Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gesamteuropäische Medien: Geld, Geduld und kluge Worte
> Mehrsprachige Medien sollen helfen, europäische Öffentlichkeit und
> Transparenz zu schaffen. Eine europäische Debatte macht das aber noch
> nicht aus.
Bild: EU-Subventionen: auch für mehrsprachigen Medien erforderlich.
Nehmen wir das Beispiel Guttenberg. Als Ingolf Pernice kurz nach der
Plagiatsaffäre um den Fast-Kanzlerkandidaten Karl-Theodor zu Guttenberg
durch Europa reiste, fragten ihn seine Kollegen, was das mit dem Guttenberg
auf sich habe. "Die Menschen reden über Dinge, die ihnen nahegehen", sagt
der Berliner Professor für Europarecht und meint damit nicht nur die
Wissenschaftsgemeinde. Meist geht es ums Geld, um Sicherheit oder um
Kulturthemen.
"Man muss nicht traurig sein, dass es nicht ständig irgendwelche
europäischen Großdebatten gibt. Wichtig ist doch, dass Debatten möglich
sind", so Pernice. Übrigens dringe bei den Menschen langsam durch, dass die
Entscheidungen in Brüssel wichtig seien. Alle europäischen Regeln,
Initiativen und Urteile seien nur noch einen Mausklick entfernt.
Diese reine Datenbank-Transparenz ist allerdings unbrauchbar. Die
Entscheidungsfindung in den EU-Institutionen ist zu komplex, Brüssel zu
weit weg. Die Europäische Union ist ein weltweit einzigartiges Experiment,
das seit über 50 Jahren weiterentwickelt wird. Inzwischen werden geschätzte
80 Prozent der nationalen Gesetze von EU-Regelungen zumindest beeinflusst.
Beim alltäglichen Ringen um Kompromisse und Paketlösungen zwischen 27
Mitgliedsstaaten, Kommissionsbeamten, Europaparlamentariern und
Interessensvertretern ist am Ende kaum nachvollziehbar, wer welche
Mitverantwortung an einem EU-Gesetz trägt. Deshalb ist es auch abseits von
Großdebatten zur Zukunft Europas wichtig, dass eine kritische
Öffentlichkeit die EU und ihre Akteure begleitet. Um die Vorschläge und
Vorgaben aus Brüssel zu verstehen, braucht es Politiker, die ihre
Entscheidungen zu Hause verantworten müssen, Journalisten, die sie erklären
können, und Medien, die darüber berichten wollen.
## Hierarchisierung- und Sprachenproblem
"Das Problem besteht nicht im Mangel an Online-Nachrichten und
-Informationen über die EU und ihre Institutionen, sondern eher in einer
Vielfalt von Informationen ohne wirkliche Hierarchisierung, was darauf
hinausläuft, dass zu viel Information ebenso gut ist wie keine
Information." Das Zitat stammt aus einer 2010 verabschiedeten Entschließung
des Europäischen Parlaments. Damit eine europäische Öffentlichkeit
entstehen kann, müsse die EU "die Schaffung grenzübergreifender Medien
fördern", forderten die Europaabgeordneten.
Es gibt solche grenzüberschreitenden Medien mit Europaschwerpunkt. Sie
haben allerdings ein Sprachenproblem: Wer ein internationales Publikum
erreichen will, muss auf Englisch veröffentlichen oder ist zumeist auf
Subventionen oder Zuschüsse angewiesen, um Beiträge zu übersetzen.
Egon Huschitt hätte nichts gegen eine EU-Förderung für grenzübergreifende
Medienprojekte. Huschitt ist ein Hamburger Geschäftsmann, er macht seine
Geschäfte mit Medien und würde auch gern mit Europathemen Geld verdienen.
## "Ich subventioniere aus Idealismus"
Sein Online-Magazin The European Circle ist seit seinem Start 2007 ein
Minusgeschäft, dennoch setzt Huschitt auf Mehrsprachigkeit: Seit Juli gibt
es den Webcast-Nachrichtenüberblick auch auf Polnisch. Demnächst soll die
polnische Website mit übersetzten Beiträgen bestückt werden. Eine englische
Version soll folgen.
"Ich subventioniere The European Circle aus Idealismus. Ich finde Europa
toll. Ich sehe aber keine Chance, dass so ein Projekt in absehbarer Zeit
privatwirtschaftlich finanziert werden kann", sagt Huschitt.
Ursprünglich hatte Huschitt The European Circle als Zeitschrift geplant.
"Das war 1998. Ich habe sogar einen Dummy produziert. Dann habe ich das
durchgerechnet und mich sehr schnell von dem Gedanken verabschiedet. Mir
war klar: Wenn das schiefgeht, bin ich pleite", sagt Huschitt im Rückblick.
Dank Internet und sozialer Netzwerke können selbst mehrsprachige
Medienexperimente zu Europathemen inzwischen deutlich preiswerter umgesetzt
werden. Im Web wimmelt es an Projekten, die spezielle Zielgruppen erreichen
und damit Teilöffentlichkeiten schaffen, die je nach Thema eine europäische
oder globale Dimension erreichen können. Der weltweite Erfolg der
Online-Enzyklopädie Wikipedia zeigt zudem, dass es durchaus möglich ist,
sich der Idee einer europäischen beziehungsweise globalen Öffentlichkeit
anzunähern.
## Eine fünfsprachigen europäischen Presseschau
Die internationale Presseschau spiegelt die Sicht verschiedener Länder auf
ein Thema und schafft dadurch fast nebenbei ein weiteres Element einer
europäischen Öffentlichkeit. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat
dieses Format seit 2005 zu einer fünfsprachigen europäischen Presseschau im
Internet weiterentwickelt.
"Eurotopics.net soll zeigen, wo Debatten in der europäischen Presse- und
Medienlandschaft synchron stattfinden. Außerdem greifen wir nationale
Themen auf, damit sichtbar wird, wie bunt Europa ist. Wir zeigen damit aber
auch, wie ähnlich gelagert manche Diskussionen in Europa verlaufen und von
einer Öffentlichkeit in die andere wandern", erklärt Thorsten Schilling,
Fachbereichsleiter Multimedia bei der Bundeszentrale für politische
Bildung.
Der Verzahnung verschiedener Medien unterschiedlicher Länder sind dabei
kaum Grenzen gesetzt. "Wikileaks hat es mit der Zusammenarbeit mit
Zeitungen und Magazinen in den USA und in Europa vorgemacht, wie es gehen
kann", sagt Schilling. Damit Texte, die in mehreren Ländern von Interesse
sein könnten, den Weg in deren Öffentlichkeit finden, hält er zudem einen
europäischen Übersetzungsfonds für sinnvoll. "Die EU hat die Zollschranken
gesenkt. Es gibt auch sprachliche Zollschranken, die gesenkt werden
müssen", so Schilling.
## Finanzierung von der EU und Abhängigkeit
Presseurop.eu ist ein solcher von der EU kofinanzierter Versuch,
Sprachgrenzen zu überwinden. Seit 2009 veröffentlicht Presseurop.eu täglich
etwa fünf Artikel aus europäischen Zeitungen und Zeitschriften, die
vollständig in zehn Sprachen übersetzt werden. "Presseurop ist ein
Premiumbeispiel für den Versuch, europäische Öffentlichkeit zu
erleichtern", sagt Carsten Lietz, Pressesprecher der EU-Kommission in
Berlin. "Die Kommission nimmt null Einfluss auf die Berichterstattung. Es
geht allein darum, den Zugang zu den Pressebeiträgen zu erleichtern, und
die Sprachbarrieren, die es nun mal gibt, abzusenken", erläutert Lietz.
Die Subvention europäischer Medienprojekte klingt verlockend, doch in der
Praxis kann das zu Interessenskonflikten führen. Thierry Chervel,
Journalist und Mitbegründer der Perlentaucher Medien GmbH, kennt die
Probleme, die mit öffentlichen Aufträgen verbunden sind. Perlentaucher hat
Eurotopics drei Jahre lang in Kooperation mit der französischen
Wochenzeitschrift Courrier international aufgebaut und produziert. Nach
einem FAZ-Artikel gegen den Perlentaucher hat die Bundeszentrale den
Auftrag neu ausgeschrieben und an das Netzwerk für
Osteuropa-Berichterstattung (n-ost) vergeben.
Signandsight.com, ein weiteres Perlentaucher-Projekt, will mithilfe von
Meinungsbeiträgen, die aus dem Deutschen ins Englische übersetzt werden,
europäische Debatten anregen. "Das ist uns auch gelungen, etwa bei der
Debatte um den Islam in Europa, als Autoren wie Timothy Garton Ash und
Pascal Bruckner miteinander gestritten haben. Da hat sich gezeigt, dass
sich solche Debatten recht leicht anstoßen lassen", sagt Chervel.
Allerdings läuft das Projekt inzwischen nur noch auf Sparflamme, da die
Stiftungsförderung gekürzt wurde.
## Transnationale Debatte gegen europäische Verunsicherung
Der ehemalige taz-Redakteur vermisst den publizistischen Willen in den
Medien, europäische Debatten zu befördern. "Es ist auch schade, dass
Stiftungen und andere Akteure der Zivilgesellschaft darin keine Chance
erblicken. Dafür braucht man nicht viel Geld", so Chervel. Wie wichtig es
ist, transnationale Debatte zu führen, zeigt die europaweite Verunsicherung
über die Zukunft des Euros und der Europäischen Union.
"Es reicht nicht, dass die Griechen auf Deutschland und die Deutschen auf
Griechenland schimpfen. Es fehlt eine länderübergreifende Debatte, in der
Teilnehmer aufeinander Bezug nehmen, in der ein griechischer Autor einen
Beitrag schreibt, ein deutscher Autor antwortet und dazu dann ein
französischer Autor einen Standpunkt veröffentlicht", sagt Chervel.
Solche Debatten müssten allerdings zunächst auf Englisch geführt werden.
"Englisch ist das Kleingeld der internationalen Verständigung. Vieles kann
dann in andere Sprachen übersetzt werden", so Chervel.
Beim Thema zu Guttenberg hat das auch ohne einen EU-Übersetzungsfonds
funktioniert.
Der Autor ist Redakteur beim europäischen Nachrichtenportal EurActiv.de.
12 Aug 2011
## AUTOREN
Michael Kaczmarek
## TAGS
Europa
## ARTIKEL ZUM THEMA
Medienportal Eurotopics: Über Grenzen hinweg
Mit seiner täglichen Presseschau will Eurotopics zu einer europäischen
Öffentlichkeit beitragen.
Medien in Griechenland: Scheitern als Chance
Von der Schulden- und Wirtschaftskrise in Griechenland bleiben auch die
Staatsmedien nicht verschont. In ihrem Fall könnte auch das Parteibuch
aussterben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.