# taz.de -- Attac-Kongress zum Thema Wachstum: "Es muss auch mal Schluss sein" | |
> Im Wirtschaftsaufschwung boomt die Kritik an der Doktrin des "Immer | |
> mehr". Der Attac-Kongress "Jenseits des Wachstums" warf aber vor allem | |
> Fragen auf. | |
Bild: Dass Wachstumskritik auch Konfliktstoff birgt, machte sich auf einigen Po… | |
BERLIN taz | Den wohl größten Applaus heimste Harald Welzer ein. Nachdem | |
der Essener Sozialwissenschaftler am Wochenende auf dem Kongress "Jenseits | |
des Wachstums" in Berlin etwa eine Stunde auf dem Podium debattiert hatte, | |
stand er auf. Moderator Tilmann Santarius von der Heinrich Böll Stiftung | |
ging davon aus, dass der derzeit vielgefragte Diskutant zur nächsten | |
Veranstaltung eilen wollte. Doch Welzer widersprach: Nein, er sei zum Skat | |
verabredet. | |
Damit demonstrierte er praktisch eine Konsequenz aus dem, worüber er zuvor | |
referiert hatte: Dass das Streben nach dem "Immer mehr" nicht nur in den | |
Konzernzentralen, an Börsen und in den Ministerien das Leitmotiv sei, | |
sondern längst in unserer aller Köpfe verankert. An seinem Institut heiße | |
es nie: Ich bin fertig. Auch im Wissenschaftsbetrieb gelte das Motto: Mehr | |
Papiere, mehr Publikationen. Doch können wir ewig wachsen? Führt dieses | |
"Immer mehr" zu einem besseren Leben? "Es muss auch mal Schluss sein", so | |
Welzer. | |
## Alternativen gesucht | |
Damit sprach er den meisten der über 2.500 TeilnehmerInnen aus der Seele, | |
die nach Veranstalterangaben zu dem Kongress gekommen waren, den das | |
globalisierungskritische Netzwerk Attac unter anderem mit der Friedrich | |
Ebert, der Heinrich Böll und der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie der Otto | |
Brenner Stiftung der IG Metall organisiert hatte. Der Andrang zeige, "wie | |
sehr den Menschen die Frage nach Alternativen zu einer vom Wachstumszwang | |
getriebenen Gesellschaft unter den Nägeln brennt", resümierte Roland Süß | |
vom Attac-Koordinierungskreis. | |
Dass so viele politische Stiftungen mit dabei waren, zeigt, dass Attac ein | |
Thema gefunden hat, das über das engere Spektrum der | |
Globalisierungskritiker hinaus auf viel Zustimmung stößt. Die Krisenjahre | |
infolge der Lehman-Pleite hätten viele Menschen sprach- und perspektivlos | |
gemacht, sagte Matthias Schmelzer von Attac. Nun, wo sich ökonomische und | |
ökologische Krisen zuspitzten, setze die Wachstumskritik zur richtigen Zeit | |
an der richtigen Stelle an. | |
Dass sie aber auch sehr viel Konfliktstoff birgt, machte sich auf einigen | |
der insgesamt mehr als 70 Podien und Diskussionsrunden durchaus bemerkbar. | |
Abgesehen vom Konsens, dass eine vom Wachstumszwang getriebene Gesellschaft | |
die Welt in absehbarer Zeit ins Verderben stürzen wird, gingen die | |
Einschätzungen vor allem über die Alternativen weit auseinander. Genügt die | |
Forderung nach einer gerechteren Umverteilung von Einkommen und Vermögen? | |
## Wer muss verzichten? | |
Oder wie viel Verzicht braucht es? Ist nur die Politik gefragt oder auch | |
jeder Einzelne? Wie wird vermittelt, dass Arbeitsverzicht notwendig ist? | |
Ist Wachstum in den Ländern des Südens nicht zunächst notwendig, um sich | |
überhaupt entwickeln zu können? Was kann ein Green New Deal leisten, ein | |
Programm, das über grüne Technologien einen Wachstumsschub schaffen soll? | |
Muss nicht jede Wachstumskritik in grundsätzliche Kapitalismuskritik | |
münden? | |
Bei der letzten Frage klafften die ideologischen Unterschiede auf. Das | |
"zerstörerische Potenzial des Wachstumszwangs" sei mit einem "ökologischen | |
Kapitalismus" nicht zu lösen, befand Mario Candeais von der | |
Rosa-Luxemburg-Stiftung. Angelika Zahrnt vom BUND hingegen begrüßte es, | |
dass auf dem Kongress auch über Strategien diskutiert werde, die nicht | |
gleich die Abschaffung des kapitalistischen Systems als Ganzes zur | |
Voraussetzung macht. Barbara Unmüßig vom Vorstand der Heinrich Böll | |
Stiftung fasste zusammen: "Die Suche nach Wegen aus der Wachstumsfalle hat | |
begonnen." | |
22 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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