# taz.de -- Vermeintliches Urlaubsparadies Gambia: "Zu viel Meinungsfreiheit" | |
> Gambia vermarktet sich als westafrikanisches Urlaubsparadies. Die | |
> geflohene Journalistin Ndey Tapha Sosseh berichtet über den Umgang des | |
> Präsidenten mit Kritikern. | |
Bild: Mag keine Kritiker und keine Homosexuellen: Gambias Präsident Yahya Jamm… | |
ABUJA taz | "Alles inklusive", am Strand, am Pool und im Hotel. So werben | |
unzählige Reiseanbieter für Gambia und locken ihre Kunden mit traumhaften | |
Fotos in das kleine, schmale Urlaubsparadies im äußersten Westen Afrikas. | |
Ndey Tapha Sosseh stößt ein verächtliches Lachen aus, wenn sie bloß daran | |
denkt. Dabei ist sie an einem dieser Traumstrände aufgewachsen, wo die | |
Fischer noch allabendlich ihren Fang direkt vom Boot zum Verkauf anbieten. | |
Ihre Mutter hat ein Haus direkt am Meer. "Damals war es toll", erinnert | |
sich die 32-Jährige. "Gambia war frei und offen." | |
Seit mehr als zwei Jahren hat die Menschenrechtlerin und Journalistin ihr | |
Kindheitsparadies nicht mehr betreten. Denn abseits der Sandstrände | |
herrscht Präsident Yahya Jammeh. Der 46-Jährige kam 1994 durch einen Putsch | |
an die Macht und versucht, so sagt es Sosseh, Oppositionelle aus dem Weg zu | |
räumen. | |
Bis vor einigen Wochen war Ndey Tapha Sosseh Vorsitzende der gambischen | |
Journalistenunion, der einzigen Gewerkschaft, die überhaupt noch im Land | |
zugelassen ist. Als sie vor zwei Jahren gemeinsam mit Kollegen einen | |
offenen Brief an den Präsidenten verfasste und ihn aufforderte, den | |
mysteriösen Tod eines Journalisten zu untersuchen, wurde sie zur | |
Staatsfeindin. Ihr Glück: Beim Erlassen des Haftbefehls arbeitete sie | |
gerade zufällig in Mali. Sie blieb im Exil. Die Mitunterzeichner verbüßen | |
noch immer ihre Haftstrafen. | |
## "Hochverrat" | |
Seit ein paar Wochen nun wird Ndey Tapha Sosseh wegen Hochverrats, der mit | |
lebenslanger Haft oder dem Tod bestraft wird, vom gambischen Staat gesucht. | |
Der Grund: Gemeinsam mit vier weiteren Menschenrechtsaktivsten der neu | |
gegründeten "Koalition für den Wandel in Gambia" ließ sie 100 T-Shirts | |
drucken. Niemand hat die kleinen, weißen Leibchen, auf denen auf der | |
Vorderseite "Beendet die Diktatur in Gambia" und auf der Rückseite | |
"Freiheit" steht, je getragen. | |
Denn der Geheimdienst entdeckte die Hemdchen, die für Präsident Jammeh | |
Volksverhetzung bedeuten. Deshalb ließ er die vier übrigen Aktivisten, zu | |
denen auch der einstige Informationsminister Amadou Scattred Janneh gehört, | |
verhaften. Janneh wurde wochenlang an einen unbekannten Ort verschleppt und | |
in Abwesenheit des Hochverrats angeklagt; im Oktober soll der Prozess | |
beginnen. | |
"Gambia leidet einfach unter zu viel Meinungsfreiheit", sagte Jammeh kurz | |
nach den Verhaftungen knapp. Die unwirsche Aussage passt perfekt ins Bild. | |
Vor drei Jahren setzte der Präsident Homosexuellen ein Ultimatum und | |
kündigte stolz an, jeder verhaftete Schwule solle geköpft werden. Ähnlich | |
stolz berichten Staatsmedien regelmäßig über Jammehs Erfolge bei der | |
Aidsbekämpfung: der Präsident als Erfinder einer Kräutertherapie, die den | |
HI-Virus aus dem Körper spülen soll. | |
"Wir Journalisten können nicht einmal mehr sachlich über Gesundheitsthemen | |
berichten", ärgert sich Ndey Tapha Sosseh. Die Hoffnung, dass sich die | |
Situation ändern wird, hat die Menschenrechtlerin aufgegeben. Im November | |
will sich Yahya Jammeh zum vierten Mal zum Präsidenten wählen lassen. | |
Oppositionsparteien dürfen erst zwei Wochen vor dem Wahltermin überhaupt | |
mit ihrem Wahlkampf beginnen. Jammeh-Anhänger trommeln schon jetzt: "Wir | |
sorgen für 100 Prozent der Stimmen", heißt es. | |
Selbst wählen wird Sosseh am 24. November wohl nicht. Sie bleibt in Mali. | |
Den Kampf gegen das diktatorische Regime in ihrer Heimat will sie von dort | |
aus weiterführen. | |
18 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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