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# taz.de -- Pro-Mladic-Demonstrationen in Bosnien: "Wir sind auch Mladic"
> In der serbischen Teilrepublik demonstrieren Tausenden gegen die
> Verhaftung Ratko Mladics. Der mutmaßliche Kriegsverbrecher wird jetzt
> nach Den Haag überstellt.
Bild: Solidaritätsdemo für den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic in…
SARAJEVO taz | Unter den Bildern von Ratko Mladic, Wladimir Putin und dem
russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew versammelten sich am Dienstag
tausende von serbischen Extremisten in der Hauptstadt der serbischen
Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina, Banja Luka, um gegen die
Verhaftung ihres Idols zu protestieren. Sie trugen Spruchbänder mit der
Aufschrift: "Wir sind auch Mladic" oder "Verhaftet auch mich".
Die Demonstration bildet den bisherigen Höhepunkt einer
Soldidaritätsbewegung der Serben Bosniens mit dem ehemaligen
Oberkommandierenden der serbisch-bosnischen Streitkräfte.
Schon an den vorhergehenden Tagen hatten sich tausende zumeist junge Leute
in den meisten Kleinstädten des serbisch dominierten Teils Bosniens
versammelt, so in der einstmaligen serbischen Extremistenhochburg Pale bei
Sarajevo, in Zvornik oder Han Pijesak.
Am Sonntag waren 3.000 Menschen zum Geburtsort des noch in Belgrad in
Auslieferungshaft einsitzenden mutmaßlichen Kriegsverbrechers gekommen.
Viele von ihnen wanderten hinauf zu dem Dorf Bozanici, wo Mladic Tante
Slavoijka Mladic und sein Cousin Dusko Mladic zur Menge redeten. Ratko habe
während des letzten Kriegs nur seine Heimat geschützt, "er sei ein mutiger,
ernsthafter und humaner Mensch", erklärten sie. Gleichzeitig forderten sie,
Kalinovik in Mladicevo umzubenennen und sein Geburtshaus zu einem Museum
umzugestalten.
## Aufgepeitsche Emotionen
Während der vom Veteranenverband organisierten Demonstration in Banja Luka
wurde der Präsident der Republik Serbien, Boris Tadic, als "Verräter"
scharf angegriffen. Er habe die Verhaftung des serbischen Helden
angeordnet, und deswegen sollte er Selbstmord begehen, forderten
Demonstranten.
Auf öffentliche Anschuldigungen aus den Reihen der Bosniaken, die
Demonstrationen hätten einen faschistischen Charakter, antwortete der
Präsident der Veteranen, Pantelija Curguz: "Niemand hat das Recht, das
serbische Volk mit dem Faschismus in Verbindung zu bringen."
Es sei um das Überleben der Serben gegangen. Denkt daran, dass es einen
Genozid gegen das serbische Volk während des Zweiten Weltkrieges gegeben
hat und dass unsere Gegner diesen Genozid wiederholen wollten", erklärten
andere Sprecher. "Dank Ratko Mladic ist es nicht dazu gekommen."
## Verschobener Blick auf die Geschichte
Diese Argumentation zeige die tiefe Krise des serbischen
Geschichtsverständnisses, erklärt der renommierte Politikwissenschaftler
und Menschenrechtsaktivist Zarko Puhovski aus Zagreb. Für ihn liegt der
Grund für diese Position in der Nichtaufarbeitung des Zweiten Weltkriegs im
sozialistischen Staat von 1945 bis 1989.
Serbische Extremisten, ja sogar die Mörder von Srebrenica, hätten sich als
Antifaschisten gefühlt, weil sie davon ausgingen, die Serben seien die
Opfer im Zweiten Weltkrieg gewesen und hätten den Widerstand gegen den
Faschismus getragen. Dabei werde allerdings unterschlagen, dass Hitler ein
loyales Regime in Serbien errichtet hatte, dass das Serbische
Freiwilligenkorps unter Dimitrije Ljotic der SS zur Seite gestanden und
dass selbst die königstreuen Tschetniks mit den Nazibesatzern kollaboriert
hatten.
Unterdessen hat die serbische Justiz am Dienstag Mladic Berufungsantrag
gegen seine Überstellung nach Den Haag abgewiesen. Aus Kreisen des
Belgrader Justizministeriums verlautete am Nachmittag, die formale
Anordnung der Überstellung nach Den Haag werde "binnen weniger Stunden"
erfolgen.
31 May 2011
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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