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# taz.de -- Die Welt in zehn Jahren: Ein Ökoboom ist möglich
> Die norwegische Klassifikationsgesellschaft DNV hat sich überlegt, wie
> die Schifffahrt und die Energieversorgung im Jahr 2020 aussehen könnten.
> Atomkraft ist auf jeden Fall dabei.
Bild: Werden 2020 wohl eine Leistung von zehn Megawatt haben und 200 Meter hoch…
HAMBURG taz | Windkraftanlagen an Land werden die Drei-Megawatt-Klasse
nicht überschreiten; durch Fracking gewonnenes Schiefergas wird den Markt
revolutionieren; und Atomenergie wird im Energiemix auf jeden Fall eine
Rolle spielen. Drei Thesen aus dem Technologie-Ausblick der norwegischen
Schiffsklassifikationsgesellschaft DNV für das Jahr 2020.
Die Stiftung, die sich um den Umgang mit Risiken kümmert, versucht in der
Studie vorauszusehen, welche Technologien in zehn Jahren in der maritimen
und der Energiewirtschaft angewandt werden. Das Ergebnis hilft,
Investitionsentscheidungen zu treffen. Dem breiten Publikum zeigt es,
welche Entwicklungspfade die Ingenieure unter welchen Voraussetzungen für
realistisch halten.
Der Studie liegen Annahmen über Megatrends zugrunde, die sich mit
ziemlicher Sicherheit realisieren werden. 2020 werden demnach 7,5
Milliarden Menschen die Erde bevölkern, von denen 55 Prozent in
Ballungszentren leben werden. Die Migration wird weiter zunehmen, vor allem
innerhalb des Südens. Der Schwerpunkt der Weltwirtschaft wird sich nach
Asien verschieben, dessen Anteil dann 40 Prozent betragen wird. Das Fehlen
internationaler Strukturen, die sich effektiv um das Klima, den
Finanzmarkt, die Wasserversorgung und die Sicherheit kümmern können, wird
zum Risiko.
Die informationstechnologische Revolution wird mit unverminderter
Geschwindigkeit fortschreiten. Energiewirtschaftlich wird sich der erste
Schritt hin zu einer Abkehr von fossilen Brennstoffen vollziehen. Acht
Prozent des Stroms werde dann aus erneuerbaren Quellen kommen, 39 Prozent
aus Kohle gewonnen werden. Mit zunehmender Ressourcenknappheit wird
Recycling an Bedeutung gewinnen. Der Klimawandel wird fortschreiten, mit
der Folge, dass die Arktis schon im Sommer 2020 eisfrei sein könnte.
## AKWs laufen weiter
Darauf aufbauend entwerfen die Autoren vier Szenarien, wie sich die Welt
entwickeln könnte - mit entsprechenden Folgen dafür, welche Technologien
wie stark gefragt sein werden. Zwei Szenarien gehen davon aus, dass die
Wirtschafts- und Finanzkrise durchschlägt und wir ein schwaches
Wirtschaftswachstum sehen werden: "Globale Vielfalt" mit fortgesetzter
internationaler Zusammenarbeit und "Zuerst Lokal" mit verringerter
Kooperation.
Zwei weitere Modelle gehen von einem starken Wachstum aus: Das Modell
"Grüner Wohlstand" nimmt an, dass es richtig teuer werden wird,
Kohlendioxid zu emittieren und es sich daher lohnen wird, grüne
Technologien zu verwenden. Das "kohlenstoffbetriebene" Entwicklungsmodell
geht davon aus, dass die Kräfte des Marktes wirken, was fossile Brennstoffe
begünstigt.
In allen Szenarien sagen die DNV-Prognostiker der Laufzeitenverlängerung
von Atomkraftwerken eine große Zukunft voraus. Zwar sei der Bericht vor der
Atomkatastrophe von Fukushima verfasst worden, räumt der Co-Autor Thomas
Mestl ein, seiner Einschätzung nach hat das global betrachtet aber nichts
Wesentliches geändert. "Viele Länder haben keine Wahl als Atomkraft zu
verwenden", sagt er.
Mestl und die DNV-Forschungschefin Elisabeth Harstadt halten sogar
Mini-AKWs für abgelegene Gebiete und Atomreaktoren als Schiffsantriebe für
denkbar. Wären zwei Länder bereit, wechselseitig atombetrieben Schiffe in
ihren Häfen zu akzeptieren, könnte keine internationale Organisation das
verbieten, sagt Harstadt.
Auf lange Sicht, über 2020 hinaus, hält Mestl allerdings die Sonne für die
Energiequelle der Wahl. Das lege alleine die schiere Menge des jährlichen
Energieeintrags über die Sonne nahe, die alle übrigen Energiequellen um ein
Vielfaches übertreffe. Ob 2020 viel mehr als heute mit der Sonne geheizt
und Strom erzeugt wird, hängt davon ab, wie stark der Druck und der Anreiz
ist, Kohlendioxid einzusparen.
## Kleine Windräder an Land
Auf jeden Fall rechnet DNV damit, dass kristalline Solarzellen in zehn
Jahren 30 Prozent effizienter sein werden als heute. Um 2015 herum werden
ihnen Dünnschicht-Solarzellen Konkurrenz machen, die billiger und
vielseitiger verwendbar sind. Dazu kommt die vergleichsweise einfache
Technik der Warmwasserbereitung, die sich schon binnen fünf Jahren nach
Installation auszahlen kann.
Politische Unterstützung und ein leidliches Wirtschaftswachstum
vorausgesetzt, erwarten die DNV-Forscher auch einen Zuwachs bei der
Windenergie. Bei Onshore - an Land - glauben sie jedoch, dass mit den
größten heute stehenden Anlagen das Maximum erreicht ist. Größer als 2,3
bis 3 Megawatt würden die Anlagen wohl nicht, weil sie sonst kaum mehr per
LKW zu transportieren wären. Dafür würden die Windräder für jeden Standort
maßgeschneidert.
Offshore - auf See - dagegen könnten in zehn Jahren durchaus
Zehn-Megawatt-Windräder installiert werden. Damit wären sie doppelt so groß
wie die größten Anlagen heute. Auch China und die USA würden dann Windparks
ähnlich weit draußen im Meer errichten wie Deutschland.
## Viel Gas durch Fracking
Unter den fossilen Brennstoffen sagt die DNV-Studie Gas eine große Zukunft
voraus. Gas sei mehr als eine Übergangslösung, sagt Elisabeth Harstadt, vor
allem weil es sich mit steigenden Preisen lohnen werde, neuartige
Lagerstätten zu erschließen. "Schiefergas wird das Spiel verändern",
prophezeit sie. Im Gestein gebundenes Gas gebe es ein- bis viermal soviel
wie herkömmliches Gas. In den USA habe das Anzapfen dieser Quellen den
Gaspreis halbiert.
Harstadt verhehlt allerdings auch nicht die Probleme, die die "Fracking"
genannte Förderung des Schiefergases mit sich bringt. Hierbei werden
Unmengen mit Chemikalien versetzten Wassers in die Erde gepumpt. Pläne, in
Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen derartige Lagerstätten zu
erschließen, sind in der örtlichen Bevölkerung auf Widerstand gestoßen.
In der Schifffahrt erwartet die Klassifikationsgesellschaft DNV ein
weiteres Wachstum. Steigende Treibstoffpreise machten energiesparende
Techniken wie Luftkissen unterm Rumpf oder Zugdrachen interessant.
Schärfere Umweltvorschriften machten perspektivisch Doppelantriebe mit Öl
und Gas interessant.
5 Jul 2011
## AUTOREN
Gernot Knödler
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