# taz.de -- Deutsche Rüstungsschmiede im Visier: Das vergiftete Paradies | |
> Auf Sardinien testen Militär und Rüstungsfirmen Waffen. Anwohner sterben | |
> an Krebs, Kindern fehlen Finger. Jetzt ermittelt ein Staatsanwalt wegen | |
> Mord. | |
Bild: Der Eingang zum Militärgelände „Salto di Quirra“ auf Sardinien. | |
SARDINIEN taz | Sardinien gilt als Naturparadies: unberührte Strände, | |
sauberes Meer. Eine Ermittlung des italienischen Staatsanwalts Domenico | |
Fiordalisi aus dem kleinen Ort Lanusei im Südosten der Insel rückt nun eine | |
andere Realität in den Fokus: 60 Prozent der Militäreinrichtungen Italiens | |
befinden sich auf Sardinien, auch Nato und Bundeswehr üben hier. | |
Im Mai diesen Jahres hat der fünfzigjährige Fiordalisi den 116 | |
Quadratkilometer großen Schießplatz „Salto di Quirra“ beschlagnahmen lass… | |
und Ermittlungen wegen Mordes gegen den ehemaligen Kommandanten | |
eingeleitet. Als einen Grund nennt Fiordalisi gegenüber der sonntaz Todes- | |
und Missbildungsfälle bei Mensch und Tier innerhalb wie im Umkreis des | |
Sperrgebietes. | |
Eine Bürgerinitiative um die ehemalige Dorfschullehrerin Mariella Cao | |
prangert seit Jahrzehnten die hohe Todesrate wegen Krebserkrankungen und | |
die Missbildungen in der Umgebung des Schießplatzes an. Die Tochter eines | |
Anwohners kam ohne Finger an einer Hand zur Welt. | |
Ganz am Anfang von Fiordalisis Beschlagnahmeverordnung findet man einen | |
Verdacht gegen die deutsche Rüstungsfirma MBB und die Luftwaffe der | |
Bundeswehr. Es geht um Urangefechtsköpfe. Weshalb Domenico Fiordalisi | |
Kontakt mit deutschen Behörden aufgenommen hat. | |
„Salto di Quirra“ ist der größte Nato-Übungsplatz Europas, wenn man die | |
regelmäßig gesperrte Meeresfläche einrechnet. Bisher weiden auf dem | |
Landteil auch Schafe und Ziegen. Staatsanwalt Fiordalisi hat das nun | |
untersagt, nachdem in den Knochen eines Lammes Uran festgestellt worden | |
war. Die Tiere sollen seit dieser Woche nicht mehr dort grasen dürfen. | |
Mediziner hatten etliche entstellte Schafe vorgefunden. | |
## „Missbildungen waren beträchtlich“ | |
„Die Missbildungen waren beträchtlich und ließen an eine mögliche | |
radioaktive Verseuchung denken – etwa durch Uranmunition, die von der Nato | |
in Kriegen eingesetzt wurde“, sagte Fiordalisi der sonntaz. Die | |
italienischen Streitkräfte bestreiten dem Staatsanwalt zufolge, | |
Uranmunition verwendet zu haben. In dem Gebiet auf Sardinien führten | |
allerdings auch fremde Truppen und Privatfirmen Tests durch, sagt | |
Fiordalisi. | |
Der ehemalige Hauptmann auf dem Truppenübungsplatz Giancarlo Carrusci | |
behauptet, 1988 und 1989 seien zu Testzwecken zwei Flugkörper des Typs | |
„Kormoran 2“ mit Gefechtsköpfen aus abgereichertem Uran auf Ziele im | |
Meeresteil des Sperrgebiets abgefeuert worden – und zwar von Tornados der | |
deutschen Luftwaffe. | |
Weder das Bundesverteidigungsministerium noch die Luftwaffe wollten sich | |
der sonntaz gegenüber zu den Ermittlungen äußern. Die Firma MBB gehört | |
heute zu EADS, der European Aeronautic Defence and Space Company, Europas | |
zweitgrößtem Rüstungskonzern. „Ich kann definitiv ausschließen, dass MBB | |
beziehungsweise EADS jemals Uranmunition verwendet haben“, sagte ein | |
EADS-Sprecher. | |
Wie das Sperrgebiet die Insel prägt, wie der Staatsanwalt dem Druck von | |
Bauern und Militär standhält und was die Opfer des „Quirra-Syndroms“ zu | |
erzählen haben, lesen Sie in der Ganzen Geschichte „Das vergiftete | |
Paradies“ in der aktuellen sonntaz. [1][Pitzente Bianco], 48, hat die | |
Recherchen sehr unterstützt. Ein [2][Diskussonsabend] über Militärtests auf | |
Sardinien findet am 29. Juli statt. | |
23 Jul 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.imbassiadaculturale.com/ | |
[2] http://www.facebook.com/event.php?eid=220865041282514 | |
## AUTOREN | |
M.-C. Bianco | |
A. Waibel | |
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