# taz.de -- Telekommunikationsgesetz Bolivien: Eine mediale Flurbereinigung | |
> Mit dem neuen Mediengesetz wird der Einfluss des Staates gestärkt. Aber | |
> auch soziale Bewegungen und indigene Gruppen sollen stärker beteiligt | |
> werden. | |
Bild: Mehr Mitsprache dank Mediengesetz? Anwohner des Armenviertels El Alto. | |
PORTO ALEGRE taz | Boliviens neues Telekommunikationsgesetz sorgt für | |
Aufregung und Stimmungsmache. Als verfassungswidrig geißelt die | |
Journalistenvereinigung von La Paz das Gesetz, das letzte Woche mit der | |
parlamentarischen Mehrheit der Regierungspartei "Bewegung zum Sozialismus" | |
(MAS) verabschiedet wurde. Die spanische Presseagentur EFE verbreitete eine | |
Meldung über einen "erneuten Anschlag" von Präsident Evo Morales "auf die | |
Pressefreiheit", ohne jedoch das Journalistenzitat zu belegen. | |
Linke Medienleute wie Fortunato Esquivel vom Staatssender "Patria Nueva" | |
hoffen hingegen auf ein "Ende des medialen Großgrundbesitzes". Im Fernsehen | |
dominieren die drei Mediengruppen Pat, Unitel und Uno, die wiederum eng mit | |
Großunternehmen und rechten Politikern verquickt sind. Die Regierung strebe | |
eine "ausgewogene" Verteilung der Radio- und Fernsehsender an, sagte | |
MAS-Senator David Sánchez. Bislang sind über 90 Prozent kommerziell | |
ausgerichtet, bis 2017 soll es nur noch ein Drittel sein. Staatliche Sender | |
wollen bis dahin gleichziehen, das letzte Drittel teilen sich Basisgruppen, | |
Indigene, Kleinbauern und Gewerkschaften. | |
Kritiker gehen von einem homogenen Linksblock aus, einen erneuten Wahlsieg | |
der MAS 2014 vorausgesetzt. Außerdem fehlten den sozialen Bewegungen die | |
Mittel, sodass neue Sender nur mit staatlicher Hilfe und entsprechender | |
Kontrolle entstehen könnten. Doch die Verhältnisse sind komplizierter. So | |
stehen die Staatslizenzen auch den Gemeinden und Provinzen offen, die längt | |
nicht alle MAS-regiert sind. Und die Beziehungen zwischen der Regierung | |
Morales und ihrer "Basis" sind oft durchwachsen. | |
"Der allererste Regierungsentwurf war neoliberal", erinnert sich Andrés | |
Gómez Vela, der Chef des regierungsunabhängigen Radionetzwerks Erbol. | |
Ursprünglich sei nur ein Staatsanteil von 20 Prozent und 80 Prozent für die | |
Privaten vorgesehen gewesen, "doch die sozialen Organisationen haben durch | |
den Druck auf die Parlamentarier erreicht, dass die Frequenzen nun | |
gerechter verteilt werden". | |
Allerdings bemängelt der Radiomann, dass die Kontrollbehörde von der | |
Regierung eingesetzt werden soll: "Damit die Verwaltung der Frequenzen mit | |
größtmöglicher Unabhängigkeit vor sich geht, fordern wir, dass die | |
Zivilgesellschaft bei der Wahl dieser Instanz mitreden kann." | |
Von 680 bestehenden Kommerzsendern seien um die 400 in Gefahr, meint Mario | |
Andrade vom Privatradioverband Asbora - deren Frequenzen, vor allem auf | |
UKW, würden nach der Neuregelung von Staats- und Basissender beansprucht. | |
"Wir brauchen jetzt Ausführungsbestimmungen, damit der Übergang zu dem | |
neuen Gesetz nicht traumatisch wird", fordert Andrade. | |
Nachgebessert werden muss wohl auch der sehr umstrittene Artikel, der im | |
Notstandsfall und aus Staatssicherheitsgründen die Telefongesellschaften | |
zur umfassenden Zusammenarbeit mit den Behörden verpflichtet, also | |
Abhöraktionen legalisiert. "Das ist so allgemein, dass alles möglich ist, | |
nicht einmal ein Gerichtsbefehl wird verlangt", beanstandet | |
Oppositionssenator Germán Antelo. Nicht betroffen von dem Gesetz, das Evo | |
Morales am Samstag unterschreiben will, sind die Printmedien. | |
1 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
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