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# taz.de -- Medien in Afghanistan: Warum Hilfe keine große Hilfe ist
> Zu wenige qualifizierte Mitarbeiter, zu viele Vertriebsprobleme, zu große
> Abhängigkeiten. Was afghanische Medien vom Westen vor allem bräuchten,
> wäre geschäftliche Nachhilfe.
Bild: Hier verabschiedet sich Dashty von seinen Lesern.
"Nach 2001 hat es in Afghanistan eine starke Entwicklung der Medien
gegeben. Ihre Quantität ist nach dem Sturz der Taliban geradezu
explodiert," sagt Fahim Dashty, Herausgeber und Chefredakteur der im März
eingestellten Wochenzeitung Kabul Weekly. Heute gebe es 30 private
TV-Kanäle, 150 Radiosender und 500 Publikationen am Hindukusch, wo während
der Taliban-Herrschaft mediale Wüste war. "Bei der Qualität gibt es aber
große Probleme. So mangelt es an qualifizierten Mitarbeitern und gibt es
Vertriebsprobleme. Das größte Problem aber ist die hohe Abhängigkeit. Auch
wenn sich die meisten Medien unabhängig nennen, sind sie es in Wirklichkeit
nicht."
Laut Dashty hat die Abhängigkeit verschiedene Formen: Entweder würden
afghanische Medien von der Regierung oder ihr nahestehenden Kreisen,
Warlords oder Institutionen finanziert. Des Weiteren gebe es Abhängigkeiten
von ausländischen Regierungen oder ihren Geheimdiensten. Internationale
Nichtregierungsorganisationen seien eine weitere Quelle. "Wirklich
unabhängige Medien lassen sich an einer Hand abzählen," meint Dashty.
Seiner Meinung nach zählte auch die von ihm 2002 wieder neu gegründete
Zeitung zu den wirklich unabhängigen Medien. Das auf Dari, Paschtu und
Englisch erscheinende Wochenblatt, das eine wichtige Verbindung zwischen
den zwei Hauptsprachgruppen und der internationalen Gemeinschaft war, hatte
Dashty erstmals 1991 mit dem Mudschaheddin-Führer und heutigen Volkshelden
Ahmad Schah Massoud gegründet. 1994 wurde es eingestellt. Der spätere
Taliban-Feind Massoud starb im September 2001 durch ein als Journalisten
getarntes Selbstmordkommando al-Qaidas. Dabei wurde auch Dashty verletzt.
## Die Probleme begannen im Wahlkampf 2009
Kabul Weekly wurde eine Nähe zu denjenigen Führern der Nordallianz
unterstellt, die wie Dashty und Massoud aus dem Pandschir-Tal nördlich von
Kabul stammen und Rivalen von Präsident Hamid Karsai sind. Verhaftet oder
getötet worden sei zum Glück keiner seiner Mitarbeiter.
Zu seinen besten Zeiten mit 15.000 Auflage hatte Kabul Weekly 32 Seiten.
Die Probleme begannen laut Dashty, als das Blatt im Wahlkampf 2009 kritisch
über Karsai berichtete. Da stoppten Firmen ihre Anzeigen. Bis dahin hatte
Werbung 80 Prozent der Einnahmen des profitablen Blattes ausgemacht, das
insgesamt 40 Mitarbeiter in Kabul und vier Regionalbüros hatte. Dashty
reagierte mit Einsparungen. Doch als zuletzt die Anzeigenerlöse auf 25
Prozent sanken, musste er das Blatt einstellen: "Wir konnten auch
international keinerlei Hilfe für Kabul Weekly bekommen, die nicht an
Bedingungen geknüpft ist".
Dass Dashty lieber sein Blatt einstellte, als Konditionen zu akzeptieren,
zeige seine Unabhängigkeit, schrieb der Kölner Journalist Martin Gerner,
der mehrfach am Hindukusch Medientrainings durchführte, in einem Blog des
Afghanistan Analyst Network. Die Hilfe erstrecke sich nicht auf
Businessfragen.
Das kritisiert auch Frank Hantke, der das Kabul-Büro der
Friedrich-Ebert-Stiftung leitet: "Die Nachhaltigkeit der Medienhilfe wurde
völlig vernachlässigt." Zudem sei sie unkoordiniert: "In Afghanistan darf
heute eigentlich jeder Journalist sagen, was er will. Aber fast alle Medien
sind abhängig. Damit haben die Journalisten automatisch eine Schere im
Kopf. Viele haben deshalb kein Interesse an ernsthaften Recherchen, ihre
Berichte bleiben oft banal."
Beim jüngsten Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen rangiert
Afghanistan auf Platz 147 von 178. Das ist nicht berauschend, doch liegt
das Land mit Ausnahme von Tadschikistan (115) vor seinen anderen Nachbarn
Pakistan (151), Usbekistan (163), China (171), Turkmenien (176) und Iran
(175).
## Hoffen auf ein Wunder
Eine Medienstudie des US Institute of Peace vom Dezember 2010 fordert die
internationale Hilfe auf, bei afghanischen Medien mehr in "sozial
konstruktive Inhalte zu investieren, statt den Aufbau weiterer Medien zu
finanzieren", die die dortige Wirtschaft absehbar niemals selbsttragend
werde finanzieren können.
Die Abhängigkeit von ausländischen Geldgebern sollte dadurch reduziert
werden, dass diese gemeinsam mit lokalen Experten über konkurrierende
Anträge entscheiden und dabei längerfristige Zusagen machen.
Dashty hofft derweil noch auf ein Wunder - und eine neue Chance für Kabul
Weekly.
26 May 2011
## AUTOREN
Sven Hansen
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