# taz.de -- Manfred Klimek über Wein am Mittag: „Ein Kitt der Gesellschaft“ | |
> Der Weinkritiker Manfred Klimek setzt sich für die Rettung des | |
> verdrängten Mittagsweins ein. Es ginge dabei um Genuss und Erleichterung, | |
> nicht um Rausch. | |
Bild: Ein Glas Wein zum Mittag gefällig? | |
taz: Herr Klimek, wieso sollte man eigentlich während der Arbeitszeit | |
trinken, es gibt doch nichts zu feiern? | |
Manfred Klimek: Wer Arbeit als Belastung empfindet, macht das Falsche. Da | |
hilft dann auch kein Mittagswein. Alkohol verschafft eine Erleichterung – | |
in Kombination mit einem Mittagsschläfchen ist das perfekt. Aber wer in | |
Knechtschaft arbeitet, für den ist das natürlich nichts. | |
Sollte man sich Alkohol nicht lieber für besondere Anlässe aufsparen? | |
Das ist genau der Fehler. Wir reden hier nicht über harte Alkoholika, es | |
geht nur um Wein. Und der ist vom Alltagsgetränk zum umwölkten | |
Kulturgetränk geworden – sollte aber unbedingt wieder zum Alltag gehören. | |
Der macht doch ziemlich müde, der Wein am Mittag. | |
Dann ist es der falsche Wein. Müde macht ein Wein, der zu schwer ist, zu | |
wenig Säure hat und zu viele Tannine. Perfekt sind leichte, gekühlte | |
Rotweine mit maximal 12,5 Prozent und leichte Weißweine zwischen 7,5 und 10 | |
Prozent – ein Riesling zum Beispiel. | |
Und wie viele Gläser sind noch in Ordnung? | |
Ich würde sagen, zwei. Es geht ja nicht darum, sich zu betrinken. In der | |
richtigen Dosierung und Stimmung wirkt der Mittagswein anregend. | |
Wir kennen den Mittagswein eher aus südeuropäischen Ländern. Gab es diese | |
Tradition jemals in Deutschland? | |
Ja, in Baden-Württemberg, Hessen, Franken, Sachsen und Rheinland-Pfalz war | |
das jahrhundertelang üblich, von der nachnapoleonischen Zeit bis in die | |
sechziger Jahre. Man ging ausgiebig zusammen Mittag essen, bestellte | |
Gänsebraten und eine Flasche Rotwein. Das war Teil der Alltagskultur und | |
völlig normal. | |
Und was ist seit dem schiefgelaufen? Graduelle Prohibition? | |
Andere Arbeitsgewohnheiten, Amerikanisierung ist da auch ein Thema. Alkohol | |
ist ein Kitt der Gesellschaft. Wer das prohibiert, muss damit rechnen, dass | |
die Gesellschaft mit anderen Exzessen reagiert. Und wie die aussehen, will | |
ich lieber nicht wissen. | |
Dieses Interview lesen sie auf der Genuss-Seite der aktuellen Sonntaz. | |
Ausserdem: Nach Caipirinha, Mojito und Aperol Sprizz. Was wird der Drink | |
dieses Sommers? Vier Sonntaz-Autorinnen machen Vorschläge. | |
25 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Jana Petersen | |
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