# taz.de -- Was der Westen von China lernen kann: Mehr Planwirtschaft – warum… | |
> Die chinesische Regierung nutzt pragmatisch und wirkungsvoll die | |
> Instrumente eines starken Staates. Für den Klimaschutz erweist sich das | |
> als Vorteil. | |
Bild: China setzt auf grüne Energie: Arbeiter auf einem im Bau befindlichen Wi… | |
Mitten im an Nachrichten armen Sommer 2010 titelt die chinesische | |
Tageszeitung Shanghai Daily: »Die Partei macht sich bereit für den Entwurf | |
des nächsten Fünfjahresplans«. | |
Der einzige Neuigkeitswert dieses Artikels scheint zu sein, dass sich ab | |
Oktober die zuständigen Delegierten der Kommunistischen Partei Chinas zu | |
ersten Beratungen zusammensetzen werden. | |
Was wie eine Nullnachricht wirkt, hat es durchaus in sich. Und in China ist | |
das bekannt. Alle fünf Jahre ab Oktober treten die Parteiführer in | |
irgendwelchen Nebenräumen im riesigen Gebäude des Nationalen | |
Volkskongresses zusammen und erörtern die Lage der Nation. Sie bestimmen | |
damit nichts weniger als den Kurs für das gesamte chinesische Volk. Diese | |
»Grüntee-Gespräche«, die im Frühherbst beginnen und bis zum offiziellen | |
Volkskongress im Frühjahr andauern, gelten als richtungsweisend für weit | |
über fünf Jahre hinaus. | |
Deswegen wird in sämtlichen Amtsstuben, jedem Soziologieinstitut und allen | |
Firmenzentralen auch nur die kleinste Regung aus diesen Hinterzimmern mit | |
großem Interesse verfolgt. Die Ankündigung der Gespräche läutet den Anfang | |
der Vorbereitungen für den Fünfjahresplan ein. Deshalb elektrisierte die | |
Meldung der Shanghai Daily. | |
## Selbst Marktgläubige loben die Planungssicherheit | |
Die USA haben sich selbst und die weltweite Finanzwirtschaft in eine | |
schwere Krise gestürzt. Die Europäer bekommen ihre Schuldenkrisen nicht in | |
Griff. China hingegen hat der Weltwirtschaftskrise getrotzt, türmt keine | |
Berge von Schulden auf, sondern erwirtschaftet gigantische Überschüsse. | |
Selbst zutiefst marktgläubige Spitzenmanager der Industrieländer | |
attestieren der Volksrepublik gute Noten und schwärmen, dass sie nur im | |
Reich der Mitte jährlich mit zweistelligen Wachstumsraten rechnen könnten. | |
Auf China sei selbst dann Verlass, wenn die freien Märkte von einer Krise | |
in die nächste schlittern. Chinas Wirtschaft erweise sich als verblüffend | |
stabil. Sie loben die Planungssicherheit.(...) | |
Markt- und Planwirtschaft – ein Widerspruch? Nicht für die Chinesen. (...) | |
## Die nächsten fünf Jahre gelten dem Klimaschutz | |
Kopenhagen im Dezember 2009. Es ist der letzte Tag der UN-Klimakonferenz. | |
Auf Gipfeltreffen dieser Art kommt es sehr häufig nicht zu dem erwünschten | |
Ergebnis. Aber in der Regel haben die Verhandlungsführer zumindest einen | |
Kompromiss parat, den die Regierungschefs dann mit blumigen Worten der | |
Öffentlichkeit verkaufen können. Dieses Mal ist es jedoch anders. Mit | |
verärgerter Miene rennen die Delegierten aus dem Saal, einige mit Tränen in | |
den Augen. Die Enttäuschung ist allen Beteiligten im Gesicht abzulesen. | |
China hat Kopenhagen zum Scheitern gebracht. | |
Zwei Wochen lang haben Regierungsdelegationen, Umweltminister, zum Schluss | |
auch die Staatschefs höchstpersönlich um ein Ergebnis gerungen. Am Ende war | |
es die chinesische Führung, die die Verhandlungen zum Platzen brachte. | |
China zeigte sich nicht bereit, sich auf verbindliche Zahlen bei der | |
Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes zu einigen. Daraufhin ließen sich | |
auch die US-Amerikaner auf keine konkreten Zahlen mehr ein. Die Staatschefs | |
flogen mit leeren Händen zurück in ihre Heimatländer. Seitdem gilt China | |
als der »Killer von Kopenhagen«. | |
## 50 Milliarden Euro in den Klimaschutz | |
Doch so ganz hat Kopenhagen die Chinesen nicht kalt gelassen. Wie aus dem | |
zwölften Fünfjahresplan zu entnehmen ist, will Chinas Führung jährlich rund | |
50 Milliarden Euro in den Klimaschutz investieren. Diese Summe übertrifft | |
die Versprechen, die die USA diesbezüglich gegeben haben, und könnte | |
vielleicht sogar über die eigentlich für Kopenhagen vorgesehenen Ziele | |
hinausgehen. Die Klimakonferenz war also nicht umsonst. | |
Umweltpolitisch hat der zwölfte Fünfjahresplan es ohnehin in sich. So sieht | |
er vor, bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen für jeden erwirtschafteten | |
Yuan gegenüber 2005 um 45 Prozent zu senken. Je nach Berechnung kann es | |
sein, dass das Land die in Kopenhagen geforderten Ziele auf seine Weise | |
erreichen könnte. China möchte dies vor allem über eine Steigerung | |
regenerativer Energien schaffen, sich aber nicht auf absolute Zahlen | |
einlassen, wie es die Industrieländer verlangen. | |
Zwar sieht das chinesische Konzept leider auch den Bau von Atomkraftwerken | |
vor. Zugleich soll aber der Anteil an Windkraft von 6 auf 15 Gigawatt | |
steigen, an Solarenergie von derzeit weniger als 1 auf 20 Gigawatt. | |
Wesentlich ist vor allem, dass der Anteil der Kohlekraftwerke an der | |
Stromerzeugung in zehn Jahren von 74 auf 61 Prozent schrumpfen soll. | |
Die bedeutendste Passage im Fünfjahresplan dürfte die Zusage sein, dass die | |
chinesische Regierung beabsichtigt, bis 2016 jährlich bis zu umgerechnet | |
300 Milliarden Dollar in Umwelttechnologien zu investieren. Zu diesen | |
Branchen gehört neben den bereits erwähnten erneuerbaren Energiequellen | |
auch die ökologische Landwirtschaft. Auch die Wärmedämmung von Häusern will | |
die Regierung verbessern und wendet daher Milliarden für neue Dämmstoffe | |
auf. Noch nie zuvor hat eine Nation so viel Geld für einen vergleichbaren | |
Zweck aufgebracht. | |
## Marktführer im Solarbereich | |
Diese Summen werden in der Umweltindustrie nicht ohne Wirkung bleiben. | |
Schon jetzt hat es China mit Hilfe enormer Staatsgelder geschafft, im | |
Solarbereich die Marktführerschaft an sich zu reißen. Dabei ist es noch gar | |
nicht so lange her, dass Deutschland in der Solarproduktion führend war. | |
Nun geht die chinesische Führung bei der Herstellung von Windkraftanlagen | |
ähnlich wie hierzulande vor. | |
Ein Paradebeispiel dafür, wie sich chinesische Neulinge im Bereich | |
Zukunftstechnologie innerhalb kurzer Zeit dank des Staates weltweit an die | |
Spitze vorarbeiten, ist die Firma Goldwind. 2002 kaufte das Unternehmen | |
seine erste Lizenz und startete in der Provinz Xinjiang im äußersten | |
Nordwesten Chinas mit dem Bau von ersten Windkraftanlagen. Der Staat | |
unterstützte das Vorhaben finanziell vor allem bei der Forschung. Im Jahr | |
2009 verkaufte Goldwind eigenen Angaben zufolge 2000 Anlagen, 2010 waren es | |
bereits 4450. Inzwischen betreibt das Unternehmen insgesamt acht Fabriken | |
und gehört zu den größten Windradbauern weltweit. Es ist davon auszugehen, | |
dass der Staat weiteren Branchen in der Umweltindustrie ähnlich unter die | |
Arme greifen wird. | |
Die Staatshilfen haben längst auch das Interesse internationaler Investoren | |
geweckt. Laut einer Studie der Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg | |
investierten ausländische Banken und Versicherungsgesellschaften allein | |
2010 rund 40 Milliarden Dollar in chinesische Ökokraftwerke und | |
Biotreibstoffanlagen. Dies war erstmals mehr, als sie in die bisherigen | |
grünen Leitmärkte USA und Europa angelegt haben. | |
## Der Westen unterschätzt China in Sachen Umweltbewusstsein | |
Diese Maßnahmen zeigen, dass der Westen China in Sachen Klimaschutz | |
unterschätzt. Kaum ein Land ist so geplagt von Überschwemmungen, | |
Tropenstürmen, Trockenheit und anderen Umweltkatastrophen wie China. | |
Natürlich hat die chinesische Regierung dieses Problem erkannt. Und im | |
eigenen Land setzt sie sehr viel in Bewegung, um dagegen anzugehen. Nur | |
möchte sie sich nicht darauf einlassen, dass China als sich noch | |
entwickelndes Land dieselben Vorgaben gemacht werden wie dem Westen. | |
Die chinesische Führung argumentiert, dass der Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 in | |
den Industrieländern viel höher läge. Deswegen sei prozentual gesehen im | |
Westen ein wesentlich größeres Einsparpotenzial vorhanden. China, das von | |
anderen Entwicklungs- und Schwellenländern in Bezug auf den Klimaschutz | |
bereits zum Wortführer erkoren wurde, sieht es zudem nicht ein, in gleichem | |
Maße für die Schäden büßen zu müssen, die bisher vor allem die | |
Industrieländer angerichtet haben. | |
Wahrscheinlich wäre Chinas Verhandlungsdelegation auf der UN-Klimakonferenz | |
in Kopenhagen den Europäern und den USA auch mehr entgegengekommen, wenn | |
der Westen sich im Transfer von technischem Wissen aufgeschlossener gezeigt | |
hätte. Nun wollen die Chinesen das Wissen mit viel Aufwand selbst | |
erschließen. Die finanziellen Ressourcen stellt die Führung mit dem | |
zwölften Fünfjahresplan zur Verfügung. | |
27 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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