# taz.de -- Dieter Wedel inszeniert "Jud Süß": Sommerspektakel mit Hintersinn | |
> Der israelische Dramatiker Joshua Sobol und Dieter Wedel haben die | |
> Geschichte von "Jud Süß" neu geschrieben. Aufgeführt wird sie bei den | |
> Wormser Nibelungenfestspielen. | |
Bild: Der Herzog (Jürgen Tarrach) und der Jud (Rufus Beck) bei den Proben. | |
WORMS taz | Dieter Wedel könnte es sich auch einfacher machen mit seinen | |
Festspielen. Aber schon mit den "Nibelungen" ging es nicht nur um ein | |
touristentaugliches Sommerspektakel vor der Wormser Domkulisse. Man hatte | |
zwar den Genius Loci auf seiner Seite, doch immer auch eine von den Nazis | |
belastete Rezeptionsgeschichte am Hals. | |
In dieser Hinsicht setzt Wedel jetzt, im zehnten Jahr der stets mit | |
Schauspielerprominenz bestückten Festspiele, noch eins drauf. Denn kaum ein | |
anderer Stoff ist so belastet wie "Jud Süß". Das betrifft den | |
württembergischen Justizskandal aus dem Jahre 1738 als historischen Fakt, | |
vor allem aber die Legendenbildung, die ihm folgte. Der Tiefpunkt ist Veit | |
Harlans antisemitischer Hetzfilm aus dem Jahre 1940. | |
Jetzt haben der israelische Dramatiker Joshua Sobol und Dieter Wedel "Die | |
Geschichte des Joseph Süß Oppenheimer, genannt Jud Süß" aus ihrer Sicht, | |
auch mit Rückgriff auf neu ausgewertete Gerichtsakten, neu geschrieben. | |
Wedel hat sie in der Art eines historischen Fernsehspiels inszeniert. | |
Erzählt wird die Geschichte eines ehrgeizigen jüdischen Finanziers, der die | |
Modernisierungsversuche seines barocken Fürsten mit eigenem Geld und | |
ambitionierten Steuerreformen absicherte und dafür mit dem Leben bezahlte. | |
Der Süß war schuld an den Kosten der Modernisierung. Und das hieß in einem | |
dumpfen Konsens von Landadel, Militär und ungebildeter Masse – der Jud! | |
## Präfaschistischer Stümer | |
Vor allem in der Art, wie die Gegner der Veränderungen dumpfen | |
Antisemitismus mobilisieren, schlägt die Brisanz des Themas beklemmend | |
durch. André Eisermann steigert sich dabei als Landständemitglied Sturm in | |
einen geradezu präfaschistischen Stürmer hinein, um von einem eigenen | |
Verbrechen abzulenken. | |
Vor allem hier schlägt das Unabgegoltene, immer noch Gefährdete auch der | |
Gegenwart in dem historisch in seiner Zeit belassenen Stück durch. Der Text | |
ist nicht der literarischen Weisheit letzter Schluss, entfaltet aber auch | |
doppelbödigen Witz, wenn der barocke Herzog (Jürgen Tarrach) | |
präkeynesianische Weisheiten über die belebende Wirkung von | |
Nachfrageimpulsen absondert oder Rufus Beck als Jud Süß den fassungslosen | |
Landständen die Notwendigkeit des Steuerzahlens klarzumachen versucht. | |
Geplant war eine Verlegung des Stoffes in die Gegenwart. Was wohl neben dem | |
Aufmerksamkeitsbonus des Themas auch noch das Erregungspotenzial der | |
Bedenkenträger mobilisiert hätte. So kühn war man dann doch nicht. Immerhin | |
ist ein ganz gut gemachtes, in seinen Rahmen passendes historisches | |
Sommerspektakel mit Hintersinn und Aufklärungsanspruch für die Gegenwart | |
herausgekommen. | |
27 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Joachim Lange | |
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