# taz.de -- Bildungsprotest in Berlin: Kinder üben Demokratie | |
> 5.000 Schüler, Lehrer und Eltern fordern mehr Geld und Personal für | |
> Schulen. Demonstration während der Unterrichtszeit fällt jedoch kleiner | |
> als erwartet aus | |
Bild: Die demonstrierenden Schüler am Brandenburger Tor | |
Anfangs sieht es so aus, als würde die groß angekündigte | |
Bildungsdemonstration ein Reinfall. Für 10.000 Menschen war sie angemeldet, | |
doch eine Viertelstunde bevor der Marsch vom Rosa-Luxemburg-Platz losziehen | |
soll, stehen nur rund 500 Demonstranten um eine Bühne verteilt. Jonas | |
Botta, Vorsitzender des Landesschülerausschusses, ruft sie energisch dazu | |
auf, lautstark zum Brandenburger Tor zu ziehen: "Wir brauchen kleinere | |
Klassen und mehr Personal. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Berliner | |
Schulen kaputtgespart werden." | |
Auf einen Schlag strömen die Schüler dann in Massen aus den | |
U-Bahn-Schächten. Plötzlich ist der Platz vor der Volksbühne dicht gefüllt | |
mit Eltern, Lehrern und vor allem Schülern sämtlicher Jahrgänge und | |
Schulformen. Man reiht sich auf und stimmt den Slogan des Tages an, auch | |
wenn man nicht einig ist, wie dieser nun tatsächlich lautet: "Wir sind | |
hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung raubt", rufen die einen, | |
"weil ihr uns die Zukunft klaut", die anderen. Der Tross schiebt sich los: | |
10.000 sind es nicht geworden, aber rund die Hälfte, wie die Veranstalter | |
später bekannt geben werden. | |
Die Demonstration wurde auf 12.30 Uhr und somit in die Schulzeit gelegt. | |
Die Schulaufsicht hatte die Schulleitungen angeschrieben, dass sie keinen | |
Unterricht ausfallen lassen dürften, um zur Demonstration zu gehen. | |
Notfalls drohten disziplinarrechtliche Maßnahmen. Die Lehrergewerkschaft | |
GEW, die 660 Millionen Euro mehr Geld im Jahr für die Schulen fordert, | |
empfahl die "Teilnahme mit kreativen Mitteln". Im Rahmen demokratischer | |
Erziehung sei es für Schüler wichtig zu lernen, "dass sie mal laut werden | |
dürfen für ihre Rechte", so Sigrid Baumgardt, GEW-Landesvorsitzende. Eine | |
Fünftklässlerin aus der Wilhelm-von-Humboldt-Gesamtschule erklärt, wie das | |
praktisch aussieht: "Wir mussten sagen, dass wir zum Arzt gehen, wenn wir | |
zur Demonstration wollten." | |
Der Tross zieht weiter, die Köpfe der Schüler werden von hunderten Plakaten | |
verdeckt. "Geld für Bildung und Kinder, nicht für Bänker und | |
Finanzterroristen" oder "Sei unterbesetzt, sei überlastet, sei Schule in | |
Berlin" steht da in Anspielung auf die Imagekampagne der Stadt. Zahlreiche | |
Plakate sprechen direkt Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) an: "Herr | |
Zöllner, bessere Schulen können wir uns nicht sparen" heißt es etwa. Der | |
Bildungssenator reagierte im Abgeordnetenhaus auf die Vorwürfe. Der Senat | |
habe hunderte Millionen Euro mehr für Schulen, Lehrer und Horte bewilligt, | |
sagte er, räumte zugleich aber auch ein, Fehler gemacht zu haben. | |
Der Demonstrationszug biegt von der Friedrich- in die Reinhardtstraße ab, | |
um einen Halt vor der Landesvertretung Sachsen-Anhalts zu machen. "Alle | |
wissen, dass hier die Kultusministerkonferenz tagt. Wir wollen ihnen | |
klarmachen, was wir von ihnen wollen", schallt es vom Lautsprecherwagen: | |
"Wir wollen eine bessere Schule in Berlin!" Die Schüler antworten mit | |
lauten Rufen und Pfeifen. Auch vor dem Bundestag halten die Demonstranten | |
und rufen: "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!" | |
Die Touristen aus aller Herren Länder sind beeindruckt. | |
Schließlich erreicht der Demonstrationszug das Brandenburger Tor. Von der | |
Bühne fordert Botta vom Landesschülerausschuss abermals den Senat auf, mehr | |
Geld in die Bildung zu investieren, und dankt den Teilnehmern: "Wir freuen | |
uns, dass heute trotz der massiven Drohungen von Zöllner und Konsorten so | |
viele von euch auf der Straße waren. Das war aber erst der Anfang. Am 4. | |
September gibt es unseren nächsten Streik!" | |
9 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Fischer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Volksbegehren zu Schulhorten: Grundschulen sind Fall fürs Volk | |
Die Berliner sollen per Volksentscheid über eine Grundschulreform | |
entscheiden. Politiker bedauern die vergebene Chance zum Kompromiss. | |
Bildungsstreik in Berlin: Schüler drohen mit Protest à la Athen | |
Ein breites Bündnis aus Lehrern, Schülern und Eltern will am Donnerstag für | |
mehr Geld und Personal auf die Straße gehen. Angestellte Pädagogen müssen | |
mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. |