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# taz.de -- Debatte Neues Scheidungsrecht: Die neue Härte
> Das neue Scheidungsrecht zwingt Mütter zur konsequenten Berufsplanung.
> Dadurch verliert das alte Männerbild vom erfolgreichen Karrieretyp an
> Reiz.
Bild: Neues Scheidungsrecht: Viele Frauen werden sich in die gleichen Behauptun…
Es ist kaum zu glauben, wie geräuscharm das neue Scheidungsrecht vor
dreieinhalb Jahren in Kraft trat. Auch die jüngste Entscheidung des
Bundesgerichtshofs in der vergangenen Woche erzeugte keinen öffentlichen
Aufschrei, sondern bei vielen Frauen nur stille Wut und Unbehagen. Dabei
verteilt die neue Rechtsprechung die Lebensrisiken von Männern und Frauen
neu.
Geschiedene Mütter müssen in Vollzeit arbeiten, sobald ihr Kind drei Jahre
alt ist, sofern ein Kitaplatz zur Verfügung steht. Diese
Erwerbsobliegenheit, die der Bundesgerichtshof wieder bestätigte, bedeutet
in der Praxis, dass der geschiedene Mann in den meisten Fällen keinen
Betreuungsunterhalt für die Exfrau mehr zahlen muss.
Auch wenn er selbst nur ab und zu das Kind zu sich nimmt und die Mutter an
Abenden, an Wochenenden, im Urlaub, bei allen Kinderkrankheiten für ihren
Nachwuchs zuständig ist. Schafft sie keinen Vollzeitjob, sondern nur eine
halbe Stelle, ist für die Aufstockung im Zweifelsfall die Hartz-IV-Behörde
zuständig, nicht mehr der Exehemann.
## Die Ehe als doppelte Ich-AG
Das ist die neue Härte. Das neue Recht sei "auch eine Umverteilung vom
einzelnen Unterhaltsverpflichteten in die Sozialsysteme", sagt Jutta
Wagner, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes. Einige AnwältInnen
rügen das "Kettensägemassaker" der Rechtsprechung in den vergangenen drei
Jahren, weil dabei teilweise drastische Urteile gesprochen wurden zum
Unterhaltsanspruch auch nach lange dauernden Ehen. Die Exfrauen müssen die
Vereinbarungen zur ehelichen Arbeitsteilung und den Verzicht auf
berufliches Fortkommen im Einzelfall nachweisen, um einen
Unterhaltsanspruch behalten zu können.
Damit fällt das kollektivistische Ehemodell und wird durch ein
individualistisches Modell ersetzt. Zwar können Mütter auch weiterhin das
traditionelle Muster wählen: Frau steigt wegen der Kinder aus dem Beruf aus
und fängt irgendwann wieder in Teilzeit an.
Doch Qualifikationen gehen dabei schnell flöten. Nicht wenige
Wiedereinsteigerinnen landen in niedrig entlohnten Careberufen, in schlecht
bezahlten Jobs im Handel, auf Honorarverträgen. Nach einer Scheidung droht
diesen Frauen die Altersarmut. Das traditionelle Modell wird für die Mütter
zur hochriskanten Existenzform.
Frauen - oder auch betreuende Männer - könnten sich zwar vertraglich
absichern lassen, damit Unterhaltsansprüche jenseits des geltenden Rechts
erweitert werden. Doch den Liebsten schon im Vorfeld zum Notar zu
schleppen, ist in vielen Fällen eine Überforderung der jungen Beziehung.
## Wieder steigt der Leistungsdruck
Das Modell der Zukunft sieht so aus: Die meisten Mütter werden im Beruf
bleiben, ob nach einem Studium oder nach einer Lehre. Sie werden ihre
Qualifikationen nicht mehr aufgeben, so als radiere die Familienzeit ihre
Ausbildung aus. Viele Frauen werden sich in die gleichen Behauptungskämpfe
stürzen müssen wie die Männer.
Ob es sich um Architektinnen oder Ärztinnen handelt oder um
Einzelhandelskauffrauen, die nicht im Minijob an der Kasse enden, sondern
ihre Aufstiegsmöglichkeiten nutzen möchten. Das ist gut - erhöht aber den
Leistungsdruck enorm.
Damit ändern sich die Geschlechterrollen. Frauen werden künftig verstärkt
auch auf den höheren Etagen als Konkurrentinnen der Männer auftauchen, denn
sie hätten den Abteilungsleiterjob selbst gerne. Die neue Härte des
Gesetzes erfordert eine neue Härte der Frauen.
In einem Spiegel-Interview zur Frauenquote sorgte sich der Redakteur, dass
Männer künftig erheblich weniger Karrierechancen hätten, wenn in die
Vorstände der DAX-Unternehmen vor allem Frauen berufen werden, um eine
Quote zu erfüllen. Das sei der "Preis der Emanzipation". Den Mann kann man
trösten, denn künftig wird der betreuungswillige Mann im Kurs steigen.
Das alte Männerbild hingegen, wonach ehrgeizige Karrieretypen als besonders
attraktiv gelten bei den Damen, weil sie ökonomische Sicherheit bieten, hat
abgewirtschaftet. Solche Männer sind nutzlos geworden, denn im Falle einer
Scheidung hat die Frau nichts mehr vom beruflichen Erfolg des Ex.
Sicherheit verheißen künftig Männer, die Verantwortung für die
Kinderbetreuung übernehmen, egal, in welcher Konstellation. Nicht mehr das
Geld, die Zeit des Mannes wird zum hohen Gut, das er Frau und Kindern
gewähren muss. Insofern könnte das Unterhaltsrecht einen emanzipativen
Schub auslösen. Das ist aber auch schon das Beste, was man über die neue
Rechtsprechung sagen kann.
## Verhandeln ohne Ende
Gleichzeitig erhöht sich bei jungen Elternpaaren vor allem der
Verhandlungsdruck und das wird stressig. Auch für Väter wird es
ungemütlich, ihre Familie verlangt mehr von ihnen und gleichzeitig herrscht
im Job immer noch die hohe Präsenzpflicht, will man aufsteigen.
Es wäre naiv zu glauben, dass eine Kitaöffnungszeit bis 17 Uhr beiden
Eltern einen tollen Job ermöglicht. Stattdessen werden berufstätige Paare
künftig um die Betreuung bei Erkrankung der Kinder streiten, um die
Abholung am Spätnachmittag, die Pufferzeiten am Abend und am Wochenende.
Da sich Verhaltensmuster nicht so rasch ändern, dürften nach wie vor viele
Mütter im Konkurrenzkampf um familienfreie Zeit zurückstecken. Langfristig
schultern sie damit das größere Risiko, später zu verarmen. Und die Kinder
laufen ohnehin Gefahr, zum Streitobjekt zu werden, das man wegorganisieren
muss.
Das neue Unterhaltsrecht wird aber auch soziale Unterschiede weiter
verschärfen. Doppelverdiener aus der höheren Mittelschicht können neben dem
Kitaplatz private Zusatzbetreuung bezahlen.
Für die Mütter aus ärmeren Schichten bleiben die alten Kämpfe: Der schlecht
qualifizierte Job ist mies bezahlt und wenn nach einer Scheidung nichts
mehr geht, kommt der Antrag auf Hartz IV - mit der Auflage des Jobcenters,
jede Arbeit anzunehmen, wenn die Kinder nicht mehr klein sind.
Es gibt kein zurück zur Hausfrauenehe. Aber es stimmt nachdenklich, wie
geschmeidig sich die neue Erwerbspflicht der Mütter einfügt in eine
Wirtschaft, der die Arbeitskräfte fehlen.
9 Aug 2011
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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