# taz.de -- Ein Prediger im Dienste Mohammeds: Der Verbindliche | |
> Der islamische Prediger Pierre Vogel macht sich in Hamburg über das | |
> Schreckbild lustig, das von ihm gezeichnet wird. 1.100 Fans und 100 | |
> Gegendemonstranten sind gekommen. Zwischenfälle gibt es nicht. | |
Bild: Traf am Hamburger Dammtor auf seine Anhänger: Pierre Vogel. | |
HAMBURG taz | Auf dem Dag Hammerskjöld-Platz in Hamburg hat sich ein Mann | |
in die Höhle des Löwen gewagt. "Herr Vogel, Sie propagieren die | |
Islamisierung Deutschlands", steht auf einem Schild, das einer mitten in | |
einer Menge von 1.100 Menschen hochhält, die gekommen ist, um den radikalen | |
islamischen Prediger Pierre Vogel zu hören. | |
Wie der Mann mit dem schlohweißen Haar haben sich eine ganze Schar von | |
Demonstranten unter die Menge gemischt. Allenthalben wird aufgeregt, aber | |
friedlich diskutiert. | |
Vogel, geboren in Frechen bei Köln, ist vor zehn Jahren zum Islam | |
konvertiert. Er hat Arabisch studiert und eine moslemische Frau geheiratet, | |
die einen Gesichtsschleier trägt. Seit einigen Jahren tourt er als Prediger | |
durch Deutschland. In öffentlichen Versammlungen und Videos im Internet | |
vertritt der umstrittene Prediger einen salafitischen, rückwärtsgewandten | |
Islam. | |
Vogel ist auf den Platz hinter dem Dammtor-Bahnhof gekommen, und die | |
Polizei hat strenge Auflagen erteilt: Niemand darf sich komplett vermummen, | |
die Trennung von Frauen und Männern wird verboten. | |
Die Meinungen im Publikum sind indes geteilt: "Pierre Vogel engagiert sich, | |
um die Leute aufzustacheln", freut sich ein junger Mann. Vogel fülle eine | |
Lücke, indem er den Islam sichtbar mache. Der Weißhaarige mit dem Plakat | |
sagt: "Herr Vogel ist ein Menschenfänger". | |
Keine 100 Meter weiter halten Vogels Kritiker von der Partei | |
rechtspopulistischen Partei "Die Freiheit" eine Kundgebung ab. "Salafisten | |
sind Faschisten", rufen rund 30 Menschen. Ihnen schallt "Faschisten raus" | |
entgegen. Die Linkejugend "Solid" hat zum Potest gegen Vogel und gegen "Die | |
Freiheit" aufgerufen. | |
"Die ,Freiheit' gibt ihre Thesen als rationale Islamkritik aus, sie | |
propagiert aber einen kulturellen Rassismus", sagt Andreas Schmidkte von | |
Solid. Und Nazanin Borumand vom "Zentralrat der Ex-Muslime" ruft, der Islam | |
sei der Faschismus unserer Zeit. | |
Vogels Anhänger geben sich Mühe, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Die | |
Stimmung ist friedlich, auch wenn die kollektiven "Allahu Akbar"-Rufe | |
befremdlich klingen. An Nicht-Muslimen wird Überzeugungsarbeit geleistet. | |
Eine große Rolle spielt dabei die Behauptung, der Islam werde | |
missverstanden, und wer ihn ausübe, werde angefeindet oder unterdrückt. | |
"1.000 Mädchen tragen keinen Hijab, weil ihnen ihr Arbeitgeber | |
Schwierigkeiten macht", ruft Vogel. Wer verschleiert auf die Straße gehe, | |
werde beschimpft, sagen Zuhörerinnen. | |
"Unterdrückt der Islam die Muslimin?": Das hat Vogel am Sonnabend zum Thema | |
erkoren. "Hier kann man ja mal Musliminnen fragen, ob sie gezwungen werden, | |
das Kopftuch zu tragen", schlägt er vor. Die Kopftuchträgerinnen im | |
Publikum lächeln. "Im Islam ist die Frau auch etwas wert, wenn sie keinen | |
Job hat", sagt Vogel. Der Frau gebühre der erste Platz im Islam. | |
Das ändere aber nichts daran, dass der Mann in der Ehe das Sagen haben | |
solle. "Welche Frau möchte denn keinen Mann, der sich durchsetzen kann, der | |
die Führung übernimmt", sagt eine junge Frau. | |
"Ich finde das normal." Die gebürtige Mecklenburgerin ist konvertiert. Das | |
Kopftuch trägt sie nicht. Das sei beruflich schwierig. Auch ihr | |
christlicher Partner wolle das nicht. Ausschließen will sie es aber für die | |
Zukunft nicht. "Das hat mit Glaubensstärke zu tun", sagt sie. | |
Vogel könne gut erklären, sagt sie. Dessen Logik scheint bestechend: "Wenn | |
wir wissen, dass der Koran vom allmächtigen Gott ist und ein Befehl zu uns | |
kommt, müssen wir nicht mehr fragen, warum." | |
Seine Botschaft verkündet Pierre Vogel in mitunter flapsiger | |
Alltagssprache. Ihm werde vorgeworfen, hinter 1.400 Jahre islamischer | |
Theologie zurück zu wollen, sagt Vogel. "Rückwärtsbewegung - also | |
Moonwalk", ulkt er. Als 100 Gegendemonstranten "Freiheit" rufen, singt er | |
nach Marius Müller-Westernhagen "Freiiiheit …". | |
Zum launigen Auftritt gehört auch der heimelige rheinische Akzent, mit dem | |
er sich über die Auflagen des Verfassungsschutzes lustig macht, etwa: Über | |
Osama bin Laden dürfe nicht gesprochen werden. | |
Zum Schluss macht er sich noch über die unheilsschwangeren Berichte lustig, | |
mit denen einige Zeitungen seinen Besuch angekündigt haben. Mit dem | |
taz-Titel "Der Fundamentalist" kann er leben: "Das ist jemand, der an einem | |
Fundament festhält", sagt Vogel. | |
10 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
Andreas Speit | |
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