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# taz.de -- Debatte um Polizeigewalt in Braunschweig: Demo vor dem Gruselkeller…
> In Braunschweig formiert sich Protest gegen Übergriffe der Polizei. Die
> dokumentiert ihr sonderbares Verhältnis zur Gewalt mit eigenwilligem
> Humor, streitet die aktuellen Vorwürfe jedoch ab.
Bild: Die Polizei hegt im Gewahrsam eine Delle in der Wand, die von einem Kopf …
BRAUNSCHWEIG taz | Die Fronten sind klar bei der Kundgebung gegen
Polizeigewalt am Mittwochnachmittag vor der Polizeidirektion Braunschweig.
Auf dem Bürgersteig vor der Schill-Kaserne stehen rund 40 DemonstrantInnen,
hinter einer Schranke etwa zehn PolizistInnen, die Arme vor der Brust
verschränkt. Argwöhnisch beäugen sie die Frauen und Männer, die mit Kreide
"Folterinstitut" und "Prügeltruppe" auf die Pflastersteine schreiben.
Gekommen sind sie, um eine Frau und vier Männer zu unterstützen, die hier
in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni in Polizeigewahrsam waren. Sie
berichten von Schlägen und Tritten, Beleidigungen, gewaltsamem Entkleiden,
erzwungenen Blutabnahmen und einer Wohnungsdurchsuchung ohne richterlichen
Beschluss (taz berichtete).
Karl Schmidt* war als Erster in Gewahrsam genommen worden. Verletzungen am
Daumen, Wunden an den Knien, Beulen an Stirn und Jochbein habe er sich nach
seiner Nacht in der Polizeidirektion ärztlich attestieren lassen, sagt er.
Er zeigt dicke Blutkrusten an seinen Knien und einen Einstich am Arm.
"Abschaum" hätten die Polizisten ihn genannt und gedroht: "Wenn du nicht
kooperierst, brechen wir dir den Arm oder machen dir die Hoden ab."
Schmidt war vergangene Woche Zeuge einer Personalienüberprüfung in der
Braunschweiger Weststadt geworden. "Was bei der Kontrolle passiert" habe er
wissen wollen. Daraufhin sei er festgenommen worden. Schmidts FreundInnen
erkundigten sich bei der Polizeidirektion nach ihm. Man habe sie warten
lassen, sagen sie. "Polizeistaat" malten sie mit Kreide auf den Boden - und
wurden prompt auch einkassiert.
Polizeisprecher Joachim Grande hatte die Vorwürfe [1][gegenüber der taz
zunächst] als "Blödsinn" bezeichnet. Davon ist er mittlerweile abgerückt.
"Wir werden nichts vertuschen", sagt er. Bereitwillig zeigt er den Flur des
Gewahrsams im Keller der Polizeidirektion. Bilder hängen an der Wand: Ein
Gefangener, gefesselt auf einer Zellenpritsche. Daneben, säuberlich
gerahmt, eine Delle in der Wand, unter der steht: "Kopfstoß gleich
kopflos". Da habe vermutlich ein Gefangener seinen Schädel vor die Wand
gehauen, erklärt Grande. Warum die Delle immer noch da ist? Um die zu
entfernen, brauche es Geld von der öffentlichen Hand, meint er. "Für
Spachtelmasse."
Weil er einem Platzverweis nicht folgte und seine Personalien nicht angeben
wollte, habe die Polizei Schmidt vor einer Woche in Gewahrsam genommen.
Unter "Gefahrenabwehr-Gesichtspunkten". Leibesvisitationen, Blutentnahmen
und Fixierungen gebe es durchaus im Polizeigewahrsam, sagt er. Eine Wohnung
sei in jener Nacht allerdings nicht durchsucht worden. An der Türschwelle
der Wohnung, in der Schmidt zu Gast war, hätten sich die Polizisten
Schmidts Ausweis und Schuhe geben lassen, sagt Grande.
Wegen der Misshandlungs- und Beleidigungs-Vorwürfe verweist Grande an die
Staatsanwaltschaft. Die ermittelt inzwischen gegen Karl Schmidt - wegen
Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, versuchter Körperverletzung und
Beleidigung. "Renitent" sei er gewesen, so ein Sprecher. Gegen drei seiner
FreundInnen wird auch ermittelt - wegen Hausfriedensbruchs und Widerstands.
"Das habe ich so noch nie erlebt", sagt Rechtsanwältin Britta Eder, die
einen von Karl Schmidts Freunden vertritt, über das Vorgehen der Polizei in
jener Nacht. Erst nach Stunden habe sie Auskunft über ihren Mandanten
erhalten. "Die Polizei hat sich in keiner Weise um Deeskalation bemüht",
sagt Eder.
Die Linksfraktion fordert in einer Anfrage an die Landesregierung
Aufklärung über den Vorfall. Wenn sich die Vorwürfe nur ansatzweise
bestätigen, sagt ihre Braunschweiger Abgeordnete Ursula Weisser-Roelle,
"ist das ein Skandal, der personelle Folgen haben muss". Der Ratsherr der
Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS) Peter Rosenbaum hat bei der Kundgebung
am Mittwoch eine Stellungnahme von Polizeipräsident Harry Döring gefordert.
Nicht zuletzt die Bildergalerie im Flur des Gewahrsams sei "ein Indiz, dass
dort was gehörig aus der Hand läuft". (* Name geändert)
30 Jun 2011
## LINKS
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## AUTOREN
Teresa Havlicek
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