# taz.de -- Ex-Castingstar Daniel Küblböck: "Nicht mehr der Pausenclown" | |
> Daniel Küblböck versucht es mit einem neuen Image. Er macht Jazz. Er | |
> macht Ökostrom. Er orientiert sich an Angela Merkel und Lady Gaga. Und | |
> sein altes Ich? Eine Altlast. | |
Bild: Mischung aus Angela Merkel, Heidi Klum und Lady Gaga? Der neue Daniel Kü… | |
Daniel Küblböck schleicht in italienischen Mokassins heran. Leise und | |
langsam läuft er durch das Tor im Chinesischen Garten in Frankfurt am Main. | |
Dann wartet er still, bis das Interview beginnt. Sorgsam darauf bedacht, | |
dass die Haare in Ordnung bleiben, das Gesicht ohne Mimik-Falten und die | |
Jacke glatt. | |
Es passiert nichts. Nichts Überraschendes, Schrilles. Der alte Küblböck | |
hätte einen anderen Auftritt gewählt. Vielleicht so: Ihm fällt sofort die | |
schielende Löwenstatue rechts am Eingang des Gartens auf. Er schnappt sich | |
einen Filzstift und malt dem Löwen links auch einen Silberblick in die | |
Pupillen. Dann hört er das Kind am Ufer des Sees, das mit seiner Tröte | |
Enten anlockt. Er hätte mit machen wollen, hätte etwas Schräges | |
unternommen. | |
Schräg liest sich der Lebenslauf des alten Daniel Küblböck. 2003 wird er | |
Deutschlands erster wirklicher Castingstar und verdient viel Geld - | |
nebenbei auch mit Musik. Doch nicht seiner Lieder wegen ist er im | |
Gedächtnis geblieben: Er rammt ohne Führerschein einen Gurkenlaster, spielt | |
sich selbst im Film "Daniel und der Zauberer", floppt damit an der | |
Kinokasse und schreibt eine Lebensbeichte mit 18 Jahren. Je nach Saison | |
wechselt der Paradiesvogel das Federkleid, mal ist er schwul, dann wieder | |
hetero, dann bisexuell. Er spielt den Hofnarren für Bild, lässt seine | |
Ohren-OP live übertragen, wirbt als Badenixe für Müllermilch. RTL | |
überschüttet ihn mit Kakerlaken, sperrt ihn in den "Big Brother"-Container. | |
## Aktueller als Gerhard Schröder | |
Auf dem Zenit seiner Karriere hält er sich für "aktueller" als den | |
seinerzeit amtierenden Bundeskanzler Gerhard Schröder. Sein Markenzeichen | |
sind Wutausbrüche, zottelige Haare und eine Stimme, die an Kermit den | |
Frosch erinnert. | |
Der neue Küblböck möchte mit alldem nichts mehr zu tun haben. Er möchte ein | |
neues Leben beginnen, sagt er: "Der ist nicht mehr der kleine Daniel, der | |
mit Brille und langen Haaren rumspringt, sondern da ist eine Entwicklung." | |
Er ist nun 25 Jahre alt, besitzt eine klassische Ausbildung zum Jazzsänger, | |
mehrere Firmen und ein Solarfeld. | |
Dieser neue Küblböck sucht gerade Halt in einer fotogenen Pose, die aber | |
einigermaßen kompliziert wird: Die Beine über dem Marmorsitz schiebt er | |
breit auseinander wie einst John Wayne, die Ärmel seiner marineblauen Jacke | |
zupft er perfekt gerade. Dann steckt Küblböck die Finger fest ineinander, | |
ruht in sich. Sein Gesicht friert ein. Es passiert nichts mehr. Er will nur | |
noch wirken. Es ist eine Mischung aus Politiker und Fotomodel. Doch ein | |
paar Schnappschüsse später taut sein glattes Gesicht wieder auf, und er | |
beginnt zu reden. "Ich war jung und brauchte das Geld." | |
Dieser Satz kommt ihm häufiger über die Lippen, seit er das neue Ich hat. | |
Mit seiner Vergangenheit fremdelt er: "Da könnte ich mich nicht mehr mit | |
identifizieren." | |
Aber der alte Küblböck muss noch mal ran: "Was wollen Sie gerne vergessen?" | |
Er spricht nun mit einem Kopfschütteln: "Es gab Sendungen wie das | |
,Dschungelcamp'. Wo man ja auch ein Stück weit mit Tieren Erfahrungen | |
gesammelt hat, was man sonst in Deutschland nicht erlebt. Diese Erfahrungen | |
möchte ich nicht mehr haben." | |
## Quietschend im Kakerlakenbad | |
Die Tiere, es waren Kakerlaken. Er sagt es nicht, aber die Bilder sind | |
trotzdem noch immer in allen Köpfen: Küblböck sitzt im australischen | |
Kakerlakenbad, quietscht. Der neue Küblböck ist sehr vorsichtig. Er will | |
nichts sagen, was gegen ihn verwendet könnte. Und er will nicht immer nur | |
der alte Küblböck sein. | |
Die Worte fließen noch immer aus seinem Mund, aber die Sätze schweben wie | |
an kleinen Fallschirmen, er schwächt sie ab. Fast jeder Satz beginnt mit | |
"ein Stück weit". Und dann sagt er: "Vielleicht habe ich mein Herz in der | |
Vergangenheit zu sehr auf der Zunge getragen." Der neue Küblböck will das | |
Gespräch gern selbst bestimmen und versucht es mit Monologen, die wie | |
vorgefertigt wirken. Etwa, wenn er über seine Indienreisen spricht. | |
Zwischenfragen will er gar nicht hören, macht einfach weiter im Text: "Ich | |
habe in Indien die Schere zwischen Arm und Reich gefühlt. Hatte Kinder an | |
meinen Jacken, die nach Zahnpasta oder Shampoo schrien." Dutzende Seminare | |
über indischen Sprechgesang habe er besucht, doch etwas Tiefes wollen sie | |
ihm nicht bedeuten: "Das hat nichts mit Glauben zu tun." | |
Der alte Küblböck hat dem neuen auch beim Thema Glauben ein Minenfeld | |
hinterlassen. Damals ließ er sich live im Fernsehen in ein früheres Leben | |
rückführen, war dort Kameltreiber, küsste Füße, sah Jesus Christus durch | |
Betlehem ziehen. Und Deutschland lachte. Heute sagt er: "Ich glaube an so | |
was nicht. Vielleicht hab ich es gesehen, weil ich in einem katholischen | |
Kloster aufgewachsen bin." | |
Der neue Küblböck will lieber über die Zukunft sprechen, die seiner Firma | |
zum Beispiel, die Nachwuchskünstler und ihn selbst vermarktet. Bei ihm | |
arbeiten nur Frauen. Im Meeting würden sie eher zuhören, ihm auch mal | |
Käsekuchen bringen. Während Männer stets Hahnenkämpfe ausföchten. Das mag | |
er nicht. Auf die Frage, ob er mit Männern nicht kann, reagiert er hastig, | |
beinahe überstürzt: "Das haben Sie gesagt. Bei mir haben Frauen die Männer | |
mit ihrer Kompetenz ausgestochen. Finito. That's the life. Ich trage doch | |
wirklich zur Frauenquote bei." Frauen seien die besseren Männer – und dann | |
landet er bei Angela Merkel: "Sie saß eingezwängt in einem kleinen | |
Stühlchen neben Putin auf seinem Thron aus Gold, hat sich aber nicht aus | |
der Ruhe bringen lassen. Eine Eigenschaft, von der man lernen kann. Ich | |
würde sagen, dass ich auch so bin. Man kann nicht in jeder Situation mit | |
der Pistole schießen, sondern muss erst denken." | |
## Merkel, Klum und Lady Gaga | |
Angela Merkel als Vorbild, aber auch Heidi Klum und Lady Gaga - "Ein | |
Gesamtpaket, eine Kunstfigur an sich. Das wird die Zukunft sein, was die | |
Menschen kaufen." Von Donald Trump will er lernen, wie man ein Imperium | |
aufbaut. Marken, Medien und Money, das sind die Zauberwörter, die auch den | |
neuen Küblböck strahlen lassen. Auf seinem i-Phone zeigt er kleine Sonnen. | |
Symbole, die anzeigen, wie viel Geld er gerade mit seinem Solarfeld auf dem | |
Dach eines niederbayerischen Sägewerks verdient. | |
Die Tantiemen aus den verkauften CDs investierte er in Ökostrom, doch das | |
müsse die taz nicht interessieren, findet Küblböck: "Genug über Ökostrom. | |
Wir haben ein exklusives Interview mit der Financial Times." | |
Dann lieber noch 18 Minuten über Casting. Er skizziert ein präzises Bild, | |
wirkt wie ein Dozent, der gerade sein Steckenpferd reitet. Das Thema lässt | |
ihn nicht los: "Einige Menschen dort sind sehr verwundert, dass es meinen | |
Namen immer noch gibt. Die denken: ,Das haben wir nicht gewollt.' Aber das | |
habe ich mir selbst erarbeitet. Wir arbeiten mittlerweile mit einer Distanz | |
gut zusammen. Ich spiele nicht mehr den Pausenclown." | |
Es sei eine Welt, die Sternchen hochjubelt und wieder fallen lässt. Die | |
Menschen bis in das Letzte vercastet. Was rät er jungen Menschen, die sich | |
dort bewähren möchten? Ein Stern werden wollen? "Eine Marke kreieren, das | |
ist das oberste Prinzip", sagt er. | |
22 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Markus Mähler | |
## TAGS | |
Bild-Zeitung | |
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