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# taz.de -- DIE WAHRHEIT: Nichtmenschliche Tiere vor dem Outing
> Meine Katze Mimi hatte seit einiger Zeit Probleme mit ihrer Identität.
> Mittels bizarrer Süchte machte sie auf sich aufmerksam. Sie nagte an
> Kabeln, als sei sie ein Marder ...
Bild: Tierschützer protestieren auf dem Stoppelmarkt in Vechta gegen schlechte…
... Sie stürzte sich auf Kartoffelchips wie ein Computernerd, sie hatte
eine Laune, als wäre sie 30 Jahre mit mir verheiratet. Proportional zur
sinkenden Stimmung stieg das Körpergewicht, und zwar bei uns beiden.
Ich schlug Sport vor, der auch gegen Depressionen helfen soll.
Selbstverständlich lehnte Mimi jede überflüssige Bewegung ab, es sei denn,
sie wollte mir durch einen pseudosuizidalen Sprung auf die Balkonbrüstung
einen Riesenschrecken einjagen. Gäste neckten mich gern angesichts des
Tiers: "Mimi, die Sumoringerin unter den Katzen." Unser Tierarzt schlug die
Umstellung auf Diätfutter vor. Dem Preis nach zu urteilen, bestand es aus
Goldstaub, ohne jede Kalorie. Außer meinem Kontostand änderte sich nichts.
Sollte ich den Arzt wechseln? Endlich die berühmten "neuen Wege" gehen?
In unserer Nachbarschaft eröffnete eine Tierheilpraktikerin ihre Praxis.
Weiße Satinvorhänge und edle Blumensträuße im Schaufenster signalisierten
wenig subtil, dass alle ohne goldene Kreditkarte gern fernbleiben dürfen.
Die schwulen Architekten des Viertels tragen neuerdings Mops, manchmal auch
Doppelmops, da bleiben Eifersüchteleien nicht aus. Ayurvedisches
Algenfutter, Cranio-Sacral-Therapie zur Bewältigung des Geburtstraumas und
Bioresonanztherapie zur Linderung später aufgetretener Beziehungsprobleme
kommt für die Mopsfamilien sicher wie gerufen. Für Missmut-Mimi und mich
aber musste es doch etwas anderes geben …
Ein Plakat von BerTa, der Berliner Tierbefreiungsaktion, brachte nun
kürzlich die Wende. Die Organisation, die von Tieren nur als
"nichtmenschliche Tiere" spricht und als Logo einen RAF-Stern mit
Pfotenabdruck verwendet, warb für ihre Veranstaltungsreihe "Tierbefreiung
und Feminismus", die kürzlich in Berlin stattfand. Mimi und ich wühlen uns
seither durch das Material. Sie ist schon richtig politisiert, wünscht als
Kätzin angesprochen zu werden und verlangt nach veganem Futter.
Früher warf sie sich jedem männlichen Besucher devot maunzend vor die Füße,
weibliche Gäste wurden dagegen oft böse gekratzt. Das ist vorbei. Neulich
kotzte sie in einer nächtlichen Guerillaaktion einem Freund des Hauses
einen gatschigen Haarballen in den Schuh. Eindeutig ein Schritt in die
richtige Richtung, wenn auch nicht ganz gemäß unserer Absprache "be
peacefull, be veggie, be happy".
Der von BerTa angekündigte Vortrag "Vergeschlechtlichte Tiere - eine queer
theoretische Betrachtung des Mensch-Tier-Verhältnisses" nährt die
Vermutung, dass im Queerdenken die Maus begraben liegt. Schließlich habe
ich sie voreilig, gewaltsam und konservativ auf die Rolle eines eleganten
Hauskätzchens festgelegt. Mimi aber ist fett und brummig wie ein Kater.
Wahrscheinlich ist sie eine transsexuelle Kätzin kurz vor dem lesbischen
Coming-out. Das soll mir alles recht sein. Hauptsache, sie nagt die Kabel
nicht an.
12 Jul 2011
## AUTOREN
Ulrike Stöhring
## TAGS
Tierschutz
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nichts zu sagen, fällt doch immer mal wieder eine kleine Geschichte dabei
ab.
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