# taz.de -- Bezahlen im Internet: Anonymität in Gefahr | |
> Die Bundesregierung plant die namentliche Registrierung von bisher | |
> anonymen E-Geld-Karten. Angeblich soll so Geldwäsche verhindert werden. | |
> Datenschützer protestieren. | |
Bild: Vor allem bei Online-Spielen zahlen Kunden oft mit anonymen Geldkarten. | |
FREIBURG taz | Anonymes Bezahlen im Internet soll bald nicht mehr möglich | |
sein. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. Im geplanten | |
"Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention" ist eine | |
Registrierungspflicht für bisher anonyme Zahlungskarten wie die paysafecard | |
vorgesehen. Datenschützer protestieren. | |
Der Gesetzentwurf stammt von Ende Mai und sieht eine Vielzahl von | |
Einzelregelungen vor. Sie sollen verhindern, dass Geld aus kriminellen | |
Geschäften in den legalen Wirtschaftskreislauf eingezahlt und so | |
"gewaschen" werden kann. Unter anderem sollen auch Unternehmen, die E-Geld | |
vertreiben, künftig unter das seit 1993 bestehende Geldwäschegesetz fallen | |
- und zwar ohne jeden Schwellenwert. | |
Betroffen ist vor allem der europäische Marktführer Paysafe, der seine | |
paysafecards über Tankstellen, Supermärkte und Kioske vertreibt. Diese | |
Karten im Wert von maximal 100 Euro können benutzt werden, um anonym für | |
Leistungen im Internet zu bezahlen. Dort muss dann nur eine 16-stellige PIN | |
angegeben werden, keine Konto- oder Kreditkartennummer. Nach eigenen | |
Angaben hat Paysafe eine Million Kunden in Deutschland. Bezahlen könne man | |
damit bei rund 3500 Webshops, so Paysafe. Genutzt werde das Prepaid-System | |
vor allem bei Online-Games, wo etwa jeder dritte Spieler solche Karten | |
nutze. | |
Theoretisch sind Prepaid-Lösungen auch für viele andere Branchen denkbar. | |
Eine absolute Anonymität ist aber immer dann ausgeschlossen, wenn eine Ware | |
an eine bestimmte Adresse geschickt werden soll oder wenn das Alter des | |
Teilnehmers verifiziert werden muss. Bezahlsysteme wie Paypal und Click&Buy | |
sind ohnehin nicht anonym. | |
## Datenschützer kritisiert zunehmende Personalisierung der Daten | |
Bisher sind anonyme Prepaid-Karten bis zu 150 Euro Nennwert möglich. Die | |
Bundesregierung will den Schwellenwert jetzt auf Null senken, weil Gangster | |
ja viele anonyme E-Geldkarten nebeneinander nutzen und so doch hohe Summen | |
waschen könnten. Künftig müsste also jede Tankstelle und jeder Kiosk den | |
Ausweis des Kunden prüfen und die Daten speichern, um der Polizei bei | |
Bedarf Auskunft geben zu können. | |
Thilo Weichert, der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, spricht | |
von einer Katastrophe für den Datenschutz im Internet". Mit | |
Geldwäschebekämpfung habe das Vorhaben nichts zu tun, sondern "mit dem | |
Bestreben einiger Sicherheitsfanatiker, alle von uns zunehmend elektronisch | |
hinterlassenen Spuren zu personalisieren." Er verweist auf Angaben des | |
Bundeskriminalamts, wonach im Jahr 2009 lediglich 63 Tatverdächtige | |
"internetbasierte Zahlungssysteme" nutzten. | |
Den Datenschützern geht es allerdings nicht nur um Anonymität und | |
Unbeobachtetheit, sondern auch um den Schutz von Daten vor Missbrauch. | |
Weichert erinnert daran, dass erst jüngst bei Sony 100 Millionen Datensätze | |
von Online-Spielern geklaut wurden. "Wer mit Kreditkarte zahlte, muss sich | |
jetzt sorgen, dass seine Kreditkarten-Daten missbraucht werden, anonyme | |
Zahler haben diese Sorge nicht", argumentiert Weichert. Er fordert, dass | |
der alte Schwellenwert von 150 Euro erhalten bleiben soll, so dass | |
zumindest kleinere Zahlungen im Internet anonym und mit eng begrenztem | |
Datenrisiko geleistet werden können. | |
In der Praxis könnte das Verbot, falls es vom Bundestag tatsächlich | |
beschlossen wird, aber auch leicht umgangen werden. Denn der Wegfall des | |
Schwellenwertes wird weder von der EU noch von den Geldwäsche-Experten | |
(FATF) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung | |
(OECD) gefordert. Deutschland plant hier also einen Alleingang oder | |
zumindest eine Vorreiterrolle. Das heißt aber, dass paysafecards dann eben | |
bei ausländischen Anbietern, etwa in Österreich, gekauft werden können. | |
Paysafe ist ein europäisches Unternehmen. Sitz der Holding ist Wien, über | |
eine Londoner Tochter unterliegt es der britischen Bankenaufsicht. Die | |
Entwicklung der Paysafecard wurde von der EU gefördert, damit auch Menschen | |
ohne Kreditkarte am Handel im Internet teilnehmen können. | |
Gegen den Gesetzentwurf zur Änderung des Geldwäschegesetzes protestiert | |
auch der Deutsche Industrie- und Handelstag, wie die FAZ berichtet. Weil | |
mehr als eine Million Unternehmen einen Geldwäsche-Beauftragten | |
installieren müssen, entstünden Bürokratiekosten in Höhe von jährlich 1,2 | |
Milliarden Euro. Möglicherweise scheitert das Projekt auch hieran. | |
14 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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