# taz.de -- Unplausibles Bildungsranking: Umstrittene Studie | |
> Der neue Bildungsmonitor gibt Hamburg schlechte und Bremen gute Noten. | |
> Die Studie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft arbeitet auch mit | |
> sehr alten Daten. | |
Bild: Lernt hoffentlich, wie man Studien interpretiert: Schüler. | |
HAMBURG taz | Ein Ranking erregt die Gemüter. Der "Bildungsmonitor 2011" | |
platziert die bildungspolitischen Bemühungen der Länder in eine Rangfolge | |
und setzt Hamburg und Schleswig-Holstein in der Gesamtwertung auf den | |
vorvorletzten und vorletzten Platz. | |
Niedersachsen landet auf Platz 8, und Bremen gar mit Platz 6 auf einem der | |
vorderen Plätze. Doch die Studie der "Initiative Neue Soziale | |
Marktwirtschaft" (INSM) ist umstritten. Und die in der Presse verkürzte | |
Darstellung, wonach Hamburgs Schulen sich verschlechterten, sogar falsch. | |
Insgesamt bewerten die Forscher 13 Handlungsfelder (siehe Kasten), von der | |
Hochschulpolitik bis zur Kinderbetreuung, und mischen die Werte dann zu | |
einer Gesamtpunktzahl. Ausgerechnet beim Punkt Schulqualität haben die | |
Kölner Wissenschaftler aber gegenüber dem "Bildungsmonitor 2010" kaum etwas | |
Neues zu sagen. | |
In beiden Studien basieren die Aussagen auf der Pisa-Studie von 2006 und | |
einem bundesweiten Leistungsvergleich des Berliner Instituts für | |
Qualitätsentwicklung (IQB) im Bildungswesen von 2009. In diesem wurde die | |
Lesekompetenz getestet, dabei schnitt Hamburg ganz gut ab. Die schlechteren | |
Werte über die Leistung in Mathe und Naturwissenschaften beziehen sich auf | |
den Pisa-Test 2006. "Die Daten sind zu alt", kritisiert die grüne | |
Schulpolitikerin Stefanie von Berg. | |
Und auch CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann hat "Zweifel an der | |
Datenqualität". Neu sind die Werte vom Pisa-Test 2009, der aber nicht mehr | |
nach Bundesländern differenziert ausgewertet wurde. Die Studienmacher haben | |
dafür einfach allen Bundesländern 2,2 Punkte Zuwachs erteilt. | |
Auch im Handlungsfeld "Bildungsarmut" belegt Hamburg den drittletzten | |
Platz. Hier wird neben oben erwähnten älteren Studien die | |
Schulabbrecherquote mit berücksichtigt. Doch die hat sich in Hamburg in | |
2009 im Vergleich zum Vorjahr von 8,2 auf 7,8 Prozent verbessert. | |
Bei diesen klar messbaren Werten machte die Hansestadt auch in anderen | |
Bereichen Fortschritte. Es machen sehr viele Schüler Abitur (Ranking Platz | |
3), und vergleichsweise viele haben einen Migrationshintergrund. Beim | |
Ranking für Integration steht Hamburg auf Platz zwei. | |
Trotzdem kritisierte Studienautor Oliver Stettes in der Welt die | |
schwarz-grüne Vorgängerregierung. Hamburg habe sich in der Strukturdebatte | |
"verkämpft". Worauf der SPD-Schulsenator Ties Rabe noch eins draufsetzte: | |
Hamburg habe unter der CDU-GAL-Regierung "erheblich an Boden verloren". | |
Den Hamburger GEW-Vorsitzenden Klaus Bullan ärgert das. Die INSM sei ein | |
"ideologisch neoliberal durchtränkter Thinktank. Die Untersuchung sei | |
"unseriös und interessengeleitet". Da sei der der 14. Platz eigentlich | |
nicht der Rede Wert, "wenn nicht damit in Hamburg Politik gemacht würde". | |
Dass der Streit um Primarschule und Schulstruktur dazu geführt hätten, dass | |
Hamburg andere wichtige Aufgaben im Schulbereich vernachlässigt habe, sei | |
eine "Legende". | |
Die eigentlichen Minuspunkte macht Hamburg in der Hochschulpolitik. Es gab | |
vergleichsweise wenig Habilitationen. Und die Zahl der pro Professor | |
erworbenen Drittmittel lag 2009 mit 83.500 Euro unter dem Bundesschnitt von | |
knapp 100.000 Euro. | |
Außerdem legt die INSM großen Wert auf den Anteil der Absolventen im | |
Bereich Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften, kurz "Mint", die | |
für Deutschlands Wirtschaft von "herausragender Bedeutung" seien. In | |
Hamburg entstammt jeder zehnte Absolvent und jeder zweite Forscher diesem | |
Bereich, damit landet die Kaufmannsstadt auf dem letzten Platz. | |
Diese Fächer machen laut Bildungsmonitor-Bericht einen "großen Teil des | |
positiven Einflusses von Bildung auf das wirtschaftliche Wachstum aus". | |
Doch hier setzt die Kritik an diesem bildungsökonomischen Ranking ein. Es | |
sei nicht belegt, dass die auf diese Art vom INSM bewertete Politik einen | |
Einfluss auf die Wachstumsentwicklung der einzelnen Länder habe, kritisiert | |
der Politologe Tobias Kaphegyi, der im Auftrag der GEW das Gutachten "Black | |
Box Bildungsmonitor" erstellte. | |
Bremen hat bei Schulqualität und Bildungsarmut ähnlich schlechte Werte wie | |
Hamburg. Das liegt auch an der Bevölkerungszusammensetzung. Seinen guten | |
Platz verdankt die "Akademikerschmiede Deutschland" seinen Hochschulen. Im | |
Jahr 2009 lebten in Bremen 71.000 erwerbsfähige Akademiker, zugleich | |
machten an den Hochschulen 5.587 Studenten ihren Hochschulabschluss. Auch | |
bei "Mint-Orientierung" weist Bremen einen Spitzenplatz auf. | |
Niedersachsen belegt durchweg Durchschnittswerte. Hervorgehoben wird die | |
"Zeiteffizienz. Unter anderem, weil besonders viele Studiengänge schon auf | |
das Bologna-Kurzstudium umgestellt sind. | |
Auch Schleswig-Holstein landete bei "Zeiteffizienz" auf Platz 3 und bei | |
"Integration" auf Platz 4. Verbesserungsbedarf mahnen die Autoren bei der | |
Akademikerquote, den Betreuungsbedingungen und der Förderinfrastruktur an. | |
Doch ob all diese Punkte in dem Ranking plausibel gewertet sind, ist | |
umstritten. Der Bildungsforscher Klaus Klemm sprach im Stern gar von Unfug. | |
"Solch eine Studie mit Rangliste zu erstellen, traut sich außer der INSM | |
kein Wissenschaftler zu - denn es ist medienwirksame Zauberei, sonst | |
nichts". | |
19 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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