# taz.de -- Buch "Was ist links?": Westlinke schlecht, Ostlinke prima | |
> Was diesem Buch fehlt, sind Zuspitzungen: Christoph Rufs sympathische, | |
> aber wenig systematische Recherchen zur Frage "Was ist links?" | |
Bild: Westen, Osten, links – wo es lang geht, weiß man nach der Lektüre lei… | |
Die Linke hierzulande hat sich machtpolitisch gründlich selbst gefesselt. | |
SPD, Grüne und Linkspartei werden wohl auch 2013 kaum zu einer produktiven | |
Zusammenarbeit in der Lage sein. Alle Versuche - in Hessen, im Saarland und | |
in Thüringen - sind bisher gescheitert, vor allem an den Sozialdemokraten, | |
die unfähig sind, eine abgeklärte Haltung zur Linkspartei zu entwickeln. | |
"Schon die halb offizielle Parteilinie der SPD (Westlinke schlecht, | |
Ostlinke prima) ist nicht gerade überkomplex, wie die Parlamentsarbeit in | |
Hessen, Niedersachsen oder Hamburg zeigt, wo den Linksfraktionen seriöse | |
Oppositionsarbeit bescheinigt wird", schreibt der Journalist Christoph Ruf. | |
So ist es. | |
Um der Selbsthemmung der politischen Linken auf die Spur zu kommen, nimmt | |
Ruf in einer Art Reisereportage das Milieu von Sozialdemokraten, Linken und | |
Grünen unter die Lupe. Er porträtiert den Freiburger Ökostadtteil Vauban, | |
setzt dem eigenwilligen SPD-Bürgermeister von Nürnberg eine kleines Denkmal | |
und skizziert den bayerischen SPD-Mann Florian Pronold als energischen | |
Neuerer. Wir lesen von bemühten, engagierten Linksparteigenossen im Osten, | |
frustrierten SPD-Leuten und Junggrünen, die an ihren politische Karrieren | |
basteln, ohne ihre Ideale aufzugeben. | |
## Begegnung mit offenem Herzen | |
Diese reportageartige Form hat den Vorteil, Politik nicht als leerdrehenden | |
Konkurrenzkampf zu zeigen, sondern als handfestes, mit dem Alltag vertäutes | |
Geschäft. Der Nachteil dieser Form ist eine Unschärfe. Der Autor begegnet | |
seinen Figuren mit offenem Herzen. Und Politiker sind, wenn sie | |
Journalisten treffen, meist wirklich engagierte Zeitgenossen, die viel | |
Gutes, zum Beispiel den ökologisch-sozialen Umbau der Gesellschaft, im Sinn | |
haben. | |
Auch die Fundi-Linke Sevim Dagdelen ist, wie der Autor leicht verwundert | |
registriert, "sympathisch". Mag sein. Welche Spaltungen der Linkspartei | |
bevorstehen, falls sie je Teil einer rot-rot-grünen Regierung wird, erfährt | |
man dabei nicht. | |
Kurzum: Was immer Absichten und Leidenschaften ihrer Mitglieder sind, | |
dadurch versteht man längst noch nicht, wie Parteien funktionieren. Denn | |
vor allem sind Parteien Organisationen, die nach einem Kosten-Nutzen-Kalkül | |
funktionieren. Offenbar sind bei SPD, Linkspartei und Grünen viele der | |
Ansicht, dass Rot-Rot-Grün mehr Kosten als Nutzen für den eigenen Laden | |
bringen würde. | |
Was diesem sympathischen Buch fehlt, sind Zuspitzungen. Wer ernsthaft | |
wissen will, woran Rot-Rot-Grün scheitert, muss sich mit den | |
einflussreichen grünen Realo-Strategen befassen, die Schwarz-Grün | |
anstreben. Und mit den rechten SPD-Seeheimern, die bislang wirksam | |
Annäherungen an die Linkspartei verhindern. Das tut Ruf nicht. Ein echter | |
Politikwechsel, mit Mindestlöhnen, sozialer Gesundheitsreform, | |
Finanzmarktregulierung, schreibt er, "kann es nur mit Rot-Rot-Grün geben". | |
So ist es. Aber warum weckt dieses Projekt beim Wahlvolk so wenig | |
Leidenschaften? | |
"Was ist links" ist ein freundliches Buch. Man liest es gern. Wirklich | |
klüger ist man danach nicht. | |
Christoph Ruf: "Was ist links? Reportagen aus einem politischen Milieu". | |
C.H. Beck, München 2011, 253 Seiten, 12,95 Euro | |
24 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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