# taz.de -- Westafrikanischer Kleinfischer übers Fangen: "Die Probleme hat die… | |
> Falsch beflaggte Schiffe aus Europa fischen in Afrika die Meere leer, | |
> weiß der Fischer Gaoussou Gueye. In der Nordsee machten niederländische | |
> Konzerne das genauso. | |
Bild: "Lokale Fischer haben überhaupt keine Rückendeckung", sagt Fischer Gaou… | |
taz: Herr Gueye, sie haben zwei Wochen lang die Kleinfischer an der Nordsee | |
besucht. Haben Sie sich dabei an Ihre Heimat erinnert gefühlt? | |
Gaoussou Gueye: Ja. Die Probleme sind hier dieselben wie bei uns. | |
Tatsächlich? Westafrikas Fischer klagen über den jahrelangen Fischraub | |
durch die EU-Flotten - das Problem tritt in der Nordsee nicht auf. | |
Die Politik der EU bevorzugt industrielle Fischereiflotten und zerstört | |
damit die nachhaltige, handwerkliche Fischerei und die Fischbestände – hier | |
wie dort. Ich habe die Krabbenfischer der Nordsee getroffen, die kürzlich | |
vier Wochen lang gestreikt und eine Erhöhung der Krabbenpreise durchgesetzt | |
haben. Das ist genau die richtige Vorgehensweise. Wir im Senegal könnten | |
allerdings einen vierwöchigen Fangstop gar nicht durchhalten. | |
Gleichwohl gibt es in der Nordsee effektiv überwachte Fangbeschränkungen | |
und Schutzzonen. Ist die Lage im Vergleich zu der in Westafrika nicht | |
geradezu luxuriös? | |
Keineswegs. Die Nordsee ist stark überfischt. Lokale Fischer haben keine | |
ausreichende Rückendeckung im ungleichen Wettbewerb mit den großen Flotten. | |
So setzt sich die Überfischung fort. Die Schutzzonen für Kleinfischer sind | |
zu klein, die Fangbeschränkungen nicht strikt genug, die Weiterverarbeitung | |
ist in den Händen großer, ausländischer Konzerne. Diese Mechanismen wirken | |
überall. | |
Aber ihr Land hat doch 2006 nach Protesten der Kleinfischer das | |
Fischereiabkommen mit der EU gekündigt. | |
In der Zeit der Fischereiabkommen von 1970 bis 2006 haben die Europäer | |
unsere Meere überfischt. Viele Fischarten sind jetzt in ihrem Bestand | |
gefährdet. Die Kündigung des Abkommens hat nur wenig genützt, die Europäer | |
haben weiter Zugang zu unseren Fischgründen: Mit Joint Ventures haben sie | |
ihre Schiffe umgeflaggt. Als vermeintliche Senegalesen fischen sie nun | |
weiter. Genauso gehen in der Nordsee niederländische Fischereikonzerne vor. | |
Für uns sind die Folgen dieser Piraterie fatal. Das Land hat immer weniger | |
vom Fischfang. Im Gegenteil: Einheimischer Fisch wird für uns zu teuer. | |
Immer öfter müssen wir billige Fischkonserven aus Portugal und Spanien | |
kaufen. | |
Nach wie vor ist der Export von Fisch die wichtigste Devisenquelle ihres | |
Landes. | |
Nur wenige profitieren davon. Praktisch alles, was exportiert wird, wird in | |
Europa weiterverarbeitet. Diese Wertschöpfung geht für die Bevölkerung | |
verloren. Hinzu kommen die Folgen für unsere Ernährung: Die von den großen | |
Flotten überfischten, küstennahen Schwarmfische sind für uns ein | |
Grundnahrungsmittel. Die UN-Ernährungsorganisation FAO hat kürzlich darauf | |
hingewiesen, dass ihr Schwund die Nahrungsmittelversorgung in Westafrika | |
ernsthaft bedroht. | |
Sollten sich die Europäer künftig komplett von den Gewässern Afrikas | |
fernhalten? | |
Oh nein. Eine Koexistenz ist ganz bestimmt möglich. Es kommt aber darauf | |
an, was gefangen wird. Edelfische wie der Zackenbarsch sind in ihrem | |
Bestand zu sehr dezimiert, die Schwarmfische wie die Makrele sind für die | |
lokale Bevölkerung wichtig. Andere Arten, wie etwa Thunfisch, könnten aber | |
unter bestimmten Bedingungen durchaus auch auf Lizenzbasis von | |
ausländischen Flotten gefangen werden. | |
Welche Bedingungen wären das? | |
Die Wertschöpfung bei uns müsste steigen. Der in unseren Gewässern | |
gefangene Fisch müsste vor dem Export im Senegal weiterverarbeitet werden. | |
Nur so dient es unserer Entwicklung. Dann müsste es endlich funktionierende | |
Untersuchungen über die Entwicklungen der Bestände geben. Daran fehlt es | |
bis heute. Am wichtigsten aber ist Transparenz. | |
Sie spielen auf die Korruption in ihrem Land an? | |
Ja. Erst im April habe 18 russische Trawler aus völlig undurchsichtigen | |
Gründen die Erlaubnis bekommen, in unseren Gewässern zu fischen. Sie haben | |
seither 40.000 Tonnen Fisch gefangen und nur einen winzigen Bruchteil des | |
Wertes an die Behörden gezahlt. Nicht ein einziges Kilo ihres Fanges wurde | |
im Senegal weiterverarbeitet, nicht ein einziger Einheimischer von ihnen | |
eingestellt. Doch weil sie rücksichtslos auch die Schwarmfische gefangen | |
haben, blieben unsere Netze leer. Die Preise für die Schwarmfische im | |
Senegal haben sich jetzt verfünffacht. Seit letzter Woche ist Ramadan – und | |
die Menschen können sich keinen Fisch leisten. Das ist eine Katastrophe. | |
16 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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