# taz.de -- Kommentar Norwegen: Linke Versäumnisse | |
> Norwegens Sozialdemokraten haben eine ideologische Auseinandersetzung mit | |
> den Rechtspopulisten dem Jugendverband überlassen. Das muss sich dringend | |
> ändern. | |
Wie geht es weiter in Norwegen? Wird es nie mehr das gleiche Land sein? | |
Oder wird man es "schnell wiedererkennen", wie Ministerpräsident Jens | |
Stoltenberg am Montagabend den hunderttausenden Teilnehmern bei den | |
Gedenkfeiern versicherte? | |
Wenn tatsächlich mehr Offenheit und mehr Demokratie die Antwort auf den | |
Terror sein sollen, dann wird sich Norwegen auch unbequemen Fragen stellen | |
müssen. | |
Die erste sollte dem künftigen Umgang mit der rechtspopulistischen | |
Fortschrittspartei gelten. Dass der Terrorist Behring Breivik über viele | |
Jahre seine politische Heimat dort suchte und fand, war kein Zufall. Und | |
wenn deren Vorsitzende jetzt mit unschuldigem Augenaufschlag verkündet, das | |
sei ja "ein fürchterlicher Albtraum", dann hofft sie offenbar, ihre eigenen | |
Sprüche von der "schleichenden Islamisierung Norwegens" seien schon | |
vergessen. | |
Oder die anderer führender Vertreter dieser Partei, die verkündeten, der | |
Islam sei eine gewaltsame Religion mit dem Ziel, die endgültige | |
Weltherrschaft zu erringen. Schon bei den Kommunalwahlen im September | |
könnte sich zeigen, ob zumindest ein Teil der Sympathisanten dieser Partei | |
jetzt nachdenklicher geworden ist. | |
Nachdenken ist auch bei Stoltenbergs Sozialdemokraten angesagt. Die Partei | |
hat eine ernsthafte ideologische Auseinandersetzung mit den | |
Rechtspopulisten allzu oft vermissen lassen. Das überließ sie weitgehend | |
dem Jugendverband AUF, den Jungsozialisten. Nicht von ungefähr wurden die | |
Organisation und ihr Sommerlager zur speziellen Zielscheibe von Behring | |
Breiviks Hass. | |
Norwegens Linke muss sich vorwerfen lassen, der Fortschrittspartei fast | |
kampflos ein politisches Terrain überlassen zu haben, das diese im Lauf der | |
Jahre stetig vergrößern konnte. Sie hat auch keinen entschiedenen Gegenkurs | |
gegen deren einwanderungsfeindliche Linie gefahren aus Furcht, damit | |
womöglich den ein oder anderen Wähler aus den eigenen Reihen zu | |
verschrecken. | |
Von nationalen Krisen haben in Norwegen in der Vergangenheit traditionell | |
die Sozialdemokraten profitiert. Die nächsten Parlamentswahlen sind erst in | |
zwei Jahren. Zeit für die rot-rot-grüne Regierung, den Schock in positive | |
Energie umzuwandeln. Zeit, das Land tatsächlich weiter zu öffnen und den | |
NorwegerInnen zu sagen: Wir brauchen Einwanderung. Sie wird nicht den | |
Wohlstand gefährden, sondern die Zukunft sichern. | |
26 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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