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# taz.de -- Eine Fußball-Stilkritik: Die Zwangsmatrix der Glitzerfummel
> Früher dachten Männer, Fußball und Frauen seien eine unästhetische,
> ärgerliche Mischung. Jetzt wird sogar die Fanmode übersexualisiert. Eine
> Stilkritik.
Bild: Es werden „Haute Couture, Fanmode und Tracht eins“ – warum muss das…
Vielleicht steckt darin schon das ganze Problem mit dem Frauenfußball. In
diesen Glitzerfummeln und in dem Fahnendirndl.
Es ist ja nicht so, dass Fan-Kleidung grundsätzlich schrecklich sein muss,
im Gegenteil. Es gibt herrliche Fan-Kutten, von Ärmeln befreite
Jeansjacken, an denen kein Stück Jeansstoff mehr zu erkennen ist, mit
Aufnähern gepflastert, mit Schals geschmückt, Südkurve, Nordkurve,
Auswärtsspiel, Hassbekundung, Liebeserklärung. Es sind Poesiealben des
Fanatikers (kurz: Fan), analog zum Beispiel zu Überseekoffern, die, mit
Hoteletiketten und Länderschildchen beklebt, die reisende Identität des
Besitzers tagebuchartig zur Schau stellen.
Nun haben wir es aber – pünktlich zur Frauenfußball-WM – mit einer ganz
anderen Sorte von Fan-Bekleidung zu tun. Die Stücke der „Football loves
Couture“-Kollektion (Minikleider, Trikot-Oberteile, Dirndl) hat Model/
Schauspielerin/ Designerin Marie Amiére entworfen; das Dirndl in Allianz
mit dem Trachtenspezialisten Angermaier. Deren Geschäftsführer ist von dem
Gewand mit der schwarzrotgoldenen Trikolorenschürze hingerissen. Es werden
„Haute Couture, Fanmode und Tracht eins“, schwärmt er. Wenn man sich das
Kleid anschaut, fragt man sich allerdings reflexartig, wozu das noch mal
genau gut sein soll. Man mischt ja auch nicht Schweinebraten mit Crème
brûlée und Cuba Libre.
Das eigentliche Problem aber sind die uniformen Barbie-Trikots, Taille,
Dekolleté, die Paillettenbänder sind wie die Scherpen der
Schönheitsköniginnen um die Körper gewunden, eine Schulter liegt frei. Es
ist eigenartig, dass nicht auch noch Pompons, diese Glitzerpuschel der
Cheerleader, mitgeliefert werden.
## Das Kurnikowa-Syndrom
Es scheint, als sollte sich mit dieser Kollektion endgültig das
„Kurnikova-Sydrom“ ausbreiten – und zwar nicht nur unter Sportlerinnen,
sondern auch unter weiblichen Fans. Zur Erinnerung: Die russische
Tennisspielerin Anna Kurnikova wurde hauptsächlich durch ihre physische
Attraktivität und ihre sexuelle Ausstrahlung bekannt und nicht aufgrund
ihrer sportlichen Exzellenz.
Nun wurden Fußballerinnen in der Vergangenheit nicht unbedingt mit dem
„Kurnikova-Syndrom“ in Verbindung gebracht. Hartnäckig hielt sich das
Vorurteil, kickende Frauen seien grobschlächtige Lesben, Mannweiber, die
den ästhetischen Sinn der Beinrasur aus politischen Gründen nicht begreifen
wollen und am liebsten in Kartoffelsäcken schlammbuffen.
Dagegen musste – nicht zuletzt aus Gründen des Marketings – etwas getan
werden!
Also steuert nicht nur die Fanmode, sondern auch die Nationalmannschaft mit
dem gezielten Einsatz von traditionellen Gender-Markierungen (Make-up,
Nagellack, Hervorhebung von sekundären Geschlechtsmerkmalen) gegen dieses
Vorurteil an – unterstützt von ganz oben: „als attraktive, moderne Frauen�…
wolle man die Ladys in der Öffentlichkeit positionieren, hatte die
DFB-Managerin Doris Fitschen angekündigt.
## Ziemlich ärgerlich
In logischer Konsequenz dazu wurden auch die offiziellen Trikots der
weiblichen Nationalelf den Frauenkörpern angepasst. Zuvor mussten die Damen
nämlich in Herrentrikots spielen. Als Fifa-Präsident Sepp Blatter vor ein
paar Jahren schon mal angeregt hatte, Fußballkleidung für Frauen dürfte
ruhig ein wenig körperbetonter sein, gab es noch ordentlich auf den Deckel.
Was sich liest wie eine gelungene Emanzipation von Vorurteilen, ist an
wahrhaft emanzipatorischem Anliegen vorbeigeschrammt: Statt die
Geschlechterdifferenz zu neutralisieren, entsprechen sowohl das
Pailletteninferno als auch die dazugehörigen Fanbarbies eher der
heteronormativen Zwangsmatrix.
Die „Football loves Couture“-Kollektion ist also nicht nur aus
ästhetischen, sondern auch aus gendertechnischen Gründen ganz schön öde.
Genauer: ziemlich ärgerlich.
17 Jun 2011
## AUTOREN
Jana Petersen
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