# taz.de -- Löhne von Universitätsabgängern: Mehr Geld für Akademiker | |
> Von wegen bröckelnde Mittelschicht: Männliche Akademiker legen kräftig zu | |
> bei der Kaufkraft. Die der Geringqualifzierten sank auf das Niveau der | |
> 80er Jahre. | |
Bild: Absolventen der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft u… | |
BERLIN taz | Wer Sozialwissenschaften studiert hat und sich mit | |
Weiterbildungskursen oder sonstwie mühsam über Wasser hält, mag es | |
vielleicht kaum glauben: Im Vergleich mit anderen Berufsgruppen geht es | |
Akademikern blendend. Die Reallöhne der Universitätsabsolventen stiegen | |
seit Mitte der 80er Jahre um 22 Prozent. | |
Personen mit einer abgeschlossenen Lehre bekamen nur sieben Prozent mehr an | |
Reallohn. Geringqualifzierte ohne Berufsabschluss können in diesem Zeitraum | |
unterm Strich gar kein Plus verbuchen. Unter "Reallöhnen" versteht man die | |
Entgelte, von denen die Preissteigerung bereits abgezogen ist. Ein Zuwachs | |
bedeutet also eine entsprechende Erhöhung der Kaufkraft und des | |
Lebensstandards. Die Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum zwischen 1984 | |
bis 2008 und wurden von Joachim Möller, Direktor des Instituts für | |
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in der aktuellen Ausgabe der | |
Zeitschrift IAB-Forum veröffentlicht. | |
"Deutschland gilt heute als eines der OECD-Länder mit dem höchsten Anstieg | |
der Lohnungleichheit", stellt Möller fest. Die Geringqualifizierten hätten | |
in den vergangenen 25 Jahren von der Zunahme des gesellschaftlichen | |
Wohlstandes nicht profitiert. Noch bis zur Wiedervereinigung waren die | |
Reallöhne der Geringqualifizierten gestiegen. Doch sie sinken seit 1990 und | |
liegen heute wieder auf dem Niveau der Mitte der 80er Jahre. | |
## Obere Einkommen haben stärker zugelegt als die mittleren | |
Ein 40-jähriger Akademiker verdiene mittlerweile im Durchschnitt das | |
2,6fache eines Geringqualifzierten gleichen Alters. Im Jahr 1984 war es | |
erst das 2,1fache, erklärt Möller. Der Langzeitvergleich des IAB bezieht | |
sich nur auf vollzeitbeschäftigte Männer in Westdeutschland. Ostdeutsche | |
Daten sind erst seit 1992 erhältlich, die Verdienste der Frauen seien wegen | |
der stärkeren Schwankungen der Arbeitszeiten schwieriger vergleichbar, | |
begründet Möller die statistische Einschränkung. | |
In Deutschland galt der Niedriglohnsektor in den 90er Jahren als | |
"unterentwickelt", schreibt Möller. "Dies hat sich inzwischen erheblich | |
gewandelt". Dabei gibt es differenzierte Spreizungen: "Die oberen Einkommen | |
haben stärker zugelegt als die mittleren und diese wiederum stärker als die | |
unteren". | |
Trotz der ingesamt guten Jobchancen für Hochqualifizierte zeigen sich | |
allerdings große Unterschiede bei den einzelnen Berufsgruppen der | |
Akademiker. Darauf weist die Bundesagentur für Arbeit in ihrem neuen | |
Bericht zur Arbeitsmarktentwicklung für Akademiker hin. In vielen | |
Ingenieurberufen beklagen Firmen heute Fachkräfteengpässe, allerdings litt | |
diese Berufsgruppe sehr stark unter der zurückliegenden Finanzkrise. | |
Wirtschaftsingenieure zählten "zu den gefragtesten Fachkräften", heißt es | |
im Bericht. | |
## Naturwissenschaftler sind gefragt | |
Die Jobnachfrage im Gesundheitswesen gehe einher "mit sehr guten | |
Marktchancen für Ärzte, Apotheker und Therapeuten". In sozialen und | |
geisteswissenschaftlichen Berufen wirken sich hingegen "die angespannten | |
öffentlichen Haushalte dämpfend auf die Arbeitsmarktlage aus", so der | |
Bericht. | |
Die ungleichen Chancen zeigten sich beim Berufseinstieg. Die Absolventen | |
der Studiengänge der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft | |
und Technik) sind gefragt. Der Berufseinstieg der Bachelors der | |
Wirtschaftswissenschaftler sei hingegen etwas und jener der Sprach- und | |
Kulturwissenschaftler deutlich schwerer, heißt es im Bericht der | |
Bundesagentur. | |
Im Durchschnitt aber stehen die Studierten gut da. Nach Berechnungen des | |
IAB lag die qualifikationsspezifische Arbeitslosenquote für Akademiker im | |
Jahr 2009 - das ist die jüngste angegebene Zahl - bei 2,5 Prozent "einem | |
Niveau, bei dem man von Vollbeschäftigung spricht". | |
Eine neue Erhebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zeigt allerdings, dass | |
Akademiker keinesfalls geschützt sind vor Erwerbslosigkeit. Das gilt auch | |
für Zeiten guter Konjunktur: Während sich in den ersten sechs Monaten | |
dieses Jahres die Neuzugänge in Erwerbslosigkeit bei den Leuten mit | |
betrieblicher Ausbildung im Vergleich zum Vorjahr um 8,6 Prozent reduziert | |
haben, so verringerte sich dieser Wert bei den Akademikern nur um 1,4 | |
Prozent. "Der anziehenden Beschäftigung insbesondere bei Akademikern steht | |
leider immer noch eine relativ stabile Zahl an Zugängen in Arbeitslosigkeit | |
gegenüber'", erklärte der Sozialexperte der DGB, Wilhelm Adamy. | |
1 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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