die rechte Demo bis zuletzt geheim | |
gehalten hatte - "mal eigene Akzente setzen wollte". | |
## Polizei kannte Nazi-Aktive | |
Unter den Rechtsextremen seien "bekannte Aktivisten" gewesen, sagt ein | |
anderer - und unter den Polizisten Angehörige der Spezialeinheit PMS | |
(politisch motivierte Straßengewalt), die "diese Leute sehr genau kennen". | |
Es sei deshalb unglaubwürdig, wenn die Polizei nun behaupte, sie habe nicht | |
mit einer Gewalteskalation bei der Demo gerechnet. | |
Er werde das "alles in die Debatte im Innenausschuss hineintragen", so | |
Schreiber. Die Polizei sei an größtmöglicher Aufklärung all dieser Fragen | |
"ehrlich interessiert". Sie habe im Vorfeld der Demo aber nur mit Problemen | |
zwischen Rechten und Linken gerechnet: "Dass sich die Rechten so verhalten | |
würden, war nicht abzusehen", so der Innenpolitiker. Die Polizei wolle aber | |
"daraus lernen und Konsequenzen ziehen". | |
"Amen!", rief einer. Nach der Debatte diskutierte das Publikum noch lange | |
vorm Rathaus weiter. Die Podiumsteilnehmer blieben lieber drin. | |
20 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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