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# taz.de -- Trauer nach Norwegen-Attentaten: Ein Zeichen der Menschlichkeit
> Nach den Anschlägen in Norwegen kamen am Wochenende zahlreiche Menschen
> zur Botschaft, um Anteil zu nehmen. Die Sicherheitslage in Berlin bleibt
> unverändert.
Bild: Ein Mann legt Blumen vor der norwegischen Botschaft nieder
Gegen Mittag rennt ein Joggerpaar an den Nordischen Botschaften vorbei. Es
sieht die Blumen, die um einen Fahnenmast gelegt sind, die einzelne rote
Rose, die auf halber Höhe baumelt. Der Mann und die Frau gehen hin, sie
halten inne. Er faltet die Hände. Nach einer Minute nehmen die beiden ihren
Lauf wieder auf. Gesagt haben sie nichts.
Die Ruhe vor dem Gebäude, in dem die fünf nordischen Botschaften gemeinsam
residieren, ist bedrückend. Es ist Tag zwei nach dem Anschlag in Oslo und
dem Massaker auf der Ferieninsel Utøya, und das ist nahezu greifbar vor dem
sonst so freundlichen Gebäude. "Wir haben keine Verbindung zu Norwegen,
aber die Geschehnisse haben uns schwer getroffen", sagt ein Mann, der sich
mit seiner Frau in die Schlange vor dem Kondolenzbuch eingereiht hat.
"Gerade im liberalsten Land Europas, wo es am wenigsten zu erwarten war,
ist es passiert."
Wie schon am Samstag sind zahlreiche Menschen ins "Felleshus", das
Gemeinschaftshaus der Botschaften, gekommen. Aus dem Osloer Dom wird der
Gedenkgottesdienst für die fast 100 Opfer übertragen. Wer etwas sagen will,
flüstert. Als ein Zeitungsfotograf das aufgeschlagene Kondolenzbuch
ablichtet, wird er aus dem Gebäude gedrängt. Nicht von dem einen Wachmann
und der Botschaftsangestellten, sondern von wartenden Gästen. Sie wollen
ihre Ruhe haben. Draußen wehen die Flaggen der fünf nordischen Länder auf
Halbmast. Dutzende Blumensträuße liegen an der Wand hin zum
Botschaftsinneren, Teddybären dazwischen, Kerzen und Grablichter. Hunderte
Mails seien eingegangen, sagt die stellvertretende Botschafterin Merete
Wilhelmsen. "Wir sind sehr, sehr dankbar für das Mitgefühl." In Berlin
leben etwa 1.100 Norweger.
Außer dem Sicherheitsbeamten stehen am Sonntagmittag zwei Polizisten vor
dem Gelände in der Rauchstraße. Sie seien außerplanmäßig hier, bestätigen
sie. Polizeisprecher Frank Millert erklärt später, es gebe ansonsten keine
speziellen Sicherheitsvorkehrungen. "Die Berliner Polizei hat alle
Schutzmaßnahmen erneut überprüft. Da sich diese bereits seit langem auf
hohem Niveau befinden, ist eine Anpassung zur Zeit nicht erforderlich." Die
Beamten stünden in ständigem Kontakt zu anderen Sicherheitsbehörden,
insbesondere die Erkenntnisse aus Ermittlungen der norwegischen Polizei
würden einbezogen.
Er habe keine Angst, bekräftigt ein älterer Mann, der sich mit seinem
Fahrrad zu den Polizisten gestellt hat. Sie reden über die Ereignisse in
Norwegen. Die Beamten sind sichtlich ergriffen, der Mann ist es auch. "Ich
bin Jahrgang 21, ich hab so einiges erlebt", sagt er. "Aber in was für
einer Zeit wir jetzt leben..." Er bricht ab, schüttelt mit dem Kopf.
Keiner der Trauergäste hat eine Erklärung. Die meisten, die vor dem
wachsenden Blumenteppich stehen, wirken hilflos. Aber sie sind da. "Wir
wollen den Norwegern zeigen, dass Berlin hinter ihnen steht", sagt eine
Frau. Sie wohnt mit ihrem Mann in der Nachbarschaft, ist öfter in der
Botschaft. Im Gemeinschaftshaus ist auch die Kantine untergebracht, die
mittags jedem offen steht. Außerdem werden regelmäßig Ausstellungen gezeigt
und Konzerte veranstaltet. Es gehe doch um Menschlichkeit, fügt die Frau
hinzu. Dann erzählt sie noch, dass ein deutscher Urlauber dutzende
Jugendliche mit seinem Boot gerettet haben soll. Es klingt wie ein Trost.
24 Jul 2011
## AUTOREN
Kristina Pezzei
## TAGS
Schwerpunkt Islamistischer Terror
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