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# taz.de -- Gemeinschaftsschulen Baden-Württemberg: "Wir haben verdammt gute L…
> Die Kultusministerin von Baden-Württemberg, Gabriele
> Warminski-Leitheußer, will allen Schulen den Weg zur Gemeinschaftsschule
> offen halten.
Bild: Schulreform mit Quote: Baden-Württembergs Bildungsministerin will die Qu…
taz: Frau Warminski-Leitheußer, es passt Ihnen doch ganz gut, dass den
Baden-Württembergern der Stuttgarter Hauptbahnhof wieder einmal wichtiger
ist als die Bildung?
Gabriele Warminski-Leitheußer: So können wir uns wenigstens in aller Ruhe
strukturell aufstellen. Wir sind jetzt nach gerade einmal vier Wochen
Amtszeit aber gut im Zeitplan, um bei den Schulreformen sorgfältige
Entscheidungen treffen zu können.
Wir beobachten mit großer Spannung, ob Sie es schaffen in Baden-Württemberg
die Gemeinschaftsschule einzuführen. Wieviele Anträge liegen Ihnen denn
bereits vor?
Wir haben in den vergangenen beiden Monaten rund 30 Interessensbekundungen
für Gemeinschaftsschulen und andere Reformen bekommen. Zehn Kommunen haben
sogar schon konkrete Vorhaben in Aussicht gestellt. Diese Anfragen kommen
jetzt schon, obwohl wir erst noch dabei sind, die Rahmenbedingungen
festzulegen.
Was schließen Sie daraus?
Das zeigt, wie groß die Aufbruchstimmung in der Bildungspolitik im Land
ist. Bezeichnend ist, dass die Leute uns anschreiben und fragen: Es heißt
jetzt werde alles anders und wir können neu denken. Ob das denn stimme? Man
war bisher im Schulbereich in Baden-Württemberg nicht gewohnt, mit neuen
Ideen durchzukommen.
Sie wollen Gemeinschaftsschulen erst 2012 genehmigen. Warum die Vorsicht?
Das neue Schuljahr beginnt ja bald und bis dahin kann ja das
Gesetzgebungsverfahren nicht abgeschlossen sein. Wir brauchen
Rechtssicherheit, zumal ja damit zu rechnen ist, dass es Klagen gegen die
Gemeinschaftsschule geben wird. Wir werden sie also gesetzlich verankern
und das Jahr nutzen, um die Schulen zu beraten, die sich auf den Weg machen
wollen. Ich habe eine Stabstelle eingerichtet, der Leiter Norbert Zeller
steht den Schulen und den Kommunen als Ansprechpartner zur Verfügung.
Die ersten Gemeinschaftsschüler werden also frühestens 2013 eingeschult?
Im Schuljahr 2012/13. Das ist der frühestmögliche Zeitpunkt.
Wenn die Gemeinschaftsschulen erfolgreich sein wollen, müssen sie gut
ausgestattet sein. Haben Sie schon durchgerechnet, wieviel das kostet?
Das hängt davon ab, wie viele Anträge es gibt. Für uns ist klar, die
Gemeinschaftsschulen sollen rhythmisierte Ganztagsschulen sein. Das
bedeutet natürlich, dass es mehr kosten wird. Die genauen Kosten sind noch
unklar.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) rechnet, dass man für
eine rhythmisierte Ganztagsschule ein Drittel mehr Personal braucht. Das
wird also teuer. Wird es von der Haushaltslage abhängen, wie viele
Gemeinschaftsschulen Sie genehmigen?
Wir werden dafür eintreten, dass alle Schulen, die Gemeinschaftsschule
werden wollen, das auch werden können. Bildung ist schließlich einer
unserer Schwerpunkte und wir werden daran gemessen.
Sie haben gerade auch die Streichung von 711 Lehrerstellen rückgängig
gemacht und sich damit das Wohlwollen des Landeselternbeirats gesichert.
Welchen Posten Ihres Ministeriums wollen sie denn zukünftig schrumpfen?
Erst einmal geht es darum, den Schulbereich zu verbessern. Erst danach
könnten wir hier Lehrerstellen streichen. Aber auch dann muss das Geld in
der Bildung bleiben, da wir den Kleinkindbereich ausbauen müssen. Uns
fehlen noch 40.000 Krippenplätze, um den Rechtsanspruch zu erfüllen. Das
Land wird sich daran beteiligen, diese zu schaffen. Wir werden hier also
mehr Geld als bisher ausgeben.
Irgendwo müssen Sie sparen. Die Haushalte in Baden-Württemberg haben 48
Milliarden Euro Schulden. Werden Sie die rund 300 Mini-Hauptschulen
weiterfinanzieren oder werden sie geschlossen?
Wir wollen die wohnortnahen Schulen erhalten. Wir werden deshalb die
Kommunen beraten, wie sie ihre Schule im Dorf bewahren können.
Sie wollen sie zu Gemeinschaftsschulen überreden.
Das müssen die Kommunen selbst entscheiden, aber für uns ist die
Gemeinschaftsschule die Schule der Zukunft. Ich habe selbst Schreiben von
CDU-Bürgermeistern auf dem Tisch. Die tragen Verantwortung für ihre
Infrastruktur vor Ort und werden wohl auch den Weg der Gemeinschaftsschule
gehen.
Das Land muss sparen, da kommt es nicht gut, wenn Sie als erste
Amtshandlung die Personalkosten in ihrem Haus um 2 Millionen Euro erhöhen.
Es geht einfach darum, das Ministerium überhaupt arbeitsfähig zu machen.
Die Vorgängerregierung hat dafür gesorgt, dass entscheidende Stellen im
Apparat verschwunden sind. Es gab zum Beispiel keine Stelle für meine
Büroleiterin, als ich hier ankam. Ziel ist damit, überhaupt eine Grundlage
für unsere Reformpolitik zu schaffen. Diese neuen Stellen werden dann in
den nächsten Jahren wieder abgebaut, sie werden den Apparat also nicht
vergrößern.
Sie haben gerade die Reform der Lehrerbildung ihrer Vorgängerin
unterzeichnet. Es gibt die Ausbildung für Lehrer der Sekundarschule,
daneben die für Gymnasiallehrer - Sie haben also das gegliederte
Schulsystem untermauert.
Die Unterzeichnung der Reform war meine erste Amtshandlung, denn die
Studienanfänger brauchen jetzt Rechtssicherheit. Zeitgleich arbeiten wir
zusammen mit dem Wissenschaftsministerium daran, die Lehrerbildung parallel
zur Entwicklung der Gemeinschaftsschule zu modernisieren.
Die ersten Lehrer werden diese Studiengänge frühesten in sechs Jahren
absolviert haben. Wo bekommen Sie in der Zwischenzeit Personal für die
Gemeinschaftsschulen her?
Wir haben verdammt gute Lehrer in den Schulen. So kann sich die Integrierte
Gesamtschule in Mannheim vor Bewerbungen von Lehrern nicht retten. Ich habe
deshalb überhaupt keine Sorge, dass wir kein engagiertes Personal finden
werden. Im Übrigen werden wir auch die Möglichkeiten ausbauen, dass sich
Lehrer für die individuelle Förderung im Unterricht fortbilden.
Was möchten Sie in fünf Jahren vorweisen können?
Ich möchte, dass alle Kinder die bestmöglichen Lernmöglichkeiten erhalten
und individuell gefördert werden. Deshalb wollen wir die Anträge aller
Schulen, die längeres gemeinsames Lernen wollen und die Kriterien erfüllen,
genehmigen. Die Ganztagsschulquote wollen wir auf deutlich über 50 Prozent
steigern.
Eine Quote für Gemeinschaftsschulen haben Sie nicht genannt.
Ich will gar nicht erst den Eindruck erwecken, irgend jemand würde
gezwungen. Das wird sich entwickeln. In den ländlichen Räumen sowieso, weil
die Gemeinschaftsschule die Lösung für kleinere Orte sein wird.
Gibt es dann noch Gymnasien in Baden-Württemberg?
Ja, warum auch nicht? Alles andere würde mich erheblich wundern.
22 Jun 2011
## AUTOREN
Anna Lehmann
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