# taz.de -- Abschied vom Kultursalon: Alles gesehen, mit allen geredet | |
> Fünfzehn Jahre lang lud sie zum "Kultursalon". Beim letzten Mal ließ sich | |
> Alice Ströver selbst befragen. Für die Grüne endet auch die Zeit als | |
> kulturpolitische Sprecherin. | |
Bild: Wo Kultur - wie hier das Neue Museum - war Alice Ströver. Über ihre Pl�… | |
Ob bei Ausstellungseröffnungen, Tanzgastspielen, bei Theaterpremieren: | |
Alice Ströver ist allgegenwärtig. Beinahe ständig glaubt man den blonden | |
Schopf der Grünen-Abgeordneten irgendwo auftauchen zu sehen, oft von | |
kleinen Pulks umgeben. Und man fragt sich: Macht die sich nicht einfach ein | |
schönes Leben? Nimmt möglichst viel mit von dem, was Berlin zu bieten hat, | |
den Mainstream und die Avantgarde, die internationalen und die lokalen | |
Künstler? | |
Auf diesen Gedanken - dass auch Lust, Neugier und ein großes | |
Kommunikationsbedürfnis hinter Strövers ausuferndem Kulturkonsum stecken | |
könnten - kam tatsächlich niemand beim "Kultursalon" am Donnerstagabend im | |
Roten Salon der Volksbühne. Eine unermüdliche Arbeiterin im Bergwerk der | |
Kultur und der Medien: So sahen die Gäste ihre Gastgeberin. Sie waren es, | |
die diesmal Ströver befragten - zu den vergangenen 15 Jahren als grüne | |
Fraktionssprecherin für Kultur- und Medienpolitik und für 15 Jahre | |
Moderation des "Kultursalons". So sahen sie auch die Parteikollegen, die | |
sie mit Blumen, Dankesworten und Spenden fürs kalte Büffet feierten. Der | |
Anlass: ihr Ausstieg aus dem Leben als Abgeordnete. | |
Dass Ströver versuchte, jede vom Land Berlin geförderte Kultureinrichtung | |
aus eigener Erfahrung zu kennen, dass sie in Stiftungsräten und Gremien bei | |
keiner Sitzung fehlte, dass sie viele Fördervereine mit tätiger | |
Mitgliedschaft unterstützte, brachte ihr viel Anerkennung, quer durch die | |
kulturellen Szenen der Stadt. Dass sie Wirtschaftsberichte erläutern | |
konnte, den Kulturetat aufschlüsseln und seine Positionen historisch | |
herleiten, war ein Wissen, von dem Künstler wie Journalisten profitierten. | |
Andreas Rochholl, der die Zeitgenössische Oper Berlin leitet, erinnerte | |
sich am Donnerstag an die Spannung, mit der Künstler regelmäßig ihrem | |
Vortrag über den Kulturhaushalt folgten. Vermutlich erinnerte sie sich in | |
diesem Moment an ihr regelmäßiges Erstaunen darüber, wie wenig viele | |
Künstler von diesem Thema wussten. Dass hinter alldem ungeheuerer Fleiß | |
stehen muss, dachte sich jeder, der mit ihr zu tun hatte. Vielleicht | |
brachte man sie deshalb so wenig mit Begriffen wie Muße, Genuss und | |
Kontemplation in Zusammenhang. | |
Dass ihr für all das die Zeit fehlte, hat Alice Ströver nicht laut beklagt. | |
Eher schon, dass ihr für inhaltliche und intellektuelle Debatten über | |
Berlins kulturpolitische Konzepte die Partner fehlten. Transparente | |
Entscheidungen und Inhaltlichkeit vor Parteipolitik, das hat sie vermisst, | |
seit zehn Jahren schon. | |
Dennoch wollten weder sie noch ihre Gäste den letzten Kultursalon als | |
Stunde der Abrechnung begreifen. Mit Jacek Tyblewski, Mitbegründer von | |
Radio Multikulti, erzählte sie nochmal von beider Coup, den Sender dank | |
ihrer Arbeit im Rundfunkrat auf den Weg gebracht zu haben. Adrienne Boros | |
skizierte im Schnelldurchlauf Strövers bürgerschaftliches Engagement - und | |
die verbuchte es als Erfolg, dass die Villa Liebermann durch die Arbeit | |
eines Vereins zum populären Museum werden konnte. Was die vielen Kontakte | |
angeht, die Ströver im Kultursalon gestiftet hat, ist sie noch immer stolz | |
auf den Abend, an dem Vladimir Malakhov, Leiter des Staatsballets, das | |
erste Mal mit Sasha Waltz redete und die Barrieren zwischen klassischen und | |
zeitgenössischen Tanz einen Knacks erlitten. | |
Als immer mehr Gäste zu Glückwünschen antraten, wehrte Alice Ströver die | |
Rührung mit einem "Kinder, tut nicht so, noch bin ich nicht tot" ab. Dass | |
aber alle nur rückwärts schauten, hatte auch einen Grund: Noch gibt sie | |
nichts preis über ihre Zukunft. | |
Man hätte ihr etwas mehr Glamour gewünscht, beim letzten Salon. Aber sich | |
mit Prominenz schmücken war ihre Sache nie, eher der Einsatz für die, die | |
mit viel Selbstausbeutung am Rande des Existenzminimus balancieren. Die | |
sollten endlich besser bezahlt werden - das gab sie ihrem Nachfolger als | |
Auftrag mit. | |
17 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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