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# taz.de -- Politische Stimmung in China: Wie ein Satz zum geflügelten Wort wi…
> Eine Formulierung führt zum Bruch zwischen Funktionären und Volk.
> Auslöser ist die arrogante Bemerkung eines Ministeriums-sprechers nach
> einem schweren Zugunglück.
Bild: "Wir wollen die ganze Wahrheit wissen!" Angehörige von Opfern des schwer…
PEKING taz | Warnungen vor Verkehrsstaus, Gesundheitstipps, ein paar
Scherze - das Programm im Pekinger Radio Taxi plätschert vor sich hin. Doch
dann antwortet ein Moderator auf den harmlosen Scherz eines Kollegen: "Sie
mögen es glauben oder nicht, das ist mir egal - ich jedenfalls glaube
daran". In diesem Moment bricht im Studio Gelächter aus: Und auch unser
Fahrer und meine Bekannten schnappen vor Lachen nach Luft. "Sie mögen es
glauben oder nicht, das ist mir egal - ich jedenfalls glaube daran." Das
ist ein Satz, der in kürzester Zeit in ganz China zum geflügelten Wort
wurde. Keine andere Formulierung spiegelt die politische Stimmung dieser
Tage so haargenau wider wie diese, keine wirkt so subversiv.
Schuld daran ist ein arroganter Sprecher des Eisenbahnministeriums. Nach
dem Zugunglück in Ostchina, bei dem am vorigen Wochenende mindestens 39
Menschen starben, hatte er die Fragen chinesischer Journalisten, warum die
zerstörten Waggons so schnell an Ort und Stelle vergraben wurden, mit genau
diesen Worten beiseite gewischt.
Unter den Reportern war der Verdacht aufgetaucht, die Verantwortlichen
wollten die Ursachen des Unglücks vertuschen. Per Twitter und SMS, in
chinesischen Blogs und Internetartikeln machte der Spruch die Runde und
wurde zum Synonym für die Abgehobenheit chinesischer Funktionäre, die sich
nicht einen Deut um das Leiden des Volkes scheren, eigene Fehler vertuschen
und vor keiner Lüge zurückscheuen.
## "Wir glauben den Tränen nicht mehr"
Als es am Mittwoch in Südwestchina zu Unruhen kam, weil Hilfspolizisten
einen behinderten Straßenhändler nach einem Streit erschlagen hatten,
kursierte im Internet bald ein Foto von zwei Hilfspolizisten. Einem wurde
der Satz in den Mund gelegt:"Wenn Sie weiter streiten, lasse ich Sie in
einem Loch verschwinden, Sie mögen es glauben oder nicht." Und sein Kollege
erklärte: "Ich jedenfalls glaube daran."
Das Zugunglück und die weithin als eiskalt empfundene Reaktion der Behörden
hat mittlerweile eine Debatte über Chinas rasantes Entwicklungsmodell und
dessen Kosten für Menschen und Umwelt ausgelöst. Unter dem Titel
"Abgekoppeltes Land" beschrieb der populäre Blogger und Rennfahrer Han Han
die tiefe Kluft zwischen Chinas Regierung und der Bevölkerung. "Wir wollen
die Wahrheit, wir glauben den Tränen nicht mehr!", erklärte die
Schriftstellerin Zhang Yihe in ihrem Blog und meinte Regierungschef Wen
Jiabao, der bei jeder Katastrophe vor Ort in Tränen ausbricht.
28 Jul 2011
## AUTOREN
Jutta Lietsch
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