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# taz.de -- Berliner Zoos: Ein Disneyland mit Tieren
> Der Senat will die Zuschüsse kürzen, die Besucherzahlen gehen zurück. Nun
> wird für eine "Modernisierung" von Zoo und Tierpark gesammelt. Aber wie
> soll die aussehen?
Bild: Soll noch mehr werden: Tierische Attraktion im Zoo Berlin.
"Der Zoodirektor erklärte leidenschaftlich: Was Tiere kosteten. Was Futter
kostete. Was ein Zoo ohne Tiere sei - und was ein Zoo mit Tieren für den
Fremdenverkehr, für Volksbelehrung und Ablenkung von politischen und …",
schrieb der Dichter Joachim Ringelnatz 1929. Auf einer Pressekonferenz im
Flusspferdhaus erklärten Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz und der
ehemalige Bürgermeister Eberhard Diepgen vorige Woche ganz genau dasselbe.
Im Mittelpunkt stand dabei die Vorstellung einer neuen Stiftung für den
Zoo, um unter anderem ein neues Vogelhaus, ein Nashornhaus und ein
Tapirhaus zu finanzieren - Kostenpunkt rund 22 Millionen Euro. Die Presse
möge da bitte schön mitarbeiten. "Wir wollen dem Bürger die Chance geben,
sich zu beteiligen. Die Stiftung soll eine Art Bürgerinitiative sein. Ein
weiterer Schritt in die Zukunft", sagte Eberhard Diepgen, der dasselbe
schon 1991 über die damals noch neuen Busspuren gesagt hatte.
Doch bei allem guten Willen wurde nicht ganz klar, warum es dieser
(Westberliner) Stiftung bedarf, gibt es doch bereits seit einem Jahr eine
(Ostberliner) Stiftung Hauptstadtzoos, die sowohl den Tierpark als auch den
Zoo einschließlich Aquarium fördern will. Diese Stiftung hatte vor einigen
Monaten gegen die vom Senat angekündigte Streichung der Zuschüsse für den
Zoo ab 2012 protestiert - wobei sie argumentierte: Seine Einnahmen seien in
den vergangenen vier Jahren vor allem durch weniger Besucher um ein Drittel
gesunken. Das entstandene Finanzloch könne zurzeit noch durch Rücklagen
aufgefangen werden, doch diese seien bald aufgebraucht. Ein Sprecher der
Finanzverwaltung entgegnete jedoch im Mai: "Nach unserer Kenntnis hat der
Zoo auch 2010 einen Überschuss erreicht." Zudem seien Rücklagen in
ausreichender Höhe vorhanden. Immerhin soll der Tierpark wohl auch
weiterhin Geld vom Land bekommen - in welcher Höhe, ist allerdings offen.
Bisher erhielt der Zoo rund 2,5 Millionen Euro, der Tierpark etwa 6,5
Millionen Euro. Die unterschiedliche Höhe der Zuwendungen erklärt sich
unter anderem aus dem Wettbewerbsnachteil des im Ostteil Berlins abseits
der Touristenströme gelegenen Tierparks: Während der Zoo auf jährlich rund
drei Millionen Besucher kommt, erzielt der Tierpark deutlich weniger
Einnahmen mit etwa einer Million Besuchern jährlich. Der Zoo nahm darüber
hinaus noch etliche Millionen aus dem Medienrummel um den Eisbären Knut
sowie 2006 durch den günstigen Verkauf eines Geländes für ein geplantes
Riesenrad am Zoo ein.
Der avisierte Stopp der Zuschüsse für den Zoo erklärt vielleicht, warum man
nun speziell für diese Westberliner Einrichtung noch eine weitere Stiftung
gründete, für die die Zoo AG - also der Zoo selbst - eine Million Euro
bereitstellte. Die Stiftung zur Förderung beider Hauptstadtzoos bekam
dagegen laut Diepgen nur 320.000 Euro von ihrem "Freundeskreis"; die
Berliner Morgenpost sprach sogar von nur 50.000. In beiden Stiftungen sitzt
Eberhard Diepgen im Vorstand. Und Direktor sowohl der AG Zoo als auch von
dessen 100-prozentiger Tochter, der Tierpark GmbH, ist Bernhard
Blaszkiewitz.
Als die BZ im Oktober 2010 einen "Geheimplan" zur Modernisierung der beiden
Tiergärten veröffentlichte, der der Finanz- und der Zooverwaltung angeblich
schon seit 2007 bekannt war - und mit dem man sie zeitgemäß aufhübschen
sowie mit mehr Merchandising profitabler machen wollte -, wiegelte
Blaszkiewitz ab. Er wolle keinen "Spaß-Zoo", ihm gehe es um "Zuchterfolge
statt Erlebnispark", Aufgabe der Tiergärten sei es, "Naturschutz zu
betreiben". Dazu gehöre es eher, die Anlagen zur Haltung der Tiere in
Gefangenschaft immer "artgerechter" zu gestalten. Die BZ konterte: "Es geht
für den Tierpark auch ums Überleben. Die Modernisierung spart nicht nur
Zuschüsse."
Die Zoo-Fachfrau der Grünen, Claudia Hämmerling, verwies in diesem
Zusammenhang auf die erfolgreichen Modernisierungen der Zoos in Hannover
und Leipzig. "Besonders der Tierpark wirkt etwas altbacken. Da muss sich
schnell was ändern", erklärte sie der Presse. Auch die Süddeutsche Zeitung
fand dann den Tierpark "trostlos". Die BZ zitierte den Direktor des
Hannoveraner Zoos, der in den vergangenen 16 Jahren rund 110 Millionen Euro
für den Zoo-Umbau ausgab: "Die Menschen kommen nicht in den Zoo, um sich
belehren zu lassen, sie wollen etwas erleben. Man muss sie begeistern und
faszinieren", fasste er sein Erfolgskonzept zusammen. Im Leipziger Zoo
wurde kürzlich eine 67 Millionen Euro teure "Tropenerlebniswelt
Gondwanaland" mit integriertem Restaurant eingeweiht. 2015 soll der Aus-
und Umbau dieses Zoos zu "einem der modernsten und innovativsten Tiergärten
der Welt" abgeschlossen sein. Blaszkiewitz meinte dazu auf der
Pressekonferenz: Bei solch einem Bauvolumen würde er nicht mehr ruhig
schlafen können, das jetzige Vorgehen, in kleinen Schritten gewissermaßen,
sei sinnvoller. Dazu zitierte er seinen Vorgänger Klös: "Ein Zoo wird
niemals fertig."
Auch für den Tierpark Friedrichsfelde liegen inzwischen
Modernisierungspläne vor. Als "Reise durch die Evolution" geisterten sie
durch die Medien: beginnend mit einer "Erlebniswelt Galapagos" und einer
"Manati-Unterwasserwelt" bis hin zu einer "Event-Gastronomie". Alles in
allem werden dafür 80 Millionen Euro veranschlagt. Die Weitläufigkeit des
"Landschaftstierparks", einst der flächenmäßig größte der Welt, inspirierte
die Planer offenbar zu seinem Umbau in einen "Entdecker-Tierpark": "Um die
Attraktivität der Präsentation der Tiere zu steigern und den
Erlebnischarakter des Tierparks weiter zu betonen, können Besucher
Beobachtungen von verschiedenen Aussichtspunkten (Lodges, Brücken,
Unterstände, Baumhäuser) vornehmen", visionierten die Planer. Beim
Finanzsenator begrüßte man diese Ideen, bezeichnete sie jedoch als zu
aufwendig und kostenintensiv. Im Flusspferdhaus nahm Gabriele Thöne,
kaufmännischer Vorstand der Zoo AG, dazu kurz Stellung: "Wir entwickeln
gerade einen Masterplan für den Tierpark."
Aber auch der 1848 gegründete Zoo solle wieder werden, was er einst gewesen
sei, meinte Thöne: der "gesellschaftliche Mittelpunkt Berlins", mit Feiern,
Partys und so fort. Das war in den zwanziger Jahren. Damals lobte die
Vossische Zeitung in einem Vorschlag zur Abschaffung des Eintrittsgeldes
seine "Gemeinnützigkeit für alle", seinen "stillen erheiternden Naturgenuß
für Arm und Reich" und "schönen Zweck einer wahren Volksbelehrung". Dieser
"Volksbildungsauftrag" gilt eigentlich bis heute.
Im Ostberliner Tierpark allerdings noch mehr als im West-Zoo, weswegen es
dort eine Vielzahl von Anbindungen an Forschungseinrichtungen gab und sogar
die Pfleger-Ausbildung erstmalig wissenschaftlich geregelt wurde. Der
Tierpark wurde 1965 vom Zoologen Heinrich Dathe gegründet, der im Osten so
beliebt war wie Bernhard Grzimek im Westen. Tausende Berliner leisteten
damals Aufbauarbeit, unter anderem beim Anlegen der Freigehege. Die Zoos in
den sozialistischen Bruderländern spendeten anschließend die Tiere, ebenso
die DDR-Betriebe und -Organe. Die Stasi etwa Stachelschweine: ein subtiler
Hinweis für den Direktor. Er war noch vor den "Märzgefallenen" der NSDAP
beigetreten, dann Blockwart geworden und hatte sich als Zoologe ab 1933 auf
Stachelschweine spezialisiert.
Schon kurz nach der Wende wurde Dathe Knall auf Fall entlassen, er musste
sogar innerhalb von drei Wochen seine Dienstwohnung räumen. Dann wurden die
Menschenaffen in den West-Zoo übergesiedelt. Schließlich sollte sogar die
Schlangenfarm des Tierparks nach drüben verbracht werden. Nicht in die
vielleicht größeren Schauterrarien, sondern ins dortige Depot. Da kam Zorn
auf in Ostberlin. Es gründete sich eine Bürgerinitiative, Senat und andere
Verantwortliche wurden mit bösen Briefen bombardiert. Es war von einem
Ausverkauf des Ostberliner Tierparks zugunsten des Westberliner Zoos die
Rede.
Genau das geschah damals überall im Osten. Dathe hatte es bereits in der
Wende kommen sehen: "Der Tierpark wird wohl weiterbestehen", meinte er
gegenüber einer Journalistin, "aber vielleicht als eine Art Hirschgarten,
der keine Konkurrenz für einen Zoo darstellt. Wir waren immer ein
Wissenschaftszoo, der Westberliner mehr ein Schauzoo. Und die Wissenschaft
muss weg." Erst einmal wurden nach ihm auch noch rund 170 Mitarbeiter
entlassen und für die verbliebenen 286 Stechuhren installiert. Die
Lehrausbildung der Zoo-Tierpfleger verlagerte man in den Westen.
Im gemeinsamen Aufsichtsrat von Zoo und Tierpark saßen Vertreter des
Finanz- und des Gesundheitssenators. Weitere stellte die Commerzbank, die
Landesbank, die Oberfinanzdirektion und eine Immobilienfirma. Nach den
Protesten gegen den - schlussendlich abgeblasenen - Schlangenraub wurde
auch noch ein Ostler, Lothar de Maizière, in den Aufsichtsrat berufen. Er
ist Geschäftsführer einer Firma, die Denkmäler mit Hilfe von Werbegeldern
renoviert.
Statt seiner trat jedoch der Aufsichtsratsvorsitzende Frank Bruckmann bei
der Pressekonferenz auf. Er ist Vorstandsvorsitzender der Berlinwasser
Holding AG und erklärte: "Ohne Tiere gibt es keinen Zoo." Dem wollte und
konnte keiner widersprechen.
12 Jul 2011
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
Eisbären
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